Im Winter ging
Vater zu Holzauktionen und kaufte Brennholz. Dieses wurde dann geholt, gesägt
und gehackt.
Ein großer
Teil meiner Kindheitserinnerungen hängt mit Großvater zusammen. Da
meine Geschwister 10 und 13 Jahre älter waren, mussten sie schon tüchtig
mit arbeiten. Ich, der Kleine, wuchs fast mehr mit Großvater als den Geschwistern
auf.
Wenn die Erwachsenen auf dem Feld waren passte er auf
mich auf und erzählte vom Krieg 1870/71. Großvater rauchte eigentlich viel und ich musste
immer zu "Pfeffermüller" (Gasthaus "Grüne Tanne"),
um für ihn Tabak zu holen. Er hatte eine Hängepfeife mit tönernem
Kopf. Da Großvater keine Zähne mehr hatte, war über das Mundstück
ein Flaschengummi gestreift. Trotzdem kam es des öfteren vor, dass die
Pfeife runterfiel und der Pfeifenkopf kaputt war. Dann musste ich auch noch
einen Pfeifenkopf kaufen. Großvater
rauchte Krüllschnitt. Je nach Appetit konnte ich drei verschiedene Sorten
einkaufen. Ein Paket wog wohl 500 Gramm. Ein rotes kostete 90 Pfennig, ein gelbes,
eine Mark und dann gab es noch die Ringe, diese mussten aber erst noch geschnitten
werden. Dazu hatte er eine kleine Handschneidemaschine.
Er rauchte viel. Er hatte keine Zähne mehr und um die Tabakpfeife halten zu können hatte er auf die Pfeifenspitze einen Gummiring von einer Bierflasche gezogen. Trotzdem fiel die Pfeife oft runter und der tönerne Pfeifenkopf war kaputt. Ich musste dann wieder einen neuen kaufen.
Als alter Kriegsteilnehmer bekam er jeden Monat 25 Reichsmark Rente. Davon bekam ich immer eine Mark Taschengeld.
Es war auch
eine schöne Sache, dass sich die Enkel zur Vogelwiese bei Großvater
immer eine Mark abholen konnten. Sie kamen deshalb immer gern zum Sieb. Erst
vor wenigen Tagen unterhielten wir uns im erweiterten Familienkreise darüber
und Beteiligte erzählten, dass sie anschließend mit gleicher Absicht
zu anderen Verwandten gefahren sind. Dort gab es entsprechend des Alters
pro Jahr einen Pfennig, also 11 Jahre - 11 Pfennige.
Wenn ich Großvater
geärgert hatte, schimpfte er meist: "Du Himmelhund, scher dich uff
de Jasse " oder wenn er in der Zeitung von neuen technischen Dingen las,
sagte er: "Ich sä´s schon kumm ´n, die fliechen o noch
no´n Mond" und zu mir sagte er oft: "Junge das marke dich, wenn
de keen Jeld hast, biste in "Dummer".
Wenn Leute über
schlechte Zeiten barmten, sagte er oft: "De Zeiten bleim n immer, bloß
de Menschn wern schlimmer."
Zur Vogelwiese bekam jeder seiner Enkel ebenfalls 1 Mark.
Von Waldbesitzern
oder vom Förster wurden auch Bohnenstangen gekauft. Diese mussten ebenso
wie die Tomatenpfähle geschält ( Rinde entfernen ) und angespitzt
werden. Ebenso mussten im Winter die zum Brotbacken benötigten Reisigbunde
beschafft werden. Da ging man zum Förster und ließ sich auf einer
Kahlschlagfläche eine Zackenkabbel anweisen. Die Kiefernzweige wurden eingehackt und zu
Bunden eingebunden. Diese mussten dann zu Hause noch zum Trocknen aufgestapelt
werden. Wenn sie abgetrocknet waren, wurden sie im Schuppen auf einen Stangenzwischenboden
eingelagert. Das war dann zwar nachher praktisch, es bewirkte aber auch, dass
das Dachgebälk stark von Holzwürmern zerfressen wurde und die Scheune
etwa 1965 abgebrochen werden musste.
Kaufte man schon
fertige Bunde, so wurden diese nach Schock (60 Stück) gehandelt.
Die Frühbeetfenster
und Pappdecken wurden repariert. Ebenso wurden neue Strohdecken geflochten.
Da Vater handwerklich
sehr begabt war, beschäftigte er sich im Winter mit Sattler- und Stellmacherarbeiten,
Körbe flechten, Holzpantoffeln herstellen, Besen binden und noch so einiges
mehr. So manches habe auch ich dabei gelernt. Sogar Bürsten stellten wir
zum Teil selbst her. Die letzte, von uns in den 30er Jahren hergestellte Bürste,
ist heute noch als Glanzbürste für die schwarzen Schuhe im Einsatz.
Als Bürstenmaterial verwendeten wir die den Pferden abgeschnittenen Schwanzhaare.
Die zum Flechten
benötigten Weidenruten ernteten wir von mehreren Korbweidenbäumen,
die
im Garten standen. Es wurden
aber nicht alle Ruten abgeschnitten, sondern ein paar besonders gut geformte
blieben immer ein paar Jahre auf dem Baum, um dann als Harken- Gabel- oder Schippenstiele
Verwendung zu finden. An solchen Geräten gibt es keinen besseren Stiel
als einen gut gewachsenen Weidenstiel. Eine Weide ist leicht, elastisch und
liegt sehr weich in der Hand. Mit Glasscherben wurden die Stiele geglättet.
Die Frauen beschäftigten
sich mit dem Ausbessern der Wäsche, mit dem Flicken und Stopfen kaputter
Säcke, mit dem Sortieren von Trockenbohnen, Mohn ausschneiden und ähnlichem.
Dabei wurden oft alte Volkslieder gesungen .
Einen besonderen
Höhepunkt der Winterarbeiten bildete das " Federn reißen“
Während
die heutigen jungen Leute nur leichte Synthetikbetten wollen, war es noch zu
unserer Jugendzeit fast ein "muss", dass das Brautpaar bei der Verheiratung
die Federbetten einschließlich Unterbetten beisammen hatte.
Da man damals
oft noch in ungeheizten Dachkammern schlief und in kalten Wintern früh
oft der Atem als Raureif an der Decke angefroren war, war ein dickes Federbett
schon etwas Gutes. Auch aus diesem Grunde wurden früher Gänse und
Enten gehalten, denn für die Betten wurden bei uns nur die Federn von Wassergeflügel
verwendet.
Zum Federnreißen
wurden soviel Frauen aus der Nachbarschaft und dem Bekanntenkreis eingeladen,
wie in der Stube Platz hatten. Nach dem Mittagessen ging es los. Zum Kaffee
gab es Kuchen oder Pfannkuchen und abends noch ein kräftiges Abendbrot.
Mit Singen war
hier nichts, denn jede unnötige Luftbewegung musste vermieden werden. Dafür
wurden aber alle Ereignisse und Begebenheiten aus der näheren und weiteren
Umgebung diskutiert. Die Federn wurden dabei zugleich sortiert in Bettfedern
und Daunen. War die Arbeit dann beendet, machte meist eine Flasche Likör
die Runde.
Danach begann
dann ein Großreinemachen, denn die Federfusseln hatten sich, obwohl alles
weitgehend mit Decken und Tüchern abgedeckt war, in alle Ritzen verkrochen.
Ähnlich
wie die Termine beim Kartoffeln lesen, waren die Federtermine in der Nachbarschaft
abgestimmt und die Frauen gingen von einem Hof zum anderen.
Die zum Flechten
benötigten Weidenruten ernteten wir von mehreren Korbweidenbäumen,
die
im Garten standen. Es wurden
aber nicht alle Ruten abgeschnitten, sondern ein paar besonders gut geformte
blieben immer ein paar Jahre auf dem Baum, um dann als Harken- Gabel- oder Schippenstiele
Verwendung zu finden. An solchen Geräten gibt es keinen besseren Stiel
als einen gut gewachsenen Weidenstiel. Eine Weide ist leicht, elastisch und
liegt sehr weich in der Hand.
Die Frauen beschäftigten
sich mit dem Ausbessern der Wäsche, mit dem Flicken und Stopfen kaputter
Säcke, mit dem Sortieren von Trockenbohnen, Mohn ausschneiden und ähnlichem.
Dabei wurden oft alte Volkslieder gesungen
.
Unsere bäuerlichen
Handelspartner waren die Spar- und Darlehenskasse, für Futtermittel Heinrich
Benicke, für Getreide die Mühle Gebr. Düben, für Stroh und
Kartoffeln Hermann Fräßdorf und Schach & Parche.
Aus dieser Zeit
sind wir noch im Besitz des "Statutes der Ländlichen Spar- und Darlehnskasse"
von 1913 und der "Geschäftsordnung für die Ländlichen Spar-
und Darlehnskassen" von 1930.
Ich weiß
nicht mehr, ob wir bei Kriegsausbruch eine Auflage für die Ablieferung
landwirtschaftlicher Produkte erhielten, aber ich erinnere mich noch,
dass bei Kriegsausbruch alle Zentrifugentrommeln beim Ortsbauernführer
abgeliefert werden mussten, dass das Verfüttern von Brotgetreide mit Zuchthaus
bestraft wurde und dass wir am ersten Kriegstage Lebensmittelkarten
erhielten. Verschiedene Produkte, z. B. Zucker wurden mit einer Kriegssteuer
belegt und verteuerten sich dadurch.
Wenn wir schlachten
wollten, mussten wir dieses anmelden. Dann kam ein amtlicher Wäger der
das Schwein wog - für uns war Heinrich Bölke aus der Stadtrandsiedlung
zuständig, - und von der Kartenstelle wurden wir benachrichtigt, wie lange
unsere Wurst reichen musste.
Wie es mit der
Butterversorgung geregelt wurde weiß ich nicht mehr. Die Milch mussten
wir zur Molkerei Fitzke in die Elsterstraße bringen.
Der Ferkelmarkt
fand auf dem Tauentziehplatz, dem heutigen "Platz der Jugend" statt,
ebenso die "Pferdemusterung."
Da die Wehrmacht
damals noch über viel bespannte Einheiten verfügte, wurden auch junge
Pferde zum Kriegsdienst eingezogen. Dies erfolgte mit den Pferdemusterungen.
Da wir nur Zuchtstuten und einen Hengst hatten, blieben wir von diesen Maßnahmen
verschont und konnten unsere Pferde behalten.
Viele wehrfähige
Männer wurden zur Wehrmacht eingezogen und es fehlte natürlich an
Arbeitskräften. In der Landwirtschaft wurden diese Lücken mit Kriegsgefangenen
und später mit Zivilpersonen, den sogenannten Ostarbeitern aufgefüllt.
Staatlicherseits wurden diese Menschen als Menschen 2. und 3. Klasse angesehen.
Wer dabei erwischt
wurde, dass diese Arbeiter bei den Mahlzeiten mit den Deutschen an einem Tisch
aßen, musste mit Zuchthaus rechnen. Ich kenne im Kreis Wittenberg ein
Beispiel, wo ein polnischer Arbeiter öffentlich aufgehängt wurde,
weil er zu einem deutschen Mädchen Beziehungen angeknüpft hatte.
Wir hatten auf
unseren Hof auch ein 18jähriges russisches Mädchen aus der Gegend
vor Moskau. Sie hieß Elena. Wir hatten zu ihr ein sehr gutes Verhältnis
und als die Russen 45 in unser Haus kamen, fragte sie ein Offizier sofort, ob
sie mit uns an einem Tisch gegessen habe. Da dies der Fall war und sie die gute
Behandlung bestätigte, durften die Soldaten die vom 26. 4. bis 4.5. in
unserem Hause einquartiert waren, bei uns nicht plündern. Lediglich ein
Schwein wurde geschlachtet.
Auf die Kriegsschäden
komme ich an anderer Stelle zu sprechen. (Die letzten Kriegstage)
Bis zur Einschulung
1934 ging ich in den Friedrichstädter Kindergarten. Da ich von Großvater
immer mal für kleine Dienstleistungen eine Mark erhielt, hatte ich damals
schon manchmal etwas Taschengeld und ich erinnere mich, dass ich einmal bei
Kaufmann Höcke am Königsplatz Luftballons vor der Tür hängen
sah. Die gab's aber, nur wenn man Margarine kaufte. Ich kaufte also einen kleinen
Würfel Margarine und bekam einen Luftballon. Auf dem Weg zum Kindergarten
warf ich die Margarine weg. Der Luftballon hat aber den Nachmittag auch nicht
überlebt.
Hatten wir manchmal
beim Rumtreiben Hunger gekriegt, kauften wir uns bei Bäcker Faust für
5 Pfennig ein Brötchen und bei Fleischer Anger für 10 Pfennige Wurstzipfel
und wir waren wieder satt.
Ich kann mich
auch erinnern, dass damals im Sommer des öfteren Leute mit Karren durch
Friedrichstadt kamen und Heidelbeeren oder Pilze verkauften. Später
kam dann auch Rohrmann aus der Stadtrandsiedlung mit dem Speiseeiskarren.
Wenn wir Kinder
durchziehende Zigeuner sahen, rannten wir gleich nach Hause und verrammelten
das Tor und die Türen.
An den Winterabenden
gab es bei uns noch die Dämmerstunde. Aus Sparsamkeitsgründen wurde
das elektrische Licht erst eingeschaltet, wenn es richtig dunkel war. In der
sogenannten Dämmerstunde saß ich dann oft auf der Hitsche und kokelte
vorm Feuerungsloch des Kachelofens. Großvater saß auf der Ofenbank
und erzählte Geschichten. Meist handelten sie von 1870/71. In der Ofenröhre
brutzelten dann meist die Bratäpfel.
Im Herbst ließen
wir gewöhnlich die Drachen steigen. Zum Starten hielt er den Drachen fest
und ich musste mit der Bindfadenrolle rennen.
Rechts im Hintergrund
erkennt man das Haus von Sieb-Hentzsch.
Die Drachen
baute immer mein Bruder. Gewöhnlich waren sie immer über einen Meter
hoch. Wenn es sehr windig war, musste der Schwanz noch beschwert wird. Dazu
banden wir dann immer Weiße Rüben, die standen damals im Herbst immer
auf den Feldern, an das Schwanzende.
Großvater
im Garten. Wie immer mit der Tabakspfeife.
Als Großvater
starb war er 89 Jahre. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Er war in der
Wohnstube offen im Sarg aufgebart. In Friedrichstadt hatte er noch einen etwa
gleichaltrigen Freund. Dieser - der alte Graf - wohnte in der Schulstraße
und kam, um sich von Großvater zu verabschieden. Er schüttelte ihm
noch einmal die Hand, dass der ganze Sarg wackelte.
Bei der Beerdigung
war eine Gruppe des Kriegervereins mit
Musik dabei. Vor dem Leichenwagen trug ein Träger ein schwarzes Samtkissen
mit seinen Orden.
Am Grabe wurde
noch Salut geschossen und die Musik spielte sein Lieblingslied "Ich hatt`
einen Kameraden."
1934 wurde ich
in die Elstervorstadtschule eingeschult. An meinen ersten Schultag erinnere
ich mich noch gut. Meine Schwester hatte mich zur Schule gebracht und war dann
wieder nach Hause gegangen. Als wir unsere 1. Stunde abgesessen hatten, konnten
wir nach Hause gehen. Als die
Klassentür aufging standen draußen die Eltern mit den Zuckertüten.
Da ich wusste, dass meine Schwester wieder nach Hause gegangen war, konnte ich
folglich auch keine Zuckertüte bekommen. Da fing ich schrecklich an zu
heulen. Auf die Frage des Lehrers warum ich heule, antwortete ich, ich hätte
große Zahnschmerzen. Als ich dann aber im Hintergrund Mutter mit der Zuckertüte
entdeckte, war es mit den Zahnschmerzen vorbei.
Nach der täglichen
Schule ging das Leben weiter wie bisher. Nach den Schularbeiten musste ich entweder
Bodengänge erledigen, beim Markt machen helfen oder konnte mit anderen
Kindern spielen. Während heute die Kinder vorm Fernseher sitzen oder sich
mit elektronischem Spielzeug beschäftigen, verbrachten wir unsere Freizeit
überwiegend in der Natur. Wir kannten so viele Spiele die man heute gar
nicht mehr kennt. Z.B. Schlagball, Völkerball, Treibeball, Ball fangen,
Kreiseln, Humpeln, Schandi und andere. Berger hat sie in seinem Buch "Damals
in Dabrun" zum Teil ausführlich beschrieben, so dass ich dies alles
nicht noch einmal wiederholen möchte. Abgesehen davon, dass wir nicht solche
Wassermöglichkeiten wie die Kinder in Dabrun hatten, beschreibt
er seine Kindheit wie wir sie hier auch erlebt haben. An Beispielen beschreibt
auch sehr schön die Wittenberger Mundart.
Ich kann mich
auch erinnern, dass ich als Steppke mit dem Fahrrad nach Hohndorf musste, um
von Trabitzes Berg Beifuss für den Entenbraten zu holen. Damals war Beifuss
noch eine Rarität, heute ist es ein Unkraut vor dem man sich nicht retten
kann.
Ich war hocherfreut,
als mich Vater eines Tages zum Fahrradhändler Martin schickte, um mir dort
ein Fahrrad abzuholen. Ich war doch sehr enttäuscht, dass es nur ein aufgearbeitet
altes Rad war.
Wenn die Süßkirschen
reif waren, erledigte ich die Fahrten nach Hohndorf ganz gern, denn damals standen
an der Dresdener Straße vom Luthersbrunnen bis Mühlanger Süßkirschbäume
und man versuchte sich da immer satt
zu essen. Man musste aber immer wachsam sein, denn "Äppel-Lange"
hatte die Allee gepachtet und passte natürlich auf, dass nicht zu viel
gemaust wurde. Wir wussten aber, dass er sich meist in der Nähe der "Kirschbude"
aufhielt. Das war Knappes Pferdestall den sie immer zur Kirschzeit an "Äppellange"
vermietet hatten.
Bei einer solcher
Hohndorffahrt konnte ich beobachten, dass bei dem damaligen Niedrigwasser
der Elbe unterhalb vom Lug ein Elbkahn auf Grund lag. Besatzungsmitglieder standen
neben dem Kahn etwa bis zum Gürtel im Wasser und versuchten mit Schippen
den Kahn flott zu machen.
Hatten wir in
den Spitzenzeiten mehr Gemüse im Angebot, gab es in der Kleinen Friedrichstraße
noch Fritz Kreter. Der kaufte Gemüse auf und brachte es nach Leipzig in
die dortige Markthalle.
Für den
Anbau von etwas Frühgemüse und für die Pflanzenanzucht hatten
wir auch eine Anlage von 30 Frühbeetfenstern. Aus dieser Anlage wurde im
Herbst die Erde ausgeschippt..
Gegen Ende des
Winters wurden die Frühbeetkästen mit vorher gesammeltem Pferdemist
gefüllt. Dieser musste gut festgetreten und dann mit einer Schicht gesiebter
Gartenerde bedeckt werden. Darauf kamen die Frühbeetfenster. Diese wurden
mit Strohdecken und Pappdecken abgedeckt. Neben der Isolierung sollten die Pappdecken
die Strohdecken vor Regenwasser schützen.
Durch Umsetzungsprozesse
erhitzte sich der Pferdemist und damit auch die darüber liegende Erde.
Dieses ermöglichte dann schon sehr zeitige frühe Aussaat. War erst
ausgesät oder ausgepflanzt ging die Arbeit richtig los. Morgens mussten
die Pappdecken zur Seite getragen und die Strohdecken zusammengerollt werden.
Waren die Pflanzen schon größer oder die Tage sehr warm, wurden dir
Frühbeete durch anheben der Fenster gelüftet. Am Abend
musste die gleiche Arbeit in umgekehrter Reihenfolge durchgeführt werden.
Die Wittenberger
Gärtner kauften zum Packen ihrer Frühbeetanlagen viel Pferdemist in der Elbaue
und auf dem Fläming.
Außer
dem Gemüse hatte Mutter ständig eine breite Palette von Blumen im
Angebot. Außer einem geringen Hausverkauf belieferten wir in der Stadt
Blumengeschäfte. Da gab es im Sommer häufig Überangebote. Dann
behielten die Geschäfte die Blumen in Kommission, d. h. wir bekamen nur
Geld, wenn die Blumen verkauft werden konnten.
Diese umfangreichen
Arbeiten konnten natürlich nicht nur mit familieneigenen Arbeitskräften
erledigt werden. Gewöhnlich hatten wir ständig einen Kutscher und
eine Magd.
Besonders arbeitskraftaufwendig
war das "wieten" der Möhren und der Maiblumen. Da die Maiblumen
nicht umgedrückt werden durften, musste diese Arbeit gebückt stehend
verrichtet werden. Die Möhren konnten auf Strohsäcken rutschend gewietet
und verzogen werden.
Nach dem Kriege
wurde oft in den Zeitungen beschrieben, wie die Landarbeiter ausgebeutet worden
waren. Ich glaube der monatliche Auszahlungsbetrag lag für Männer
bei 5o,-- Mark und bei Mädchen bei 25,-- Mark. Die Mädchen bekamen
aber außerdem Weihnachten und bei besonderen Anlässen noch soviel
Wäsche, dass sie in der Regel bei ihrer Verheiratung die Aussteuer zusammen
hatten.
Zur Vogelwieswoche,
die ging immer vom letzten Juliwochenende bis zum ersten Sonntag im August,
traf sich die Landjugend des Kreises immer donnerstags auf dem Schützenplatz.
Hierzu bekamen die Mädchen auch meist ein neues Kleid.
Zu den ständigen
Arbeitskräften kamen im Sommer saisonbedingt noch mehre Friedrichstädter
Frauen.
Die Maiblumen
unktrautfrei zu halten erforderte einen großen Arbeitsaufwand. Aber auch
andere immer wiederkehrende Arbeiten sollen nicht unerwähnt bleiben, nämlich
das Brot backen, das Pflaumenmus kochen und die Hausschlachtung.
Etwa jede Woche
wurde einmal Brot gebacken. Der Backofen befand sich neben der Küche im
Wohnhaus. Er wurde mit Reisigbunden geheizt. Aus dem in der Küche vorbereiteten
Sauerteig formte Mutter 4 lange und zwei runde Brote.
Um einmal Brot
zu backen, brauchten wir etwa 5 Reisigbunde. Ehe man die Brote einschieben konnte,
musste der Ofen die richtige Hitze erreicht haben. Man sah es, wenn die Ofendecke
weiß wurde. War die richtige Temperatur erreicht, nahm man einen, an eine
Stange gebundenen Strohwisch, machte diesen gut nass und schob die noch auf
der Herdfläche liegenden Asche- und Glutreste zur Seite. Dann wurden auf
den Schiebern die Brote eingeschoben. Vorher wurden sie aber noch mit Wasser
überpinselt und mit einem Messer wurden die Oberflächen eingeritzt.
Oft wurde nach den Broten noch Kuchen gebacken. Dazu war der Ofen immer noch
heiß genug.
Im Herbst wurden
gelegentlich nachträglich noch Pflaumen, Birnen oder Apfelringe zum Dörren
eingeschoben.
Als meine Mutter
schon krank war. habe ich bis zu meiner Verheiratung abwechselnd mit meinem
Vater das Brot gebacken. Nachdem ich geheiratet hatte, holten wir unser Brot
beim Bäcker, denn der Bäcker Fritz Kraatz war der Onkel meiner Frau.
Meine Schwiegermutter
stammt aus der Bäckerei Geißler (Kraatz) in Friedrichstadt. Unter
anderem war Pfannkuchen backen eine ihrer Spezialitäten. Da sie in ihrer
Jugendzeit ständig Brötchen austragen musste, kann sie uns noch viel
über die damaligen Friedrichstädter Verhältnisse berichten.
Selbst an ihrem
Hochzeitstage musste sie früh erst noch die Brötchen ausgetragen.
Sie ist jetzt 93 Jahre.
Je nach Erntemenge
wurde fast in jedem Jahre 1-2x Pflaumenmus gekocht. Für eine Kesselfüllung
wurden jeweils etwa 2 ½ Zentner Pflaumen benötigt. Diese wurden
am Tage vorher entsteint und in einer großen Holzwanne mit dem Stampfeisen
zerkleinert. Das Kochen war eine langwierige Arbeit. Um ein Anbrennen oder Ansetzen
der Pflaumen zu verhindern, musste ständig mit der Muskelle der Kessel
durchgerührt werden. Wehe, wenn er angebrannt war! Das ging ganz schön
über die Arme, daher wurden diese Beteiligten auch öfter gewechselt.
In den kalten
Wintermonaten wurden dann auch je nach Größe 1-2 Schweine geschlachtet.
Das Fleisch und die Wurst mussten dann wieder bis zum nächsten Winter reichen.
Beim Fleischer wurde höchstens mal zu besonderen Anlässen Rindfleisch
gekauft. Waren die Wurstbestände schon zu sehr geschrumpft, wurde im Herbst
vor der Kartoffelernte schon mal ein kleineres "Wurstschwein" geschlachtet.
Da heute nur
noch einzelne Haushalte Schweine schlachten, will ich auf dieses Thema an anderer
Stelle näher eingehen. ( Friedrichstädter Geschichten).
Die wesentlichsten
Winterarbeiten waren das Ausdreschen, des während der Ernte eingelagerten
Getreides, Holz sägen und hacken und die Reparatur von Maschinen und Geräten.
Da wir damals noch keine Strohpresse hatten, musste beim Dreschen noch alles
Stroh mit der Hand eingebunden werden.
Ich habe auch
viel gelesen. Sehr gern Karl, Hans Dominik und Bücher über den ersten
Weltkrieg. Leider haben wir diese Bücher aus Angst vor den Russen 1945
vernichtet.
Als 1935 das
Sprengstoffwerk in die Luft flog, konnten wir den Rauchpilz von hier sehr gut
sehen. Aus Angst vor weiteren schwereren Explosionen flüchteten viele Wittenberger
Einwohner auf die umliegenden Felder.
Ich erinnere
mich auch, dass einmal ein Pilot zu uns kam, um zu telefonieren. Da wir aber
kein Telefon hatten konnten wir ihm nicht helfen. Er musste auf den Feldern,
wo heute die Lerchenbergsiedlung steht, notlanden. Dabei hatte er
sich überschlagen. Es war ein Doppeldecker des Richthofengeschwaders, erkenntlich
an der roten Motorhaube.
Mitte der 30er
Jahre wurden die Stadtrandsiedlung, die Lerchenbergsiedlung, die Teucheler Pionierkaserne,
die Flakkaserne, das Arado-Flugzeugwerk und noch so vieles anderes gebaut.
Vor dem Bau
der Flakkaserne wurden an der jetzigen Nordendstraße gegenüber der
Gasstation, Baracken errichtet und eine Batterie mit vier 8,8cm Flak-Geschützen
stationiert. Die Fundamente dieses Lagers sind heute noch erkennbar.
Als sich 1937/38
das Verhältnis mit der Tschechoslowakei zuspitzte, hatte auch einmal eine
8,8 cm Flakbatterie auf dem Sieb hinter Lorenz für einige Wochen Stellung
bezogen.
Die Friedrichstädter
Straßen, die bis dahin nur einfache Feldwege waren, wurden in den 30er
Jahren geschottert. Dabei wurde in der Charlottenstraße zwischen Königsplatz
und der Annendorfer Str. eine Steigung ausgeglichen. Man erkennt es heute
noch an den höher liegenden Haustüren.
Dadurch war
nicht mehr ausreichend Deckung auf den Wasserleitungen und mittle der 40er Jahre
froren bei einem kalten schneelosen Winter die Wasserleitungen ein.
Entlang der
damaligen Kleinen Friedrichstrasse und der Großen Friedrichstrasse zogen
sich offene Straßengräben, die bei stärkerem Regen das Wasser
ableiten sollten. Die Kreuzstraße hatte auch einen solchen Graben.
Ich kannte damals
in Wittenberg zwei Badeanstalten. Einmal das Strombad Zander an der Vogelwiese
und das Stadtbad am Großen Anger.
Ich war vielleicht
acht oder neun Jahre, als ich mich im Stadtbad anmeldete um Schwimmen zu lernen.
Auf dem Weg dorthin kam ich auch am Sportlatz und der Tennisanlage vorbei. Einmal,
es war eine kalte Witterung und ich wollte nicht ins Wasser, guckte ich ein
bisschen beim Tennis zu und sammelte auch mit Bälle. Groß war mein
Erstaunen als man mir anschließend 20 Pfennig in die Hand drückte.
Statt zur Badeanstalt zu fahren habe ich mir dann später öfter ein
paar Groschen verdient.
Damals war die
Elbe noch sauber und wir waren oft in der Badeanstalt. Es gehörte dazu
ans andere Ufer zu schwimmen, oder wenn ein Schleppdampfer kam, zum Beiboot
des hinteren Kahnes zu schwimmen, reinzuklettern und sich ein Stück mit
nach oben ziehen zu lassen. Einmal habe ich mich bis hinter Hohndorf mitnehmen
lassen. Ich wollte mich dann gemütlich elbabwärts treiben lassen.
Das Wasser war aber so kalt, das ich an Land geschwommen und bis zur Badeanstalt
gelaufen bin.
In den Reinsdorfer
Tongruben bin ich einmal fast ertrunken.
Von den großen
Trajuhner Jungen hatte ich gehört, dass "Hundepaddeln" ganz einfach
wäre und man ginge dann nicht unter. Bei mir klappte es aber nicht und
es hätte mich einmal bald erwischt.
Manchmal musste
ich zur Erntezeit in Karlsfeld, wenn mein Bruder Getreide binderte, Sauerkirschen
pflücken, damit Mutter am nächsten Tage nach dem Brot noch Kirschkuchen
backen konnte.
1938 kriegten
wir den Lehrer Gustav Dalichow an unsere Schule. Berger hat schon in seinem
Buch über die Erfahrungen in Dabrun berichtet. Wir hatten ihn in Sport,
Werkunterricht und Mathematik. Seinen "Johannes" (den Rohrstock) hatte
er mitgebracht. Einmal kam er im Trainingsanzug, die Mathearbeiten unterm Arm,
in die Klasse. Er rief neun Schüler nach vorn. Als sie in einer Reihe standen,
kam der Befehl: "kehrt-bücken", dann holte er den Johannes aus der Trainingshose
und jeder bekam drei Hiebe aufgezogen. Für Gustav waren diese neun Schüler
nun die Knüppelgarde.
Einmal beim
Sport hatten verschiedene Schüler ihre Turnschuhe nicht mit. "Raustreten"
- ich war auch dabei. Jeder wurde einzeln gefragt: "Wo hast du deine Turnschuhe?
Alle antworteten "vergessen". Gustav antwortete: "Du
warst nur zu faul", verteilte zwei Ohrfeigen und ging zum Nächsten.
Da ich klein war, stand ich als Vorletzter in der Reihe. Auf seine Frage antwortete
ich: "Ich war zu faul". Er kuckte mich verdutzt an, klopfte mir auf
die Schulter und sagte: "Du bist wenigstens ehrlich". Ich habe nichts
abgekriegt.
Er war streng,
aber gerecht.
Als wir 1992,
50 Jahre nach der Schulentlassung, unser erstes Klassentreffen hatten, war er
mit 89 Jahren unser Ehrengast.
Nachmittags
nach der Schule konnte ich mir hin und wieder mit den Pferden etwas Taschengeld
verdienen. Es war manchmal eine Fuhre zu machen oder ein Stück Acker umzupflügen.
Dieses Geld konnte ich behalten. Anfang der 40er Jahre fuhr mein Vater auch
zeitweilig für die Firma Runze Bier zu Wittenberger Geschäften und
Gaststätten. Oft musste ich ihn nachmittags ablösen. Da wir die
Bierfässer in die Keller bringen mussten, lernte ich auch einige Wittenberger
Bierkeller kennen. Die Kellertreppe von Cafe Richter, später "Am Holzmarkt",
war am gefährlichsten, sie war sehr steil und schmal.
1. Ich trage
, wie damals üblich, Schürze und Langstiefeln,
2. Das Pferdegespann
sind unsere "Oldenburger", die 1945 die Russen mitgenommen haben.
3. Der Pferdewagen
ist ein "3-Zöller" wie sie früher verwendet wurden.
4. Die Vorderfront
des Wohnhauses ist noch so, wie es von Großvater erbaut wurde.
5. Die Scheune
wurde 1923 an das Wohnhaus angefügt und
6. über
den Pferden erkennt man am Dach den Absatz, wo mein Vater das Haus um ca. 2m verbreiterte.
An diese Zeit
habe ich auch noch eine Erinnerung. Ein Schulfreund, Rolf Knape, fuhr gern mit
Pferden und kam nachmittags oft zu uns um mir bei den Gespannarbeiten zu helfen.
Wir fuhren in Friedrichstadt Bier aus. Beim Kaufmann Juretzky kauften wir, angelockt
durch die Werbung, eine Schachtel Kautabak. Hannewacker leicht war uns zu schwach, also nahmen wir mittel. Wieder auf dem
Wagen, wurde gleich probiert. Obwohl wir den Priem gleich wieder ausspuckten,
war es uns den ganzen Tag übel.
Wir kamen dann auch in das Jungvolk. Das war die Jugendorganisation
für die 6- bis 10-jährigen. Zur Aufnahme war die sogenannte "Pimpfenprobe" erforderlich.
Dazu gehörten: 60 m-Lauf, Weitsprung, Schlagballweitwurf und mit dem Fahrrad
eine 3-Tagefahrt, die sogenannte Pfingstfahrt. Wir fuhren Pfingstsonnabend
mit dem Fahrrad bis Torna. Dort übernachteten wir in einer Scheune.
Pfingstsonntag ging es weiter nach Reinharz und am Montag wieder nach Hause.
Schon in der ersten Nacht hatte mir einer der Kumpels mein Braunhemd geklaut.
Im Jungvolk,
sowie auch später in der HJ, gehörte nicht nur das Sammeln von Altstoffen,
sondern im Sommer auch das Sammeln von Heilkräutern zu unseren Aufgaben.
In der HJ mussten
wir dann im Winter in einer Sammelaktion für das Winterhilfswerk Abzeichen
verkaufen.
Mit Andauern
des Krieges kam dann auch die Zeit der Fliegeralarme. Auf der Elbbrücke
und auf den Dächern verschiedener Industriebetriebe waren 2cm-Flakgeschütze
aufgebaut. Einmal schossen sie nachts wie verrückt. Der Himmel war voller
Leuchtspurgeschosse.
In der Nacht
vom 1. zum 2. September 1940 wurde ein englischer Bomber beim Rückflug
von Berlin abgeschossen. Er stürzte in Mühlanger, direkt neben den
Bahnschienen ab.
Ich sollte nachmittags
zur Hohndorfer Wiese kommen, um beim Grummt laden nachzuharken. Natürlich
fuhr ich erst zu der Absturzstelle um Souvenirs zu sammeln. Auf der Wiese gab
s dann wieder großen Krach, weil ich so spät kam.
Im Lauf der
Kriegszeit hatte ich mir eine umfangreiche Sammlung von den verschiedensten
Dingen zugelegt. Das begann mit Flak - und Bombensplittern, ging weiter über
Stahlhelme und verschiedener Munitionsarten der Feindstaaten. Das hatte ich
alles in meinem Zimmer aufgebaut. Die Munition war in einem versteckten Schubkasten
im Bücherschrank.
Als die Russen
im Anzug waren, haben meine Eltern diese Sammelstücke in den Abort entsorgt.
Alle waren wir aber entsetzt, als wir nach meiner Heimkehr am 5.5. noch die
Munition im Bücherschrank fanden.
Zum Glück
hatte sich kein Russe für die Bücher interessiert!
Wenn in der
Nacht Fliegeralarm war, brauchten wir am nächsten Tag erst um 10 Uhr in
die Schule. Da fielen viele Unterrichtsstunden aus.
Etwa 41/42 wurde
über Wittenberg und weiter westlich eine Ballonsperre errichtet. Diese
konnten aber keine Erfolge verbuchen. Über die Dauer des Vorhandenseins
der Sperrballons wird viel gestritten.
Der Winter 1941/42
war sehr kalt. Bevor die Elbe zufror, hatten wir Hochwasser. Auf den Elbwiesen
hatten sich riesige Eisflächen bildete. Als mit der Schneeschmelze das
Eis aufbrach, bestand im Raum Bösewig die Gefahr, dass eine riesige
Eisscholle den Elbdamm wegschiebt. He 111-Bomber beseitigten die Gefahr, indem
sie die Eisfläche bombardierten.
Aus dieser Zeit
weiß ich zunächst nichts Aufregendes zu berichten. Nach meiner Schulentlassung
1942 war ich in der elterlichen Landwirtschaft tätig. Etwa zu dieser Zeit
hatte Vater einen Traktor bestellt. Da aber ab 1943 für die Landwirtschaft
nur noch Modelle mit Holzgasmotor ausgeliefert wurden, nahm ich in Halle
an einem Lehrgang teil und erwarb den Betriebsberechtigungsschein zum Betreiben
von Holzgasgeneratoren. Ebenso erwarb ich den Führerschein der Klasse 4.
Kriegsbedingt kam es aber nicht mehr zur Auslieferung des Traktors.
Im Sommer 1943
wurden die englischen Nachtangriffe auf Berlin wesentlich verstärkt. Ich
war zu dieser Zeit in Schönefeld. Bei klarem Himmel konnte man das Geschehen
sehr gut beobachten. Zuerst sah man an den Positionslichtern, wie in Jüterbog
die Nachtjäger starteten. Sobald sie abgehoben hatten, löschten sie
die Lichter. Dann kam das Dröhnen der Bomberverbände. Es waren
interessante Bilder, wenn sich die Leuchtspurgeschosse der Bordwaffen kreuzten.
Oft konnte man sehen wie Flugzeuge brennend abstürzten oder in einem riesigen
Feuerball explodierten. Einmal erlebte ich ein besonders schaurig-schönes
Beispiel. Die Abwehr hatte die Bomber von Berlin abgedrängt und sie luden
ihre Phosphorbrandbomben in Richtung Eckmannsdorf-Blönsdorf über freiem
Feld ab. Fast schlagartig stand auf mehreren hundert Metern Länge eine
kirchturmhohe Feuerwand der explodierenden Phosphorbrandbomben.
Schaden entstand zum Glück nicht. Bis vor Berlin ging das Gebiet der Nachtjäger,
dann kam der Berliner Flaksperrgürtel. Hatten die Bomber diesen erreicht,
konnte man denken kurz über dem Horizont würden Wunderkerzen abgebrannt,
so dicht krepierten die Flakgranaten.
Ein anderes
Erlebnis dieser Tage konnte ich lange nicht vergessen. Ich sah den brennenden
Absturz einer viermotorigen "Halifax" bei Seehausen. Am nächsten
Morgen fuhr ich mit dem Fahrrad zur Absturzstelle. Das Flugzeug war noch kurz
über der Erde explodiert und zum Teil ausgebrannt.
Im Cockpit lagen fünf verkohlte Leichen. Der Flugzeugrumpf
lag etwas abseits und darin riesige Mengen MG-Munition und auch noch Stabbrandbomben.
Etwa 100 m seitlich
lag mit angstverzerrtem Gesicht ein toter Flieger. Die Stiefeln hatte man ihm
schon geklaut und auf der Brust lag seine Brieftasche. Ich beguckte mir auch
die darin befindlichen Bilder.
Darunter war
auch sein Hochzeitsbild. Ich hatte also gleichzeitig das Bild des strahlenden
Brautpaares und das angstverzerrte Gesicht, des mit offenen Augen auf dem Rücken
liegenden toten Fliegers vor mir. Diese Bild verfolgte mich noch lange nachts
in meinen Träumen.
Einige Meter
neben den Toten lag noch eine bei der Explosion des Flugzeuges weggeschleuderte
Bombe. Sie war seitlich aufgeklatscht. Dabei war der Bombenkörper aufgerissen
und man konnte in seinem Innern ein orangefarbenes Salz erkennen.
Das Bombenleitwerk
und der darunter befindliche kleine Propeller, der beim Abwurf den Zünder
scharf macht, waren abgebrochen und lagen daneben. Den kleinen Propeller nahm
ich als Souvenir mit nach Hause, ebenso eine Stabbrandbombe. Nach zwei Tagen
fuhr ich noch einmal zu der Absturzstelle, um noch weitere Souvenirs zu holen
und war sehr erstaunt, dass statt der Bombe nur ein Trichter vorhanden war.
Sie hatte einen intakten Zeitzünder und war noch explodiert.
Am 11.1.1944
musste ich zur Musterung in die Gaststätte "Sihlers Garten".
Als erstes wurden wir zunächst über das Verhalten bei Fliegeralarm
aufgeklärt. Wir sollten den Schutzgraben in der Eichstraße aufsuchen.
Uns kam das lächerlich vor, denn am Tage Feindflieger über Mitteldeutschland
zu sehen, war gar nicht denkbar. Trotzdem war gegen Mittag Fliegeralarm
und wir mussten in den Schutzgraben. An diesem Tage sahen wir zum ersten Male
einen amerikanischen Bomber am Tage.
Mein Vater hatte
mich für den Herbst 1943 zur Landwirtschaftlichen Winterschule angemeldet.
Da aber wegen Einberufung der Lehrer in Wittenberg kein Unterricht durchgeführt
werden konnte, mussten täglich sechs Schüler aus dem Wittenberger
Kreis mit dem Zug nach Jessen fahren.
Nach Abschluss
der Unterklasse im März 1944 ging ich nach Bad Lauchstädt, um an der
dortigen Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt eine Ausbildung als Versuchstechniker
zu beginnen. Dieses Jahr brachte mir einige Abwechslung. Im Mai 44 wurde
ich mit vielen anderen Jugendlichen in ein Wehrertüchtigungslager der HJ
nach Sandersdorf bei Bitterfeld einberufen.
Hier wurden
wir 4 Wochen vormilitärisch ausgebildet. Eines Tages besuchten uns Angehörige
einer SS-Einheit. Mit Nachdruck wollten sie, dass wir uns freiwillig zur Waffen-SS
melden sollten. Bis zu diesem Zeitpunkt wollte ich mich freiwillig zur SS-Division
"Hitlerjugend" melden, dieses aber freiwillig und ohne Druck. Ich
meldete mich hier freiwillig, aber nicht zur SS, sondern aus Protest zur Panzergrenadierdivision
"Großdeutschland". Das war sicher gut, denn die Hitlerjungendivision
ist in Frankreich vollständig aufgerieben worden. Damals gab es sogar einen
Kriegsfreiwilligenausweis. Der diente aber nur dazu, dass man der nächsten
Werbekolonne beweisen konnte "ich habe schon unterschrieben",
er berechtigte aber die Jugendlichen noch nicht, jugendverbotene Filme zu sehen.
Das durfte man erst, wenn man an der Kinokasse den Einberufungsbefehl vorweisen
konnte.
Im Sommer 1944
wurden in und um Wittenberg Nebeltuppen stationiert. Beim Anflug von Bomberverbänden
wurde Wittenberg eingenebelt. Direkt an unserer Hausecke war auch ein Nebelsäurefass
stationiert. Diese waren 120-Liter Stahlfässer. Mittels einer Pressluftflasche
wurde die Nebelsäure versprüht. Bedient wurden diese Geräte von
lettischen Luftwaffenhelferinnen, die im "Jägerheim" untergebracht
waren. Etwa gleichzeitig wurden zwischen Trajuhn und der Flakkaserne zwei Batterien
mit je 6 10,5 cm-Flak-Geschützen und ein Funkmessgerät in Stellung
gebracht.
Im Mai 1944
fand der erste große Tagesluftangriff auf Leuna statt. Als nach fieberhafter
Arbeit Leuna wieder mit der Arbeit beginnen sollte, kamen am Vortage drei
Moskitos (Aufklärungsflugzeuge ) und am nächsten Tage wieder die Bomber.
Sie flogen in Pulks von fast immer 50 Maschinen. Bei strahlend blauem Himmel
wurden an vier bis fünf Tagen hintereinander diese Angriffe geflogen. Ich
glaube, es waren täglich über 500 viermotorige Bomber die Leuna angriffen.
Um Leuna war
sehr viel Flak konzentriert, überwiegend 8,8 cm. Wenn die Angriffe begannen,
war der Himmel blau. Nach einer Stunde war er grau von den Sprengwolken der
explodierten Granaten und den Kondensstreifen der Flugzeuge. Diese kamen in
Höhen zwischen neun- und zehntausend Metern, wo sie die 8,8 cm-Flak nicht
mehr erreichen konnte. Bei allen Angriffen konnte ich nur einmal sehen, dass
ein Bomber abgeschossen wurde. Eine Flakgranate explodierte direkt
hinter dem Flugzeug. Nur ein Mann der Besatzung konnte mit dem Fallschirm aussteigen.
Nach den ersten
Angriffen auf Leuna wurde Eisenbahnflak in die Umgegend verlegt. Auf dem Lauchstädter
Bahnhof wurde zuerst eine 10,5 cm-Batterie stationiert, aber bald gegen eine
12,8 cm-Batterie ausgewechselt. Ihre B1 (das Feuerleitzentrum) befand sich auf
unseren Versuchsfeldern. Bei Fliegeralarm war ich nicht im Keller, sondern immer
an der B1. Dadurch wusste ich immer, wie viel Maschinen in welcher Höhe
Ludwig-Dora 9 -dies war Leuna- anflogen
und wenn nach dem Angriff der Munitionsverbrauch gemeldet wurde, wie viele Granaten
nicht getroffen hatten.
Am 7.7.44 dem
Tag der "Luftschlacht über Mitteldeutschland" wollten wir zu
einer Besichtigung nach Quedlinburg. Auf dem Bahnhof von Aschersleben wurden
wir von einem Luftangriff überrascht. Die Bomber griffen das am Stadtrand
und zugleich an der Bahn gelegene Flugzeugwerk an. Bahn und Flugzeugwerk wurden
schwer getroffen. Wir hatten Glück. Solche großen Bombentrichter
hatte ich bis dahin nicht gesehen.
Am 29. Juni
wurde auch das Arado-Flugzeugwerk in Wittenberg angegriffen. Dabei gingen 4
Bomben etwa 80 m östlich an unserem Haus vorbei. Es war nichts passiert.
In Lauchstädt
erhielt ich Mitte September meine Einberufung zum RAD, zur Abteilung 2/353 -Otto
Planetta- nach Groß Gerungs in Österreich. Ich traf dort am 26.9.
ein. Es war eine österreichische Abteilung. Wir waren dort nur einige Mitteldeutsche.
Dafür aber eine Menge "Kameraden aus der Untersteiermark". Das
waren eingemeindete Kroaten oder Slowenen, welche die deutsche Sprache nicht
verstanden oder nicht verstehen wollten. Das hat uns bei der Ausbildung einigen
Ärger eingebracht.
Groß-Gerungs
liegt in Nieder-Österreich im Waldviertel.
Unser Barackenlager
lag terrassenförmig am Hang. Es war zwar schön gelegen, aber es gab
zwei Probleme. Erstens haben wir gehungert, und zweitens gab es in dem trockenen
Herbst in der Leitung kein Wasser. Für die Küche und die Vorgesetzten
wurde täglich mit Pferd und Wagen Wasser aus dem Dorf geholt. So ergab
es sich also, dass wir unsere Essbestecke und das Geschirr nur mit Lappen abwischten.
Daraufhin erfolgte ein Befehl, der bei dreckigem Essbesteck Strafdienst androhte.
Im Tal, in ca. 100 m Entfernung floss ein kleiner Bach. Hier sollten wir die
Reinigungsarbeiten erledigen. Die Sache hatte nur einen Haken, in diesen Bach
flossen die Abwässer des Lagers. Also wurde ein anderes Übel gewählt.
In jeder Baracke schliefen etwa 4o Mann und hinter jeder Baracke befand sich
für Luftschutzzwecke ein Wasserbehälter mit etwa 100 l Inhalt. Alle
40 Arbeitsmänner wuschen von nun an in diesem Behälter das Essgeschirr,
die Strümpfe, Taschentücher und Fußlappen. Es war nur noch
eine dickflüssige riechende Brühe.
Während
wir hungerten, ging es den Untersteirern besser. Wenn wir unsere tägliche
Brotration erhalten hatten, gingen diese an ihren Spind. Dort hatte jeder von
ihnen einen Blechmarmeladeneimer. Dieser war voller Fleisch, welches in Fett
eingegossen war. Sie schnitten sich eine Portion raus und wir guckten zu. Ich
fand einmal im Dorf eine Lebensmittelkarte. Wenn wir Preußen mit "Heil
Hitler" in den Laden kamen, kriegten wir auch auf Karten nichts zu kaufen,
die Österreicher sagten nur "Grüß Gott" und bekamen
auch ohne Karten Lebensmittel .
Nach 14 Tagen
Ausbildung wurden wir vereidigt und zum Stellungsbau an die ungarische Grenze
verlegt. Die russische Armee war nach Ungarn durchgebrochen und wir sollten
an der österreichisch-ungarischen Grenze Auffangstellungen bauen. Wir kamen
nach Zurndorf Kreis Bruck, einem Nachbarort des bei der Grenzöffnung bekannt
gewordenen Nickelsdorf. In dem dortigen Arbeitsdienstlager waren zwei Abteilungen
untergebracht und wir mussten etwa 2
Wochen in einer
Lagerbaracke auf Stroh schlafen. Dort hatten wir viel Ärger mit Wanzen.
In der ersten
Woche wurden wir zwischen Zurndorf und Gattendorf zum Bau von Schützengräben
eingesetzt. Während wir in einem Maisfeld schippen mussten, lag die Nachbarabteilung
5o m weiter in einem Weinberg. Der Wein war reif, aber wir durften uns keinen
holen.
Von unserer
Anhöhe konnten wir in einiger Entfernung Bratislava sehen. Wir sahen, wie
bei Bratislava amerikanische P38 (Lightning) im Tiefflug Straßenjagd machten.
Einmal wollten sie uns überfliegen. Da bekamen sie aber vom nebenanliegenden
Flugplatz einen solchen Feuerzauber von der 2 cm-Flak, dass sie uns nicht wieder
belästigten.
Nach einer Woche
kamen wir in einen anderen Abschnitt. Dort mussten wir einige tausend Fremdarbeiter
beim Bau eines Panzergrabens bewachen. Es waren Männer und Frauen aus 15
Nationen die der Aufruf zum "totalen Krieg" aus Haushalten, Theatern
und allen möglichen Arbeitsstellen zum Stellungsbau gebracht hatte. Die
schönsten, aber auch stolzesten Frauen waren die Russinnen aus dem Donezgebiet
und die Polinnen.
Nach einigen
Tagen kamen auch russische und italienische Kriegsgefangene dazu. Die Italiener
schippten zuerst wie die Kaputten doch nur so lange, bis das Loch so tief war,
dass sie sich bei Tieffliegerangriffen verkriechen konnten. Ihre Fronterfahrung
war auf dem neuesten Stand.
Das Wetter hatte
sich geändert und es regnete tagelang ununterbrochen. Trotz Stahlhelm und
umgehängter
Zeltbahn wurden wir nicht mehr trocken. Da konnten wir die Russen bewundern.
Etwa 50 m hinter uns zog sich ein schmaler Waldstreifen entlang. Trotz tagelangen
Regens verstanden es die Gefangenen ein Feuer zu unterhalten, an denen sie sich
abwechselnd etwas wärmen konnten. Zwei der russischen Gefangenen lagen
ständig auf dem Bauch und fachten mit Pusten die kleine Flamme an.
Etwa am 20.
November wurden wir in die Heimat entlassen, um etwa 8 Tage später zur
Wehrmacht eingezogen zu werden.
Als Kriegsfreiwilliger
war ich früher eingezogen worden. Bei meiner Rückkehr aus dem Arbeitsdienst
waren meine Schulkameraden alle noch zu Hause. Ich fuhr zunächst nach Bad
Lauchstädt und meldete mich beim dortigen Wehrmeldeamt nach Wittenberg
um. Als ich mich dann auf dem Wehrmeldeamt in Wittenberg anmelden wollte, traf
ich mit einem ehemaligen Lehrer der Elstervorstadtschule Hauptmann Dieckmann
zusammen. Als ich ihn fragte, wann ich denn nun zur Wehrmacht komme sagte er
mir, dass erst meine Papiere von Merseburg kommen müssten. Wie ich später
erfuhr, waren diese wahrscheinlich bei Luftangriffen auf Merseburg verloren
gegangen.
Meine Schulkameraden
waren nach Polen zum Arbeitsdienst eingezogen worden, von dort entlassen, schon
wieder zur Wehrmacht eingezogen worden, und ich war immer noch zu Hause. Die
Eltern eines ehemaligen Schulkameraden grüßten mich nicht mehr, weil
sie meinten, und das sagten sie mir wörtlich "dieses hast du nur mit
Speckpaketen erkauft".
Im Winter 44/45
zogen große, aus Polen und Oberschlesien kommende, Flüchtlingstrecks
durch Wittenberg. Dabei fiel mir auf, dass viele dieser Menschen trotz aller
Not und Strapazen das Parteiabzeichen auf ihren Mänteln trugen.
Nach dem Zusammenbruch
ging ein geflügeltes Wort um: "War ste in der Partei oder bist e aus
Schlesien?". Niemand wollte in der Partei gewesen sein.
Bei uns wurde
auch eine Familie aus dem Warthegau einquartiert. Eine Frau mit drei kleinen
Kindern. Sie waren Schwarzmeerdeutsche und die Frau sprach perfekt russisch.
Im März
hätte es uns bald erwischt. Es war Nacht und Fliegeralarm. Ich stand mit
meinem Bruder, - wir schliefen zusammen in der Giebelstube -, am Fenster und
warteten, was passieren würde. Wir hörten vom Westen kommend ein einzelnes
Flugzeug, plötzlich ein Rauschen, ein greller Blitz dem eine mächtige
Explosion, ein Krachen, Scheppern und Klirren folgte. In Thierigs Sandgrube
war eine Luftmine niedergegangen. Unser Glück war es, dass sie in halber
Höhe der Böschung explodiert war. Dadurch waren wir nicht der direkten
Druckwelle ausgesetzt. Der Schaden war aber groß genug. Die Sparren vom
Wohnhausdach waren
eingedrückt,
von den übrigen Dächern die Dachziegel kaputt oder zusammengerutscht,
die Tore, die Fensterscheiben und einige Türen kaputt. Darauf hin wurden
unsere Betten in die Keller verlagert. Die größten Schäden wurden
in kurzer Zeit notdürftig von der "Technischen Nothilfe" beseitigt
.
Etwa in dieser
Zeit erfolgten auch die Nachtangriffe auf Dessau und Potsdam. Beim Dessauer
Angriff hörten wir die Explosionen und sahen einen riesigen Feuerschein.
Potsdam wurde in einer klaren Nacht angegriffen. Der nördliche Horizont
war von Christbäumen und Leuchtbomben hell erleuchtet. Wir konnten über
100 gleichzeitig brennende Leuchtbomben zählen. So etwas hatte ich bis
dahin auch noch nicht gesehen. Selbst bei uns in Wittenberg konnte man denken,
es wäre eine helle Vollmondnacht.
Man sollte vielleicht
auch erwähnen, dass die Nachtangriffe nur von Engländern und die Tagesangriffe
nur von Amerikanern geflogen wurden. Abgesehen davon, dass durch die ständigen
Luftangriffe die deutsche Abwehr zermürbt werden sollte, hatte jeder der
englischen Bomber sein eigenes Radarsystem, welches ihm auch bei Nacht einen
Zielanflug ermöglichte.
Dagegen hatten
die amerikanischen Bomberverbände meist Führermaschinen, die bei einem
Sichtanflug für den Bombenabwurf verantwortlich waren. Beim Erreichen
der Angriffsposition schoss die Führermaschine eine Leuchtkugel ab,
und alle 50 Maschinen des Verbandes lösten die Bomben gleichzeitig aus.
Das ergab den sogenannten "Bombenteppich".
Aus der Ferne
sah man von der Leuchtkugel nur eine Rauchspur. Daher entstand auch der Begriff
"Rauchzeichen".
Zum Schutz der
Zivilbevölkerung wurden in Wittenberg an verschiedenen Stellen Luftschutzbunker
gebaut.
Ich erinnere
mich an die Bunker an der Luthereiche, in der Triftstraße, am Krankenhaus,
in der Falkstraße und in Kleinwittenberg.
Diese wurden nach dem Kriege gesprengt.
Weiterhin gab
es an verschiedenen Straßenkreuzungen ausgebaute Splitterschutzgräben.
Ein solcher befand sich auch an der Ecke Charlottenstraße/Im Felde.
Mit solchen
Ausweisen war die Zivilbevölkerung versehen worden, um bei Fliegerschäden
sofort unterstützt zu werden. Die Originale befinden sich im Familienarchiv.
1945 hatten
wir ein zeitiges Frühjahr. Als die Russen kamen, hatten wir schon die Frühjahrsbestellung
abgeschlossen.
Zu dieser Zeit
wurden in der Flakkaserne Fallschirmjäger ausgebildet. In Trajuhn konnte
ich einmal beobachten, dass aus Richtung Kleinwittenberg mehrere Ketten Ju 52
anflogen. Zwischen Trajuhn und der Kaserne sprangen aus den Flugzeugen Fallschirmjäger
ab. Im Nu hing der Himmel voller Fallschirmjäger. Auf dem Boden angekommen
packten die Soldaten ihre Schirme zusammen und liefen rüber zur Kaserne.
Damals war es
in Friedrichstadt noch üblich an den Pfingstfeiertagen frische Birken vor
die Haustür zu stellen. Um immer frisches Grün vor der Tür zu
haben, pflanzte ich in diesen Tagen vor unserer Haustür zwei Birken. Eine
hat sich prächtig entwickelt und ist im Sommer ein sehr guter Schattenspender.
Die andere hat ein am Gartenzaun angebundenes Russenpferd im Mai 45 abgefressen.
Anfang April
verstärkten die Amerikaner ihre Tieffliegerangriffe. Außer Angriffe
auf Lokomotiven im Labetzer Bahnbetriebswerk ist mir aus der näheren Umgebung
nichts über angerichtete Schäden bekannt. Da sich die Tieffliegerangriffe
häufig gegen Bahnanlagen und fahrende Züge richteten, hing zu dieser
Zeit an vielen Zügen ein Wagen mit einer 2-cm Zwillingsflak.
An einem dieser
Tage brachte mittags ein einzelnes Flugzeug in Elster einen Munitionszug zur
Explosion.