Vaters Betrieb von 1914 bis 1945

Neuem gegenüber war Vater stets aufgeschlossen.

 

Hatte man wieder mal Geld erwirtschaftet, so baute er am Haus wieder irgend etwas an, oder er kaufte Maschinen und Geräte.

Einige Worte zum Thema bauen: Ich kann mich erinnern, dass während meiner Kindheit um Wittenberg verschiedene Ziegeleien produzierten. Da waren zwei in Bülzig, Schade in Mühl­anger, Zipperling, Schade und Gödicke in der Dresdener Straße und zwei in Dobin. Diese sind alle eingegangen.

 

1923 wurde in unserem Haus elektrisches Licht gelegt und eine Dreschmaschine eingebaut. Mit dem Strom­verbrauch ging man aber sehr sparsam um. Ich kann mich noch erinnern, dass wir im Kuhstall eine 15 W-Birne installiert hatten. In der Wohnstube waren es 40 Watt. Trotzdem kaufte Vater schon 1923 eine elektrische Weihnachtsbaumbeleuchtung. Diese ist noch vor­handen, allerdings sind die 16 Glühbirnen nicht mehr im Original erhalten.

Während der Inflation 1923 war wie auch für alle Wittenberger Bauern und auch für uns der Maiblumenanbau vorteilhaft. Für die exportierten Treibkeime gab es harte Dollar.

Wie sich die Inflation in der Landwirtschaft auswirkte, weiß ich nicht.

 

Aus der Zeit zwischen den Kriegen.

Schon 1927 kaufte Vater für die Getreideernte einen Pferdemähbinder und im Jahre 1931 die Hohndorfer Wiesen. Da für solche Anschaffungen nicht immer genügend Bargeld zur Verfügung stand, wurden des öfteren Hypotheken aufgenommen. Die Zinssätze waren auch damals schon beachtlich, so heißt es in einem Hypothekenbrief von 1929 ".....Zweitausend Goldmark gleich dem Preise von 1/2790 kg Feingold Darlehn, mit 10 v.H. jährlich ab 1. Juni 1929 verzinslich.."

Da unsere ca. 12,5 ha Eigentumsflächen als nicht ausreichend erschienen, wurde über viele Jahre Acker zugepachtet. Verpächter war meist die Kirchengemeinde Wittenberg.

Es ist interessant Pachtverträge für das gleiche Feldstück zu vergleichen.

Am 1.10.1923 betrug der Pachtpreis je Morgen 52 Pfund Roggen, umzurechnen nach den Martinimarktpreisen des Pachtjahres in Mark.

Am 1.10 1925 betrug er 40.-Goldmark je Morgen und 1929 dreißig Reichsmark je Morgen. Die drei Verträge haben eine gemeinsame Anmerkung:

"Sonntagsarbeit, außer in Notfällen, ist nicht gestattet. Bei wiederholter Außerachtlassung dieser Bestimmung kann der Gemeindekirchenrat den Acker ohne weiteres entziehen. Der Vertrag erlischt außerdem wenn der Pächter aus der Landeskirche ausscheidet."

Diese alten Verträge befinden sich im Familienarchiv

Nach 1945 war es dann so, dass diese Flächen durch staatliche Stellen an die ehemaligen Be­wirtschafter zum Teil zwangsverpachtet werden mussten um ihre Bewirtschaftung zu ge­währ­leisten.

Als Eigentumsflächen bewirtschaftete Vater:

Acker                  - ca. 42 ar in der Specke (einen Teil erhielt Schwester Luise)

                            - ca. 4,25 ha in Karlsfeld

                            - ca. 76 ar in Trajuhn und

                            - ca. 3 ha auf dem Sieb.(einen Teil erhielt Bruder Fritz )

Wiesen                - ca. 1,70 ha in Hohndorf hinten

                            - ca. 1,40 ha im Totlager und

                            - ca. 1 ha im Durchstich

= insgesamt ca. 12.5 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche.

Der Acker in der Specke war humoser Sand von guter Qualität, verfügte aber nicht über genügend Bodenfeuchtigkeit.

Karlsfeld war nur für Roggen/Kartoffelanbau geeignet. Nur am hinteren Ende befanden sich etwa o,25 ha frischen Bodens auf dem wir auch  mittelfrühe Kartoffeln und Spätgemüse anbauen konnten.

Hier befindet sich auch eine der Quellen des Faulen Baches. Um die Quelle hatten wir ein paar Brunnenringe gesetzt und hatten dadurch im Sommer Tränkwasser für die Pferde. Da die LPG

das Gelände melioriert hat, ist davon nichts mehr zu sehen.

Lediglich Trajuhn war fast durchweg von guter Lehmbodenqualität. Hier konnten wir Futterrüben und Weizen anbauen. Das Feldstück war etwa 500m lang aber nur knapp 11m breit.

Auf dem Sieb (s. Tabelle 3) waren die Ackerflächen oberhalb des Weges nur ganz minderwertige Kiesböden. In den Trockenjahren 1946 und 47 ernteten wir hier nur etwa 3,20 dz/ha Roggen. Deshalb richteten wir hier unsere Kiesgrube ein.

Von West nach Ost gesehen waren es die Gruben von Otto Knape, Friedrich Präger, Otto Ganzert, Friedrich Mierisch, Firma Dierich, Alfred Pappert, Gustav Wildgrube, Firma Derksen und Hermann Heise.

Den Sieb durchzog der Weg  "Im Felde" der sich bis zur heutigen Tschaikowskistraße zog.

Während meiner Kindheit standen hier nur die Häuser der Familien 1-Präger, 2-Lorenz, 3-Friedrich Hentzsch und 4-Wilhelm Hentzsch. Umgangssprachlich wurden sie auch Sieb-Präger, Sieb-Lorenz

bzw. Sieb-Hentzsch bezeichnet. Ich erinnere mich, dass ich als Kind auch als "der Sieber" bezeichnet worden bin.

 

Unterhalb des Weges wurde die Parzelle 4 für Gemüse- Maiblumen- und Frühkartoffelanbau genutzt. Ohne Beregnung waren aber die Erträge nicht sicher.

Die Parzellen 8 und 10 hatten Roggen/Kartoffelboden, der von schmalen Wasseradern quer durchzogen war. Diese streifen wurden auch teilweise zum Spätgemüseanbau genutzt.

Das Herzstück war der Garten. Hier waren ein paar hundert qm so feucht, dass sie nur als Wiese genutzt werden konnten. Ca 1000 qm waren guter Gemüseboden auf denen wir unser Frühgemüse anbauten.  Hier hatten wir einen Brunnen. Aber trotz der Nässe konnten wir ihn mit dem Eimer ausschöpfen. Unterhalb, Richtung Annendorferstraße, waren die Bodenunterschiede sehr groß.

Auf dem oberen Teil, zwischen Weg und dem Gemüseland, hatten wir unsere Obstbäume. Es waren überwiegend alte, aber sehr gut schmeckende Sorten. Hauptabnehmer für Kuchenäpfel war Bäcker Hanke in der Collegienstraße. Da es unterschiedliche Reifegruppen waren, wurden die Äpfel im Keller bis zum Verkauf in Obsthorten eingelagert. Kirschen und Birnen hatten wir wenig.

Als der Garten für das Neubaugebiet plattgemacht wurde, bekamen wir für 25 Äpfelbäume, 8 Hauspflaumenbäume, 6 Birnenbäume, 9 Pfirsichbäume, 6 Sauerkirschen, 2 Süßkirschbäume, 3o Haselnusssträucher, 3 Walnussbäume, 9 Beerensträucher, 5 m Brombeerhecke und 36 qm Spargel 1325,-- Mark Entschädigung.

 

Die Hohndorfer Wiesen waren gut zu erreichen. Hatten wir bei der Heuernte Durst, holten wir bei "Gäbelts" Fliegerbier (Fassbrause). Wenn wir auf der Durchstichwiese waren, konnten wir unseren Durst im "Durchstich" bei Durchstich-Richter löschen. Beim Nachhausefahren konnte man auch im " Frosch" noch mal anhalten.

Auch die Probstei hatte ihre Gaststätte. Von Wetzigs ging eine Kahnfähre über die Elbe und die Wittenberger konnten bequem zum Kaffeetrinken zur "Probstei" übersetzen. Ebenso gut hatten es die Piesteritzer Bewohner, wenn sie einen Spaziergang zum "Durchstich" machen wollten.

Diese alten Gasstätten hat Heinrich Kühne in einem Kalender von 1996 näher beschrieben.

 

Viehwirtschaftlich war Vater nicht sonderlich engagiert. Gewöhnlich hatte er 3-4 Kühe, einige Schweine, ein paar Schafe und Geflügel.

 Das Fleisch der Hammel dienten dem Eigenverbrauch. Die Felle versuchten wir auch selber zu gerben, aber gewöhnlich war das Leder hart wie ein Brett.

Die Schweine wurden zum Teil von Josef Oslender, einem Kolonialwarenhändler mit Fleisch- und Wurstverkauf, in der Annendorferstr. geholt. Was darüber hinausging und die anfallenden Rinder verkauften wir an den Fleischer Nörenberg in der Adlerstraße(Jetzt Geschwister Schollstraße). Ein paar Schweine wurden natürlich auch für die Hausschlachtung gebraucht.

 Die Milch wurde im Betrieb vermarktet. Wir hatten Frischmilch-, Butter- und Käsekunden.

Als Stift musste ich oft zur Stadt, um Butter und Käse zu den Kunden zu bringen. Ich erinnere mich noch an die Speisewirtschaft Hildebrand in der Collegienstraße und an Dr. "Naturschmidt" in der Bachstraße.

Das zum Verpacken  der Butter benötigte Pergamentpapier holte ich von Herbert Janitzschke. Dies war ein Buchbinder, der seine Werkstatt in einem Seitenflügel der Gaststätte Zum Jägerheim hatte.

Die Butterstücke wurden in geschnitzten Holzformen geformt. Sollte die Butter bei irgend welchen Festlichkeiten verwendet werden, wurden Butterschäfchen geformt. Die Butterschäfchen bekommen dann noch als Augen zwei kleine Gewürzkörner eingedrückt, und in das Maul kam ein kleiner Stängel Petersilie.

Die Eier und das Geflügel wurden auch ab Hof verkauft. Wenn die Eier im Sommer billig waren oder sich schlecht verkaufen ließen, kamen sie in einen Steintopf und wurden mit Kalkwasser übergossen. So wurden sie konserviert und später wenn sich die Marktlage geändert hatte, im eigenen Haushalt verbraucht.

 

Ewas möchte ich noch zur Käseproduktion sagen. Die bei der Butterherstellung anfallende Magermilch wurde in Töpfen oder Schüsseln zum Eindicken aufgesetzt. War der Quark reif, wurde die Molke abgepresst und Salz und Kümmel in den Quark eingemischt. Dann wurde die Masse in den Händen zu flachen ovalen Klumpen geformt. Diese mussten dann getrocknet werden. Zu diesem Zweck befanden sich in der Wohnstube über dem Kachelofen vier eiserne Halterungen in der Zimmerdecke. Diese trugen ein Holzgitter welches mit sauberen glattem Stroh belegt war. Auf dieses wurden die frischen Käse zum Trocknen gelegt. Waren sie getrocknet, wurden sie in Malzkaffee ge­badet und zum Reifen in einen Tontopf eingeschichtet. Das Baden wurde mehrfach wieder­holt. Damit keine Fliegen an den Käse gelangen konnten, wurde der Topf mit einem Leinen­tuch gut verschlossen. Wenn der Käse so aussah wie der heutige Magerkäse, war er handels­fähig.

 

Ich kann mich erinnern, dass zu dieser Zeit noch Händler mit Karren durch Friedrichstadt zogen und Heidelbeeren und Pilze verkauften. Später als die Stadtrandsiedlung schon stand kam im Sommer Rohrmann mit seinem Speiseeiskarren. Wenn Zigeuner durchzogen rannten wir gleich nach Hause und machten die Tore und Türen zu.

 

 Da unsere Ländereien überwiegend nur aus leichten Kiesböden bestanden, - wir hatten nur in Trajuhn 3 Morgen Lehmboden - war die Futtersituation nicht gerade als ideal zu bezeichnen. Hauptsächlich wurden Roggen, Roggen-Hafer-Gemenge und Kartoffeln angebaut. Auf dem Trajuhnschen Lehmboden kamen im Wechsel je 1/3 Rüben, Weizen und Kartoffeln zum Anbau.

Da die Ernteerträge oft gering waren, kauften wir von Hübschers in Schönefeld des öfteren Hafer, Stroh und auch Saatkartoffeln. Das für das Vieh erforderliche Grünfutter musste immer von den Hohndorfer Elbwiesen geholt werden. Wenn auf den Elbwiesen das Hochwasser stand, sah es für die Kühe schlecht aus. Da gab's dann nur Heu. Das hatten wir zwar meist ausreichend, aber große Milchleistungen waren damit nicht zu erreichen.

Wir hatten in Hohndorf eine bekannte Rentnerfamilie-Kürschners- die das Gras meist schon zu den vereinbarten Terminen gemäht hatten und ich musste dann nach der Schule mit den Ponys nach Hohndorf fahren, um das Gras zu holen.

Ich glaube, es war 1926 als die Wiesen fast den ganzen Sommer vom Hochwasser der Elbe überschwemmt waren.

 

Vater erzählte, dass er gemeinsam mit anderen Kollegen von Bayern einen Waggon Heu gekauft hatte. Es war von sehr guter Qualität, aber die Kühe fraßen es trotzdem nicht. In dem Heu war ein

großer Anteil von Kräutern die stark dufteten. So etwas waren unsere Kühe nicht gewöhnt. 

Vaters Hobby war die Pferdezucht. Wir hatten schwarze Oldenburger und Ponys. Die Ponys waren braun-weiße Schecken, deshalb wurden wir auch oft Schecken- oder Sieb-Präger genannt. Ich weiß noch, dass wir einmal (mit den Fohlen), 7 Pferde hatten. Da musste noch ein Schweinestall für die Ponys umgebaut werden.

 

Neben der Feld- und Wiesenwirtschaft bauten wir auch Gemüse, Erdbeeren und Maiblumen an. Wenn es gute Erdbeerernten gab, wurden diese an die Marmeladenfabrik Bourtzschutzky in der Friedrichsraße verkauft.

 

Ich erinnere mich noch an zwei Beispiele die Vaters moderne Einstellung wiederspiegelten. Mitte der 30er Jahre kaufte er Mutter eine für die damalige Zeit sehr moderne Waschmaschine, eine "Turna-Krauss." Sie bestand aus einem verzinkten Kessel unter dem sich eine Kohlefeuerung befand. In dem Kessel befand sich eine elektrisch angetriebene kupferne Wäschetrommel, die sich quer und um die eigene Achse drehte. Über dem Behälter in dem die Wäsche gekocht wurde befand sich ein weiterer. In diesem befand sich das Spülwasser. Während des Kochvorganges wurde im oberen Behälter schon das Spülwasser vorgewärmt. War der Kochvorgang beendet, wurde das schmutzige Wasser abgelassen und das Spülwasser eingelassen. Dieses war eine tolle Erleichterung der Wascharbeit. Etwa zur gleichen Zeit wurde für die Küche eine elektrische Uhr gekauft. Diese lief bis zum Kriegsende zuverlässig.

Zu damaliger Zeit wurde ein Teil der Wäsche im Garten auf der Wiese gebleicht. Die Wäschestücke wurden bei sonnigem Wetter auf der Wiese ausgebreitet, und in Abständen mit der Gießkanne begossen.

Die Zentrifuge und das Butterfass wurden elektrisch angetrieben.

Wie ich schon erwähnte, wurden die Maiblumentreibkeime im Herbst verkauft. Zuvor mussten  sie gerodet und "geputzt" werden.

Wenn die Blüher aufbereitet waren, ging es an das Herrichten der Pflanzkeime. Die Wurzeln wurden auf eine einheitliche Länge geschnitten und in Kiepen oder Kisten gelegt. Nebenbei musste schon das Pflanzbett für dass Auslegen vorbereitet sein. Die Maiblume verlangt einen lockeren, humosen Boden mit der richtigen Feuchtigkeit und viel Stallmist vor der Bestellung. Damit der Boden optimal locker blieb, wurden die Maiblumenflächen meist gegraben und durften beim Auslegen der Keime nur auf Brettern betreten werden. Kam der Winter früh oder wir waren mit der Arbeit in Verzug, haben wir des öfteren beim Legen der Maiblumen in Schneeschauern jämmerlich gefroren. Wenn wir in einem derartigen Zeitdruck waren, haben wir oft bis nach 22 Uhr in der Maiblumenstube ( im Pferdestall ) gesessen. Über den Maiblumenanbau wird an anderer Stelle ausführlich berichtet.

 

 

 Neben der Feld- und Wiesenwirtschaft bauten wir auch Gemüse, Erdbeeren und Maiblumen an. Wenn es gute Erdbeerernten gab, wurden diese an die Marmeladenfabrik Bourtzschutzky in der Friedrichsraße verkauft.

Ich erinnere mich noch an zwei Beispiele die Vaters moderne Einstellung wiederspiegelten.

 Mitte der 30er Jahre kaufte er Mutter eine für die damalige Zeit sehr moderne Waschmaschine, eine "Turna-Krauss." Sie bestand aus einem verzinkten Kessel unter dem sich eine Kohlefeuerung befand. In dem Kessel befand sich eine elektrisch angetriebene kupferne Wäschetrommel, die sich quer und um die eigene Achse drehte. Über dem Behälter in dem die Wäsche gekocht wurde befand sich ein weiterer. In diesem befand sich das Spülwasser. Während des Kochvorganges wurde im oberen Behälter schon das Spülwasser vorgewärmt. War der Kochvorgang beendet, wurde das schmutzige Wasser abgelassen und das Spülwasser eingelassen. Dieses war eine tolle Erleichterung der Wascharbeit. Etwa zur gleichen Zeit wurde für die Küche eine elektrische Uhr gekauft. Diese lief bis zum Kriegsende zuverlässig.

Zu damaliger Zeit wurde ein Teil der Wäsche im Garten auf der Wiese gebleicht. Die Wäschestücke wurden bei sonnigem Wetter auf der Wiese ausgebreitet, und in Abständen mit der Gießkanne begossen.

Etwa 1937 kaufte Vater ein elektrisch angetriebenes Butterfass. Es stehe heute noch auf dem Boden.

Wie ich schon erwähnte, wurden die Maiblumentreibkeime im Herbst verkauft. Zuvor mussten sie aber erst einmal geerntet werden, das heißt sie wurden mit Gabeln aus dem Boden gehoben und dann durch schütteln von der anhaftenden Erde befreit. Wir hatten im Pferdestall einen kleinen Anbau wo sie dann geputzt wurden. Dabei wurden sie auch sortiert. Es gab Blüher in 3-4 Größen, Vorblüher, Blatt- und Brutkeime. Die Blüher wurden nach Größen sortiert und in Bunden zu 25 Stück gebündelt. Zum Einbinden durfte nur Kokosgarn verwendet werden. Bei der erforderlichen feuchten Lagerung der Keime war Kokosgarn das einzig verwendbare Bindegarn welches nicht stockte.

Wenn die Blüher aufbereitet waren, ging es an das Herrichten der Pflanzkeime. Die Wurzeln wurden auf eine einheitliche Länge geschnitten und in Kiepen oder Kisten gelegt. Nebenbei musste schon das Pflanzbett vorbereitet sein. Die Maiblume verlangt einen lockeren, humosen Boden mit der richtigen Feuchtigkeit und viel Stallmist vor der Bestellung. Damit der Boden optimal locker blieb, wurden die Maiblumenflächen meist gegraben und durften beim Auslegen der Keime nur auf Brettern betreten werden. Kam der Winter früh oder wir waren mit der Arbeit in Verzug, haben wir des öfteren beim Legen der Maiblumen in Schneeschauern jämmerlich gefroren. Wenn wir in einem derartigen Zeitdruck waren, haben wir oft bis nach 22 Uhr in der Maiblumenstube ( im Pferdestall ) gesessen.

 

Unsere Haupteinnahmequelle war der Gemüsebau. Im Sommer fuhren wir Mittwochs und Sonnabends zum Wittenberger Wochenmarkt. Der fand damals gewöhnlich auf dem Arsenalplatz statt. Für mich brachte Mutter dann immer eine Brezel von Bäcker Hanke mit. Einmal gab es sogar eine ganze Kiste Weintrauben. Ich weiß nicht, ob an diesem Tage die Weintrauben so billig oder das Geschäft so gut war?

Die Kleinwittenberger Fischer verkauften ihre Fischer hinter dem Rathaus. Jeder der Fischhändler hatte in dem durchfließenden Bach einen durch ein Eisengitter abgeteilten Käfig.

 

Wenn die Witterung schon ungemütlich war, nahm sich Mutter eine Kohlenkieke mit. Das war ein Blecheimer, gefüllt mit glühenden Kohlen, an dem sie sich dann die Füße wärmen konnte.

An den Füßen war Mutter sehr empfindlich, dagegen vertrug sie an den Händen sehr viel Kälte. Genau umgedreht war es bei Vater. Bei jedem kühlen Lüftchen brauchte er Handschuhe. Ganz anders war es mit den Füßen. Wenn es im Herbst schon schneite und noch die letzte Winterfurche gezogen werden musste lief er barfuss hinter dem Pflug her. Er war bekannt dafür, dass er im Winter nur barfuss in Holzpantoffeln oder Gummistiefeln lief.

 

 Eine alte Rechnung

Im März 1910 stirbt Großvater Augusts Frau, Großmutter Luise. Wir besitzen noch die Rechnung für ihre Beerdigung. Sie stammt von der Städtischen Leichenfrau Luise Hermann. Dieses ist ein  interessantes Schriftstück unserer Familiengeschichte.

 

Für Benutzung des Wagens                                                               3,50  Mark

Für Gestellung der Pferde vom Trauerhaus zum Friedhof                   4,50  M

Für Gestellung des Führers                                                                0,50  M

Für Gestellung eines Leichenwagenvorgängers                                   1,50  M

Für Gestellung  der 4 Träger und der 2 Wächter je 1,- M                  6,00  M

Für Gestellung der Leichenfrau                                                          2,25  M

Waschen der Leiche                                                                         1,50  M

Anziehen der Leiche und Ausputzen des Sarges                                 2,00  M

                                                                                                        ________

                                                                                 Insgesamt            22,-   M

Als Folge der ständig zunehmenden Industrie- und Wohnungsbauten, später auch durch den Bau von Kasernen, wurde die Landwirtschaftliche Nutzfläche der Stadt Wittenberg immer geringer.

Um die Wirtschaftlichkeit der Betriebe zu erhalten, kauften verschiedene Bauern in angrenzenden Gemeinden (z.B. Seegrehna) bzw. pachteten Flächen dazu.

 

Verpächter war meist die Kirchengemeinde Wittenberg.

Es ist interessant Pachtverträge für das gleiche Feldstück zu vergleichen.

Am 1.10.1923 betrug der Pachtpreis je Morgen 52 Pfund Roggen, umzurechnen nach den Martinimarktpreisen des Pachtjahres in Mark.

Am 1.10 1925 betrug er 40.-Goldmark je Morgen und 1929 dreißig Reichsmark je Morgen. Die drei Verträge haben eine gemeinsame Anmerkung:

"Sonntagsarbeit, außer in Notfällen, ist nicht gestattet. Bei wiederholter Außerachtlassung dieser Bestimmung kann der Gemeindekirchenrat den Acker ohne weiteres entziehen. Der Vertrag erlischt außerdem wenn der Pächter aus der Landeskirche ausscheidet."

Nach 1945 war es dann so, dass diese Flächen durch staatliche Stellen an die ehemaligen Be­wirtschafter zum Teil zwangsverpachtet werden mussten um ihre Bewirtschaftung zu ge­währ­leisten.

Bedingt durch die reichen Kiesvorkommen im Friedrichstädter Raum entwickelte sich in einigen Betrieben der Fuhrbetrieb zum Nebenerwerb.

Auf den Gemüseböden von Schlossvorstadt, Friedrichstadt und Elstervorstadt entwickelten sich leistungsstarke Gemüsebau-Familienbetriebe.

 

Zu den ständigen Arbeitskräften kamen im Sommer saisonbedingt Männer und Frauen zum Einsatz. Der Maiblumenanbau erforderte einen sehr hohen Arbeitsaufwand.

Während des Krieges kamen auch Kriegsgefangene und ausländische Zivilarbeiter zum Einsatz.

 

 Nach dem Kriege wurde oft in den Zeitungen beschrieben, wie die Landarbeiter ausgebeutet worden waren. Ich glaube der monatliche Auszahlungsbetrag lag für Männer bei 5o,-- Mark und bei Mädchen bei 25,-- Mark. Die Mädchen bekamen aber außerdem Weihnachten und bei besonderen Anlässen noch soviel Wäsche, dass sie in der Regel bei ihrer Verheiratung die Aussteuer zusammen hatten.

Zur Vogelwieswoche, die ging immer vom letzten Juliwochenende bis zum ersten Sonntag im August, traf sich die Landjugend des Kreises immer donnerstags auf dem Schützenplatz. Hierzu bekamen die Mädchen auch meist ein neues Kleid.

 

In den landwirtschaftlichen Haushalten wurde das Brot meist selbst gebacken. Der Backofen wurde mit Reisigbunden geheizt. Um einmal Brot zu backen, brauchten wir etwa 5 Reisigbunde. Ehe man die Brote einschieben konnte, musste der Ofen die richtige Hitze erreicht haben. Man sah es, wenn die Ofendecke weiß wurde.

War die richtige Temperatur erreicht, nahm man einen an eine Stange gebundenen Strohwisch, machte diesen gut nass und schob die noch auf der Herdfläche liegenden Asche- und Glutreste zur Seite. Dann wurden auf den Schiebern die Brote eingeschoben. Vorher wurden sie aber noch mit Wasser überpinselt und mit einem Messer wurden die Oberflächen eingeritzt. Oft wurde nach den Broten noch Kuchen gebacken. Dazu war der Ofen immer noch heiß genug.

Im Herbst wurden gelegentlich nachträglich noch Pflaumen, Birnen oder Apfelringe zum Dörren eingeschoben.

 

Je nach Erntemenge wurde fast in jedem Jahre 1-2x Pflaumenmus gekocht. Für eine Kesselfüllung wurden jeweils etwa 2 ½ Zentner Pflaumen benötigt. Diese wurden am Tage vorher entsteint und in einer großen Holzwanne mit dem Stampfeisen zerkleinert. Das Kochen war eine langwierige Arbeit. Um ein Anbrennen oder Ansetzen der Pflaumen zu verhindern, musste ständig mit der Muskelle der Kessel durchgerührt werden.

In den kalten Wintermonaten wurden dann auch je nach Größe 1-2 Schweine geschlachtet. Das Fleisch und die Wurst mussten dann wieder bis zum nächsten Winter reichen. Beim Fleischer wurde höchstens mal zu besonderen Anlässen Rindfleisch gekauft. Waren die Wurstbestände schon zu sehr geschrumpft, wurde im Herbst vor der Kartoffelernte schon mal ein kleineres "Wurstschwein" geschlachtet. Da heute nur noch einzelne Haushalte Schweine schlachten, will ich auf dieses Thema näher eingehen.

 

Die wesentlichsten Winterarbeiten waren das Ausdreschen des während der Ernte eingelagerten Getreides, Holz sägen und hacken und die Reparatur von Maschinen und Geräten. Da wir damals noch keine Strohpresse hatten, musste beim Dreschen noch alles Stroh mit der Hand eingebunden werden.

Von Waldbesitzern oder vom Förster wurden Bohnenstangen gekauft. Diese mussten ebenso wie die Tomatenpfähle geschält ( Rinde entfernen ) und angespitzt werden. Ebenso mussten im Winter die zum Brotbacken benötigten Reisigbunde beschafft werden. Da ging man zum Förster und ließ sich auf einer Kahlschlagfläche eine Zackenkabbel anweisen. Die Kiefernzweige wurden eingehackt und zu Bunden eingebunden. Diese mussten dann zu Hause noch zum Trocknen aufgestapelt werden.

Kaufte man schon fertige Bunde, so wurden diese nach Schock (60 Stück) gehandelt.

Die Frühbeetfenster und Pappdecken wurden repariert. Ebenso wurden neue Strohdecken geflochten.

Je nach Begabung beschäftigten sich die Bauern im Winter mit Sattler- und Stellmacherarbeiten, Körbe flechten, Holzpantoffeln herstellen, Besen binden und noch so einiges mehr.

 So manches habe ich da auch gelernt. Sogar Bürsten stellten wir zum Teil selbst her. Die letzte, von uns in den 30er Jahren hergestellte Bürste, ist heute noch als Glanzbürste für die schwarzen Schuhe im Einsatz. Als Bürstenmaterial verwendeten wir die den Pferden abgeschnittenen Schwanzhaare.

Die zum Flechten benötigten Weidenruten erntete man gewöhnlich von Weidenbäumen , die für diese Zwecke im Garten standen.  Es wurden aber nicht alle Ruten abgeschnitten, sondern ein paar besonders gut geformte blieben immer ein paar Jahre auf dem Baum, um dann als Harken- Gabel- oder Schippenstiele Verwendung zu finden. An solchen Geräten gibt es keinen besseren Stiel als einen gut gewachsenen Weidenstiel. Eine Weide ist leicht, elastisch und liegt sehr weich in der Hand.

Die Frauen beschäftigten sich mit dem Ausbessern der Wäsche, mit dem Flicken und Stopfen kaputter Säcke, mit dem Sortieren von Trockenbohnen, Mohn ausschneiden und ähnlichem. Dabei wurden oft alte Volkslieder gesungen.

Einen besonderen Höhepunkt der Winterarbeiten bildete das " Federn reißen ".

Während die heutigen jungen Leute nur leichte Synthetikbetten wollen, war es noch zu unserer Jugendzeit fast ein "muss", dass das Brautpaar bei der Verheiratung die Federbetten einschließlich Unterbetten beisammen hatte.

Da man damals oft noch in ungeheizten Dachkammern schlief und in kalten Wintern früh oft der Atem als Raureif an der Decke angefroren war, war ein dickes Federbett schon etwas Gutes. Auch aus diesem Grunde wurden früher Gänse und Enten gehalten, denn für die Betten wurden bei uns nur die Federn von Wassergeflügel verwendet.

Zum Federnreißen wurden soviel Frauen aus der Nachbarschaft und dem Bekanntenkreis eingeladen, wie in der Stube Platz hatten.

Nach dem Mittagessen ging es los. Zum Kaffee gab es Kuchen oder Pfannkuchen und abends noch ein kräftiges Abendbrot.

Mit Singen war hier nichts, denn jede unnötige Luftbewegung musste vermieden werden. Dafür wurden aber alle Ereignisse und Begebenheiten aus der näheren und weiteren Umgebung diskutiert. Die Federn wurden dabei zugleich sortiert in Bettfedern und Daunen. War die Arbeit dann beendet, machte meist eine Flasche Likör die Runde.

Ähnlich wie die Termine beim Kartoffeln lesen, waren die Federtermine in der Nachbarschaft abgestimmt und die Frauen gingen von einem Hof zum anderen.

Danach begann dann ein Großreinemachen, denn die Federfusseln hatten sich, obwohl alles weitgehend mit Decken und Tüchern abgedeckt war, in alle Ritzen verkrochen.

 

Unsere bäuerlichen Handelspartner waren die Spar- und Darlehenskasse, für Futtermittel Heinrich Benicke, für Getreide die Mühle Gebr. Düben, für Stroh und Kartoffeln Hermann Fräßdorf und Schach & Parche.

 

Ich weiß nicht mehr, ob wir bei Kriegsausbruch eine Auflage für die Ablieferung land­wirt­schaftlicher Produkte erhielten, aber ich erinnere mich noch, dass bei Kriegsausbruch alle Zentrifugentrommeln beim Ortsbauernführer abgeliefert werden mussten, dass das Verfüttern von Brotgetreide mit Zuchthaus bestraft wurde und dass wir am ersten Kriegstage Lebens­mittel­karten erhielten. Verschiedene Produkte, z.B. Zucker wurden mit einer Kriegssteuer be­legt und verteuerten sich dadurch.

Wenn wir schlachten wollten, mussten wir dieses anmelden. Dann kam ein amtlicher Wäger der das Schwein wog - für uns war Heinrich Bölke aus der Stadtrandsiedlung zuständig- und von der Kartenstelle wurden wir benachrichtigt, wie lange unsere Wurst reichen musste.

Wie es mit der Butterversorgung geregelt wurde weiß ich nicht mehr. Die Milch mussten wir zur Molkerei Fitzke in die Elsterstraße bringen.

Der Ferkelmarkt fand auf dem Tauentziehplatz, dem heutigen "Platz der Jugend" statt, ebenso die "Pferdemusterung."

Viele wehrfähige Männer wurden zur Wehrmacht eingezogen und es fehlte natürlich an Arbeitskräften. In der Landwirtschaft wurden diese Lücken mit Kriegsgefangenen und später mit Zivilpersonen, den sogenannten Ostarbeitern aufgefüllt. Staatlicherseits wurden diese Menschen als Menschen 2. und 3. Klasse angesehen.

Wer dabei erwischt wurde, dass diese Arbeiter bei den Mahlzeiten mit den Deutschen an einem Tisch aßen, musste mit Zuchthaus rechnen. Ich kenne im Kreis Wittenberg ein Beispiel wo ein polnischer Arbeiter öffentlich aufgehängt wurde, weil er zu einem deutschen Mädchen Beziehungen angeknüpft hatte.

Wir hatten auf unseren Hof auch ein 18jähriges russisches Mädchen aus der Gegend vor Moskau. Sie hieß Elena. Wir hatten zu ihr ein sehr gutes Verhältnis und als die Russen 45 in unser Haus kamen, fragte sie ein Offizier sofort, ob sie mit uns an einem Tisch gegessen habe. Da dies der Fall war und sie die gute Behandlung bestätigte, durften die 70 Soldaten die vom 26. 4. bis 4.5. in unserem Hause einquartiert waren, bei uns nicht plündern. Lediglich ein Schwein wurde geschlachtet.

 

Hatten wir manchmal beim Rumtreiben Hunger gekriegt, kauften wir uns bei Bäcker Faust für 5 Pfennig ein Brötchen und bei Fleischer Anger für 10 Pfennige Wurstzipfel und wir waren wieder satt.

Ich kann mich auch erinnern, dass damals im Sommer des Öfteren Leute mit Karren durch Fried­richstadt kamen und Heidelbeeren oder Pilze verkauften. Später kam dann auch Rohr­mann aus der Stadtrandsiedlung mit dem Speiseeiskarren.

Sahen wir durchziehende Zigeuner rannten wir gleich nach Hause und verrammelten das Tor und die Türen.

An den Winterabenden gab es bei uns noch die Dämmerstunde. Aus Sparsamkeitsgründen wurde das elektrische Licht erst eingeschaltet, wenn es richtig dunkel war. In der sogenannten Dämmerstunde saß ich dann oft auf der Hitsche und kokelte vorm Feuerungsloch des

Kachel­ofens. Großvater saß auf der Ofenbank und erzählte Geschichten. Meist handelten sie von 1870/71. In der Ofenröhre brutzelten dann meist die Bratäpfel.

Am Grabe wurde noch Salut geschossen und die Musik spielte sein Lieblingslied "Ich hatt` einen Kameraden."

 

Nach der täglichen Schule ging das Leben weiter wie bisher. Nach den Schularbeiten musste ich entweder Bodengänge erledigen, beim Markt machen helfen oder konnte mit anderen Kindern spielen. Während heute die Kinder vorm Fernseher sitzen oder sich mit elektronischem Spielzeug beschäftigen, verbrachten wir unsere Freizeit überwiegend in der Natur. Wir kannten so viele Spiele die man heute gar nicht mehr kennt. Z.B. Schlagball, Völkerball, Treibeball, Ball fangen, Kreiseln, Huppeln, Schandi und andere. Berger hat sie in seinem Buch "Damals in Dabrun" zum Teil ausführlich beschrieben, so dass ich dies alles nicht noch einmal wiederholen möchte. Abgesehen davon, dass wir nicht solche Wasser­mög­lich­keiten wie die Kinder in Dabrun hatten, beschreibt er seine Kindheit wie wir sie hier auch erlebt haben. An Beispielen beschreibt auch sehr schön die Wittenberger Mundart.

Ich kann mich auch erinnern, dass ich als Stepke mit dem Fahrrad nach Hohndorf musste, um von Trabitzes Berg Beifuss für den Entenbraten zu holen. Damals war Beifuss noch eine Rarität, heute ist es ein Unkraut vor dem man sich nicht retten kann.

 

Als 1935 das Sprengstoffwerk in die Luft flog, konnten wir den Rauchpilz von hier sehr gut sehen. Aus Angst vor weiteren schwereren Explosionen flüchteten viele Wittenberger Ein­wohner auf die umliegenden Felder.

Mitte der 30er Jahre wurden die Stadtrandsiedlung, die Lerchenbergsiedlung, die Teuchler Pionierkaserne, die Flakkaserne, das Arado - Flugzeugwerk und noch so vieles anderes gebaut.

Vor dem Bau der Flakkaserne wurden an der jetzigen Nordendstraße gegenüber der Gasstation, Baracken errichtet und eine Batterie mit vier 8,8cm Flak-Geschützen stationiert. Die Fundamente dieses Lagers sind heute noch erkennbar.

Die Friedrichstädter Straßen, die bis dahin nur einfache Feldwege waren, wurden in den 30er Jahren geschottert. Dabei wurde in der Charlottenstraße zwischen Königsplatz und der Annen­dorfer Str. eine Steigung ausgeglichen. Man erkennt es heute noch an den höher lie­genden Haustüren.

Dadurch war nicht mehr ausreichend Deckung auf den Wasserleitungen und Mitte der 40er Jahre froren bei einem kalten schneelosen Winter die Wasserleitungen ein.

 

Wir hatten in Wittenberg zwei Badeanstalten. Einmal das Strombad Zander an der Vogel­wiese und das Stadtbad am Großen Anger.

Damals war die Elbe noch sauber und wir waren oft in der Badeanstalt. Es gehörte dazu ans andere Ufer zu schwimmen, oder wenn ein Schleppdampfer kam, zum Beiboot des hinteren Kahnes zu schwimmen, reinzuklettern und sich ein Stück mit nach oben ziehen zu lassen.

Aus vorliegenden alten Rechnungen kann man erkennen, dass damals eine fachärztliche Unter­suchung 5.- M und eine Röntgenaufnahme der Hüftgelenke 20.- M kostete.

Für Aufenthalt im Paul Gerhard Stift vom 29.1. bis 16.3.1934 wurden 257,05 Mark be­rechnet. Für drei Arztbesuche 9,- Mark.

 

Mit Andauern des Krieges kam dann auch die Zeit der Fliegeralarme. Auf der Elbbrücke und auf den Dächern verschiedener Industriebetriebe waren 2cm-Flakgeschütze aufgebaut. Einmal schossen sie nachts wie verrückt. Der Himmel war voller Leuchtspurgeschosse.

In der Nacht vom 1. zum 2. September 1940 wurde ein englischer Bomber beim Rückflug von Berlin abgeschossen. Er stürzte in Mühlanger, direkt neben den Bahnschienen ab.

Wenn in der Nacht Fliegeralarm war, brauchten wir am nächsten Tag erst um 10 Uhr in die Schule. Da fielen viele Unterrichtsstunden aus.

 

Etwa 41/42 wurde über Wittenberg und weiter westlich eine Ballonsperre errichtet. Diese konnten aber keine Erfolge verbuchen. Über die Dauer des Vorhandenseins der Sperrballons wird viel gestritten.

Der Winter 1941/42 war sehr kalt. Bevor die Elbe zufror, hatten wir Hochwasser. Auf den Elbwiesen hatten sich riesige Eisflächen bildete. Als mit der Schneeschmelze das Eis auf­brach, bestand im Raum Bösewig die Gefahr, dass eine riesige Eisscholle den Elbdamm wegschiebt.

He 111-Bomber beseitigten die Gefahr, indem sie die Eisfläche bombardierten.

 

Im Sommer 1944 wurden in und um Wittenberg Nebeltuppen stationiert. Beim Anflug von Bomberverbänden wurde Wittenberg eingenebelt.

Etwa gleichzeitig wurden zwischen Trajuhn und der Flakkaserne zwei Batterien mit je 6

10,5 cm-Flak-Geschützen und ein Funkmessgerät in Stellung gebracht.

Am 29. Juni 1944 wurde auch das Arado-Flugzeugwerk in Wittenberg angegriffen.

 

Im Winter 44/45 zogen große, aus Polen und Oberschlesien kommende, Flücht­lings­trecks durch Wittenberg. Dabei fiel mir auf, dass viele dieser Menschen trotz aller Not und Strapazen das Parteiabzeichen auf ihren Mänteln trugen.

Nach dem Zusammenbruch ging ein geflügeltes Wort um: "Warste in der Partei oder biste aus Schlesien?". Niemand wollte in der Partei gewesen sein.

Auch bei den Wittenberger Bauern wurden viele dieser Flüchtlingsfamilien einquartiert.

 

1945 hatten wir ein zeitiges Frühjahr. Als die Russen kamen, hatten wir schon die Früh­jahrs­bestellung abgeschlossen.

Zu dieser Zeit wurden in der Flakkaserne Fallschirmjäger ausgebildet. In Trahjuhn konnte ich einmal beobachten, dass aus Richtung Kleinwittenberg mehrere Ketten Ju 52 anflogen. Zwischen Trajuhn und der Kaserne sprangen aus den Flugzeugen Fallschirmjäger ab. Im Nu hing der Himmel voller Fallschirmjäger. Auf dem Boden angekommen packten die Soldaten ihre Schirme zusammen und liefen rüber zur Kaserne.

 



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