Die Entwicklung Friedrichstadts

Der erste, historische Teil wurde mit Hilfe der von dem alten Friedrichstädter Herrn Rolf Kai ermittelten Gegebenheiten erstellt.
Meine Tochter Karin unterstützte mich wesentlich beim Zusammentragen von Daten.
Viele Angaben über Geschäfte und Bewohner erhielten wir auch von Frau Erna Engelmann, geb. 1907, die als Kind des Bäckers Geißler aus der Annendorfer Straße, lange Jahre in Friedrichstadt Brötchen austragen ich und daher viele Familien gut kannte.
–Selbst an ihrem Hochzeitstage ich sie früh erst noch die Brötchen zur Kundschaft bringen.

Historisches
Friedrichstadt, ein Ortsteil von Wittenberg, hat eine eigentlich noch junge Geschichte. In vielen älteren Karten ist dieser Ortsteil als separater Ort eingezeichnet. Er war aber nie selbständig. Sogar in dem großen Deutschen Ortsbuch von 1927 ist Friedrichstadt enthalten.
Das Stadtbild wurde in all den Jahrhunderten von Kriegen und Verwüstungen geprägt. Auch die Wittenberger Vorstädte Elster- und Schlossvorstadt waren von diesen Ereignissen betrof­fen. In den Jahren 1806 bis 1814 wurde die Stadt Wittenberg wiederholt und wechselweise preußische und französische Festung. Als Napoleon 1813 geschlagen aus Rußland zurückkam und Wittenberg besetzte, wurde die Stadt von den preußischen Truppen belagert. Um eine freie Fläche zum Beschuß der Festung zu haben, brannte die preußische Armee die Siedlung Schlossvorstadt , heute Platz der Jugend, nieder. Am 21. Juli 1816 bewilligte der König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) dafür eine Entschädigung an die Wittenberger Einwohner. Entsprechend §10 des Allgemeinen Land-Rechts hatte der König am 31. Juli 1816 den Kauf der Mark Bruderannendorf für notwendig anerkannt und genehmigt. Auf diesem Grund und Boden entstand später die heutige Friedrichstadt.

Im Zuge der Planung neuer Ortsteile von Wittenberg gab am 30. August 1816 die Regierung zu Merseburg den Auftrag zum Bau der Berliner Chaussee von Kropstädt bis Wittenberg. Am 16. und 17. Dezember 1816 erfolgte der Geländeaustausch mit der Kircheninspektion Witten­berg, den Trajuhner Hüfnern Gottfried Müller, Gottfried Pannier, Georg Kase, Gottfried Kase, später noch mit Andreas Wolter bzw. dessen Erben und einigen Wittenberger Grundbesitzern.
So begann nach Plänen vom Feldmesser F.G. Dankwardt die Anlegung der Orte Klein­wittenberg, parallel zur Elbe, und Friedrichstadt, parallel zur Straße nach Trajuhn.
Die Bewohner der ehemaligen Amtsvorstadt, darunter zahlreiche Fischer, bildeten den neuen Ort Kleinwittenberg.
Man kann annehmen, dass mit der Einweihung der wiederhergestellten Schlosskirche und der Gründung des Predigerseminars im Jahre 1817 auch die Friedrichstadt eingeweiht wurde. Zeug­nis dafür waren die vier Ecksteine am Königsplatz (heute Platz der Demokratie). An der nordöstlichen Ecke befand sicher früher eine Pumpe. (Bedeutung, Aussehen und Standort der Pumpe überprüfen.) Beide Ortsteile, Kleinwittenberg und Friedrichstadt, haben je einen Platz mit zwei dazu parallel verlaufenden Straßen. Während Kleinwittenbergs Hauptstraße den Namen Wilhelm­straße (nach dem Sohn Wilhelm des Königs Friedrich Wilhelm III.) erhielt, gab es in der alten Fried­richstadt nur die Friedrichstraße (heute die Schulstraße) und die Charlottenstraße. Die Häuser um den damaligen Königslatz wurden zur Charlottenstraße gezählt.
Zu Beginn der Separation gab es in Friedrichstadt "74 nicht brauberechtigte Häuser". Diese waren mit den Nummern des Brandkatasters fortlaufend nummeriert. Die Nummernfolge begann am unteren Ende der Friedrichsraße und endete in der Charlottenstraße.

Straßen und Plätze
Die Nummern des späteren Königsplatzes waren in die der Charlottensraße eingegliedert. Die Friedrichstädter Schule hatte die Nummer 53. Heute befindet sich in diesem Hause die Zweigstelle der Stadtsparkasse.

Die Entstehung der Straßennamen:
Friedrichstraße (nach dem Sohn Friedrich Wilhelm des Königs Friedrich Wilhelm III.),
Karlstraße (Karl war das vierte Kind von Friedrich-Wilhelm III.),
Charlottenstraße (Charlotte war das dritte Kind von Friedrich-Wilhelm III. und spätere Gemahlin von Zar Nikolaus I.).
Die von F.G. Dankwardt aufgezeichnete Friedrichstadt besaß den zentral angeordneten Königs­platz. Daran grenzten die Charlottenstraße und die Friedrichstraße an. Quer­ver­lau­fend zu diesen befanden sich die heutige Sandstraße und die Annendorferstraße.
Die späteren Kleine und die Große Friedrichstraße waren Zufahrtsstraßen von Wittenberg nach Friedrichstadt. Diese und auch die anderen angrenzenden Straßen entstanden in dieser Form wahrscheinlich erst mit der Separation in der Zeit zwischen 1850 und 1870. Auf diese Situation gehe ich später noch ein.
Mit der Erweiterung, vor allem nach dem Osten, und dem Bau der Eisenbahn, kamen die Glöcknerstraße und die Karlstraße hinzu. Der Bahndamm der ersten Eisenbahnverbindung von Berlin nach Köthen über Wittenberg, verlief nördlich der Kreuzstraße (früher Kreuz­gasse).
Nach 1935 entstanden auf freien Flurstücken die Hermannstraße, die Marienstraße und die Margarethenstraße. Die Haberlandstraße verbindet die Karlstraße mit der Glöcknerstraße. Hier etwa verlief 1841 die Berlin-Anhaltische Bahnlinie.
Die Straße Im Felde begann am Königsplatz zwischen den Grundstücken Nr. 11 und 12.
Der Begriff Sieb entstand sicher aus dem siebfeinen Sand, der sich vom Euperschen Weg über den Lerchenberg bis zum fast schneeweißen Fuchsberg hinzog. Es war trockenes Land, kein ertragreicher Boden und der ideale Platz für die Feld- und Haubenlerchen, die als Bodenbrüter hier ihre Existenzmöglichkeiten hatten
Die Straßen der Friedrichstadt waren breite Feldwege. Die Charlotten- und Schulstraße hatten Regenrinnen, die lediglich aus Feldsteinen gepflastert waren. Bei starken Regenfällen sammelte sich das Wasser vorwiegend in der späteren Kleinen Friedrichstraße und floss dort in einen Straßengraben.
Die Befestigung der Schulstraße erfolgte erst Mitte der dreißiger Jahre.
Die Annendorferstraße war mit einem groben Pflaster versehen. Es waren die Steine der Collegiengasse, die nach dem Ausbau der Wittenberger Hauptstraßen hier eingesetzt wurden.
1934 wurden die meisten Straßen vom Reichsarbeiterdienst mit Schottereinlagen und Kies­aufschüttungen befestigt. Dabei wurde das ausgehobene und durch Einebnung übrige Erdreich auf den Königsplatz aufgeschüttet. Die einst schiefe Ebene des Königsplatzes wurde in eine waagerechte Fläche verwandelt. Dabei entstand an der Südflanke eine Böschung, welche mit Rasen belegt wurde. Den inneren Rand des Königsplatzes bepflanzte man 1937 mit Linden. An der Südseite führten Stufen zum Platz und die anderen drei Seiten hatten einen breiten Zugang.
Während des II. Weltkrieges bauten indische Kriegsgefangene innerhalb der Linden­umran­dung des Königsplatzes einen Löschwasserteich. 1940/41 fanden auf dem Platz Vorführungen zur Bekämpfung englischer Stabbrandbomben statt. Nach dem Kriegsende wurde das Wasserbecken zugeschüttet.
Am Ende der fünfziger Jahre setzte die Bürgermeisterin Teichmann gegen viele Proteste der Bevölkerung, den Bau eines Schwimmbades aus diesem Löschwasserteich durch. 1992 erfolgte nach erneuten, kontroversen Diskussionen eine Umgestaltung des Schwimmbades in eine Grünanlage mit Sitzbänken und Wasserspielen.

Die erste Schule wurde am 30.11.1820 fertiggestellt. Es war ein massives Gebäude an der Ecke Königsplatz / Charlottenstraße, mit der Hauptfront gegen die Charlottenstr., eine Etage hoch, für 100 bis 120 Schulkinder und kostete 2510 Taler. Sie war bis 01.04.1903 in Betrieb und wurde später das Armenhaus und in letzter Zeit eine Zweigstelle der Wittenberger Stadt- Sparkasse.

Die Schulen in Friedrichstadt
1855 hatte die Friedrichstadtschule etwa 170 Kinder und es wurde eine zweite Lehrstelle ein­gerichtet. 1861 baute man den Seitenflügel in der Charlottenstraße an. 1872 wurden in diesen Gebäuden vier Schülerklassen von drei Lehrern unterrichtet. Aus Platzgründen er­rich­tete man im selben Jahr die Elstervorstadtschule in der Kleinen Friedrichstraße mit 90 Kinderplätzen. Hier fanden die ersten Gottesdienste für die Bewohner der Friedrichstadt und des Linden­feldes statt. Die (alte) Elstervorstadtschule ich schließlich 1888 aufgestockt werden. Zu­letzt unterrichteten an ihr vier Lehrer fünf Schülerklassen, an der Fried­rich­stadtschule zwei Lehrer drei Schülerklassen. Beide Schulen waren überfüllt. Ostern 1903 wurde die neue Elstervorstadtschule, als zweistöckiges Objekt zwischen Glöckner-, Haberland-, Karl - und Annendorferstr. eingeweiht und die anderen Schulen geschlossen. Der erste Rektor war Herr Müller, die Lehrer die Herren Brand, Fischer, Hensel, Henschel, Hinne­burg, Kitzig, Krietzsch, Rietdorf, Süsenop, Weber und Würzberg und die Damen Frl. Heidemüller und Meyer.
Mit dem Beginn des Baues der Stadtrandsiedlung in den 30er Jahren und der geplanten Lerchenbergsiedlung (ebenso auch der Gagfah - Siedlung, sowie der Kasernen in Teuchel und der Flakkaserne )wurde die Elstervorstadtschule 1935 ohne Einstellung des Schuldienstes um einen Stock erhöht und überragte bezüglich der Schülerzahl weit alle anderen Wittenberger Schulen. Auch die "Alte Schule" in der Kleinen Friedrichstraße wurde nochmals in Betrieb genommen.

Die Friedrichstädter Kirche
Allgemeines
Nach Fertigstellung der alten Schule 1872 benutzte auch die Kirche diesen Bau in der Kleinen Friedrichstraße zu Gottesdiensten. Für Friedrichstadt lagen Pläne für eine Kirche in der Kleinen Friedrichstraße, zwischen Karl- und Kreuzstraße vor, die aber die Inflation zunichte machte.
Erster Pfarrer für Friedrichstadt, es wurde und blieb der Bezirk III, war bis 1915 Pfarrer Haupt. Danach bis 1922 hatte das Amt Pfarrer Knolle. Er erwarb 1922 das Gast- und Ballhaus in der Schulstraße 27 vom Bankier Hermann Gröting, der es kurz vorher von dem Architekten Richard Porsche erworben hatte. Der Saal wurde Gemeinderaum und die unteren Räume Kindergarten, einst "Spielschule" genannt. Deren erste Leiterin war Paula Passarge, Diakonieschwester. Sie wurde 1929 von Elisabeth Jänicke (später verh. Seidel) abgelöst.
Pfarrer Knolle wurde in Hamburg Bischof an der St. Petri.
Von 1922 - 1924 trat Pfarrer Geipel das Amt an.
1924 - 1932 übernahm dann Pfarrer Pape die Stelle. In dieser Zeit bestand schon der Frauen­chor, den damals der Kandidat Orphal leitete. Pape ging dann als Superindentent nach Weißen­fels.
Von 1933 - 1954 war Pfarrer Michels für den Pfarrbezirk III verantwortlich. Ihm ist zu ver­danken, dass auf dem Dach des Gemeindehauses ein Glockenturm gebaut wurde. Er war von quadratischer Grundfläche, an allen vier Seiten mit Schallöchern versehen und besaß ein aufgesetztes Pyramidendach.

Zwei Glocken wurden 1935 aus Niederschindmaas bei Glauchau erworben. Durch den Bau eines Muldestausees wurden die Glocken freigesetzt. Die kleine Glocke, aus dem 15. Jh., war aus Bronze, 69 cm hoch, hatte ein Durchmesser von 73 cm und eine Krone mit 6 Bügel. Auf dem Mantel befand sich ein Pilgerzeichen in Kielbogenrahmung mit seitlichen Fialen.
Die große Glocke von 1624, ebenfalls aus Bronze, war 76 cm hoch, hatte einen Durchmesser von 84 cm und eine Krone mit 6 Bügeln. Unter der Haube befand sich folgende zweizeilige Inschrift in Kapitale ( Großbuchstaben in lat. Schrift ) :
DVRCH!DAS FEVER PIN ICH GEFLOSSEN LORENTZ HENDEL VND STEFAN BVCHAIM DIE PEIDE MEISTER ZV../:ZWICKAV GOSSEN MICH ANO 1 624.M TOBIAS GEBHARDT PASTOR MOSELLAMVS"
Darunter ein Blattfries auf dem Mantel in Kapitale:
"N’S’V’CONRAD’HEINRICH’VON’DER’MOSSEL’DER’KIRCHEN’COLLATOR!ZU SCHINDAS’FAVDM"
Bei Mosllanus wird es sich um den Ort Mosel bei Zwickau handeln.
Da Pfarrer Michels nach Zerbst ging, war die Pfarrstelle von 1954 bis 1956 nicht besetzt.
Von 1956 - 1977 trat Dr. Rudolf Hingst die Stelle an. Er starb mit 60 Jahren. In seiner Zeit wur­de der Gemeindesaal völlig umgestaltet. Die Sitzbänke wurden tiefer gelegt. Kanzel, Altar und Taufbecken wurden aus Holz gefertigt. Das Vorderteil der Kanzel erhielt geschnitzte Symbole von Korn und Steinen. Das Kreuz wurde vom Schmiedemeister Naumann her­ge­stellt. An den Enden des Kreuzes befanden sich farbige holzgeschnitzte Figuren - Löwe von Judäas, Fisch (das alte Zeichen der Christen), Pelikan, der sein Junges mit dem eigenen Blut nährt und Schaf als Lamm Gottes.
Im Oktober 1978 übernahm Pfarrer Manfred Langer das Seelsorgsamt in Friedrichstadt. Zu dieser Zeit war die Bebauung zwischen Stern- und Kleine Friedrichstraße bereits beendet und es begann die Bebauung von der Annendorferstraße bis zur Lerchenbergsiedlung.
Die Stadt Wittenberg beauflagte die Kirchengemeinde, das Gemeindehaus den umliegenden Neu­bauten anzupassen, d.h. es war zu klein, also einen Stock draufsetzen. Die gemachten Grunduntersuchungen brachten dafür keine genügende Sicherheit. Es wurde ein völliger Neubau für ein Gemeindezentrum geplant, das alte Haus abgerissen und mit Hilfe west­deutscher Partnergemeinden das neue Haus errichtet.
Der Abriss des alten Hauses begann im Januar 1981. Zwischenzeitlich wurde der Gottesdienst im Haus des Herrn Erich Naumann in der Annendorferstraße durchgeführt. Auch der Kinder­garten wurde dorthin verlegt und später im Neubaugebiet eingerichtet. Bei der Grund­stein­legung 1981 wurde der vom Bildhauer Machatzke in der Lutherstraße gehauene Stein mit der Inschrift MCMVI eingemauert.

Das Gemeindeleben
Mit dem Erwerb des Hauses 1922 begann auch gleich ein reges Gemeindeleben in der Friedrichstadt. Der Kirchenchor wurde nach dem Kandidaten Orphal von den Damen Otto, Dahms, Bertram und Seidel ( Kindergärtnerin geb. Jänicke ) geleitet. Es gab Bibelstunden und Mütterkreise.
Dazu waren eingetragene Vereine die Evangelische Frauenhilfe zuerst unter der Leitung von Frau Geißler (Bäckerei Annendorferstr.) dann Frau Naumann (Schmiede) und die evan­ge­li­schen Jugendvereine BDJ (Bund Deutscher Jugend).
Der evangelische Jugendverein gehörte zu dem größten 1909 in Halle für die Provinz Sachsen gegründeten Verband im damaligen Deutschland, 1896 in Hamburg ins Leben gerufen und ab 1909 als BDJ im ganzen deutschen Gebiet als eingetragener Verein.
In Friedrichstadt war es für die Jungen die Gruppe "Sturmvogel" und für die Mädchen die Gruppe "Katharina von Bora".

Die Jugendbünde wurden 1934 verboten, die Frauenhilfe nach 1945. Durchgeführt wurden Ausflüge der Frauenhilfe und des Kirchenchores. Die Jugendverbände waren sehr aktiv in Veranstaltungen, Wanderungen und Tagungen im gesamten Raum des damaligen Reiches.
Bei diesen großen Treffen fanden regelmäßig Sportwettkämpfe statt. Der letzte Leiter des Jugendverbandes bis zum Verbot 1934 war Fritz Löwe. Die Gruppe Sturmvogel in Friedrichstadt leitete Martin Sponagel.
1935 nahm der Diakon Willy Reschke in Friedrichstadt wieder die Jugendarbeit im Rahmen der Kirche auf. Es konnte sich aber nur auf Zusammenkünfte im Gemeindehaus beschränken.
Es muß noch erwähnt werden, dass sich die ehemaligen Angehörigen der evangelischen Jugendverbände nach 1950 wieder zusammenfanden. Initiatoren waren Friedrich Wisch, Schmiedemeister Naumann aus der Annendorferstraße und Kurt Fischer aus der Hermann­straße. Man konnte sich aber eben nur in Gemeindehäusern oder Kirchen bzw. bei Freunden treffen. Diese Treffen sind bis heute, 1990, erhalten und es gibt immer noch bis zu 40 Teil­nehmer.
1954 begann Rolf Kai mit der Jugendarbeit in Friedrichstadt. Er war selbst seit 1932 Mitglied des BDJ und leitete diese Gruppe als Jungmännerkreis. Allerdings waren aber auch Mädchen dabei. Erst 1980, nach 26 Jahren gab Rolf Kai diese Arbeit in andere Hände.
Dabei muß noch vermerkt werden, dass die jungen Männer dieses Kreises mit R. Kai das Haus von Naumann vor dem Einzug des Kindergartens und der Gemeinde von unten bis oben völlig renovierten. Das alles nach Feierabend bis in die Nacht hinein und kostenlos. Das war 1980.
Auch als Friedrichstadt noch keine eigene Kirchengemeinde hatte, waren Friedrichstädter im Gemeinderat der Stadtkirchengemeinde, also " Kirchenälteste " vertreten.
Friedrichstadt hatte jetzt eine eigene Gemeindevertretung, aber auch in der Stadtkirche noch ihre "Ältesten".
Zur Stadtkirchengemeinde in Wittenberg gehören neben Friedrichstadt "St. Martin" die Pau­lus­gemeinde in der Dresdenerstraße, die Peterskirche in Trajuhn und die Kirche in Mühl­anger.

Quellgebiet und Brunnen am Königsplatz
Zwischen den Häusern Königsplatz 2 und 3, Teil des ehemaligen Weges nach Euper, jetzt die "Lücke", geht es zum Quellgebiet des Alten Jungfernwassers. In früheren Zeiten wurde von den jungen Mädchen zu Ostern um Mitternacht das Jungfernwasser geholt. Dabei durfte nicht gesprochen werden, aber auch keine Schreckrufe sollten den Mädchen entschlüpfen wenn sie von den Burschen in der Dunkelheit aufgescheucht wurden.
Beim Bau des Ball - und Gasthauses in der Schulstraße, dem späteren Gemeindehaus, hatte man die Quelle, die reichlich Wasser zu Röhrfahrt einspeiste, nicht stark genug einkalkuliert. Das Wasser wurde in Holzkästen unter der Schulstraße zum alten Jungfernwasser geführt, später kam es in Eisenrohre. Jedenfalls drückte immer wieder reichlich Wasser in den Keller, bis man sich entschloss, die Quelle im Keller höher einzumauern und den Kellerboden höher aufzuschütten. Man konnte nur gebückt durch den Keller gehen.
1983 wurden Holzkästen und Eisenrohr beim Straßenbau zerstört.
Im Buch Die Denkmale der Lutherstadt - Wittenberg liest man im Abschnitt Röhr­wasser, dass der Brunnen auf dem Lutherhof angeblich aus dem Röhrwasser gespeist wurde.
Tatsache ist jedoch, dass zur Zeit der Buchausgabe 1979 das Röhrsystem noch in Ordnung war. Erst mit der Bebauung in den achtziger Jahren wurde durch das Durchstechen der Tonschicht der nördliche Teil des Quellgebietes stark in Mitleidenschaft gezogen und beim Bau der Schulstraße 1983 die starke Zuleitung aus einer Quelle im Keller des alten evan­ge­li­schen Gemeindehauses zerstört. Dadurch kam es zu einem starken Wasserverlust im Haupt­sammler.
Es muß etwa 1928 gewesen sein, als man das Wasser vom Hauptsammler in Eisenrohren durch die Lücke bis zur Schulstraße/Königsplatz und dann Stadteinwärts führte. Bis dann waren noch zum Teil die 2 m langen Eichenholzrohre in Betrieb.

Der erste Ratsrichter von Friedrichstadt war Johann Gottlob Ephraim Hentzsch. Dieser Posten entsprach in mancher Beziehung dem eines Gemeindevorstehers.
Bis 1920 hatte Wittenberg für die Vororte, so auch für die Friedrichstadt, je einen Waisenrat. Später wurde daraus der Bezirksvorsteher für Armen- und Waisenbezirke. Auch waren schon Schiedsmänner eingesetzt.

Handel und Gewerbe in der Friedrichstadt
Das Handwerk und Gewerbe war in Friedrichstadt gut ausgebildet.

Gasthäuser und Wirtschaften
Gaststätten mit dem Entstehen der Friedrichstadt waren der "Eichenkranz" am Königsplatz 3, dann folgten wohl in der Reihenfolge "Zwei Linden", Königsplatz Nr.12, "Gaststätte Wildgrube" und "Stadt Altenburg" in der Friedrichstraße.
Auch das "Jägerheim" in Kamerun, so nannte man im Volksmund den hinter der Glöckner­straße, am "Großen Loch" gelegenen Teil der Friedrichstadt bis hin zum Schwarzen Weg, gab es schon. Es hatte einen Durchgang zur Annendorferstraße.
Das älteste Gasthaus, mit Sicherheit der "Eichenkranz", hatte einen Saal, Ausspannung und Fremdenzimmer. Der unter dem "Eichenkranz" befindliche Keller besteht aus zwei Tonnen­ge­wölben aus verschiedenen Bauabschnitten. Das ältere Gewölbe auf großen Feldsteinen, aufgebaut aus Klosterformsteinen, das zweite nur aus Klosterformsteinen und ein gewölbter Kellergang der zu einem Tonnengewölbe aus jüngerer Zeit, also Mitte des 19. Jahrhunderts führt. Dieser Kellerbau gehörte zu einem älteren Haus, das weiter zurück lag, also nicht in der Flucht der heutigen Häuserlinie. 1928 wurde der "Eichenkranz" zum Wohnhaus umgebaut und der Saal abgerissen. Ein Kaufmann­ - Orchestrion wurde dabei, weil es nicht mehr funktionstüchtig war, leider demontiert.
Aber es gab auch Neueröffnungen.
Gottfried Wassersleben, Annendorferstraße 11, woraus später eine Poststelle für Fried­rich­stadt wurde, Otto Müller’s "Grüne Tanne" in der Annendorferstraße 13, heute "Tannen-Drogerie" unter Geschäftsleitung des Enkels Dieter Müller, und dem "Kühlen Grund" in der Triftstraße 52.
Die zuletzt genannten drei "Kneipen" sind aber ebenfalls nicht mehr in Betrieb. Der Kühle Grund ist abgerissen worden.

Läden und Geschäfte
Kolonialwarenhändler
Aus dem Händler wurde bald der Begriff Materialwarenhandel und später Kolonial­waren­handel.
Das erste Geschäft (inzwischen abgerissen) am Platze und hier am Königsplatz Nr. 14, war das Geschäft von H. Niethe, in dem es u.a. auch Petroleum gab. Später etablierten sich darin Paul Zimmermann, Arthur Höcke und ab 1935 Gustav Hirsch, nach dem II. Weltkrieg wurde dieses Geschäft von Frau Sprock und Frau Nemitz als Textilwarenladen (Konsum) geführt. Nach der Wende entstanden an dieser und angrenzenden Flächen Reihen-Einfamilienhäuser.
Hermann Niethe besaß in Friedrichstadt und in der Elstervorstadt weitere Grundstücke. Er stammt aus der Juristengasse und war Königlicher Militair-Friseur.
Wilhelm Graf, später Otto Müller waren in der Annendorferstraße 12/13.
Der Bruder Gustav Müller hatte auch dort bis 1920 eine Sattlerei (später Annendorferstraße 82). Dann wurde dieser Laden über viele Jahre als "Tannendrogerie" von Dieter Müller geführt. Der Gründer aber war Johannes Müller. Heute befinden sich darin Bäcker Schildhauer und ein Gemüsestand.

Ernst Rothert in der Annendorferstraße 69, an der Ecke Glöcknerstraße, gehört ebenfalls zu den früheren Händlern.
Nach dem I. Weltkrieg, so um 1920 eröffnete August Matthies in der Großen Friedrichstraße 95 ("Geißlers Festsäle" bzw. "Stadt Altenburg"), aber nur für einige Jahre.
Bis 1928 betrieb Frau Förster, geb. Schlabig, als Schneiderin und Lebensmittelhändlerin einen Laden in der Glöcknerstraße 21. Hier nahm für einige Monate der Friseur Heinzle sein Geschäft auf, bevor er in der Großen Friedrichstraße 46 und später in der Karlstraße 13/Ecke Große Friedrichstraße endgültig das Handwerk betrieb.
Ab ca. 1920 befand sich der Konsumverein in der Schulstraße 7.
Um 1925 gründete Josef Juretzki, Schulstraße 6/Ecke Annendorferstraße,- später sein Schwiegersohn Leupold, noch später Suhr- einen Kolonialwarenladen.
Heute befindet sich dort Hartmut Gnauck mit einem Küchenstudio und einem kleinen Einkaufcenter für Küchen- und Haushaltsgeräten.
Seit 1927 existiert Josef Oslender in der Annendorferstraße 20, der aber mit dem Bau der Neubauten 1978 weichen ich. An dieser Stelle geht heute die Lerchenbergstraße von der Annendorferstraße ab.
1930 kam Franz Knobel mit Frau Gertrud nach Wittenberg und bezog erst die Große Friedrichstraße 46, bevor er 1936 einen eigenen Laden in der gleichen Straße Nr. 80 baute. Franz Knobel war bekannt wegen seines Leinöls.
Auch waren noch vor dem I. Weltkrieg, also vor 1914, in der Großen Friedrichstraße 46 die Vor­kosthandlung Michael und die Handlung Graf in der Annendorferstraße 11/12 mit Materialien sogenannter geistigen Getränke. Aber sie übten keinen großen Einfluss im Handel aus.
Zur Zeit der Niederschrift sind nur noch die "Tannen-Drogerie" und die Läden von H. Gnauck offizielle Unternehmen.

Bäcker
Neben den Händlern waren es natürlich auch die Bäcker und Fleischer, die sich in Fried­rich­stadt ansiedelten.
Die wohl erste Bäckerei befand sich am Königsplatz Nr.5, die Bäckerei Kraatz. Das Grundstück befindet sich noch fast im alten Zustand. Die Backräume lagen am Anschluss an das Wohngebäude in der Schulstraße.
Bis vor wenigen Jahren war auch noch der massive Schornstein vorhanden. Zu dieser Bäckerei gehörte eine Bockwindmühle auf der Trajuhner Flur, oberhalb der Behringstraße.
Die Mühle brannte ab, Wilhelm Kraatz überlebte den I. Weltkrieg nicht und damit war diese Bäckerei stillgelegt.
Aber es hatten inzwischen noch andere Bäckereien geöffnet.
Bäckerei Hermann Faust in der Schulstraße 10
Friedrich Geißler, später Fritz Kraatz (keine verwandtschaftliche Beziehung zum Wilhelm Kraatz am Königsplatz Nr.5) in der Annendorferstraße 79
Wilhelm Meister in der Charlottenstraße 34
Hier waren nach dem II. Weltkrieg noch Kolbe und Reisbach Inhaber.
Friedrich Eichler in der Glöcknerstraße 11
Nach Eichler übernahm sie 1920 Wilhelm Pötzsch und wird noch heute als einzige, in Betrieb befindliche Bäckerei, vom Bäckermeister Karasek geführt.
Alle oben genannten Bäcker waren Innungsmeister.
Nach dem I. Weltkrieg begann Bruno Knape in der Kleinen Friedrichstraße 3 (heute Straße der Befreiung) eine Bäckerei mit Lebensmittelhandlung. Im Jahre 1926 wurde sie von Erich Prell übernommen, späterer Pächter Soldmann. Heute ist es zu einem modernen Geschäftshaus umgebaut worden.

Ebenfalls Wohngebäude ist die 1934 neu gebaute Bäckerei von Willi Pitzschke in der Annendorferstraße 64.
Es ist vielleicht verwunderlich, dass in dem kleinen Ort im 19.Jahrhundert so viele Bäckereien existierten, aber da sei hinzuzufügen, dass wohl alle noch eine kleine Landwirtschaft betrieben.

Fleischer
Von den nachstehend aufgeführten Fleischereien existiert keine einzige mehr.
Friedrich Anger, Charlottenstraße 8, nach 1925 Viehhändler. Nach Kriegsende ich dort vor­über­­gehend die Milch abgeliefert werden. Die Wittenberger Molkerei war am 20. April 1945 zerbombt worden.
Im November 1993 entstand u.a. an dieser Stelle ein Neubau mit mehreren Geschäften.
Otto Anger, Königsplatz 6, heute Eisdiele Stoffregen
Karl Anger, durch Einheirat Hermann Hönicke, Charlottenstraße 7. Das Haus ist abgebrochen worden. Jetzt befindet sich dort ein Blumengeschäft.
August Anger, Annendorferstraße 20, ab 1927 Lebensmittelgeschäft von J. Oslender. 1978 wurde es wegen den Bau des Neubaugebietes Lerchenbergstraße abgerissen.
Wilhelm und Hermann Anger in der Charlottenstraße 12/Ecke Sandstraße waren im Handelsregister als Fleischer eingetragen, waren aber hauptsächlich Viehhändler.
Nach 1920 kam noch Otto Lüder, Große Friedrichstraße 46 hinzu.
Auch hier ist es wie bei den Bäckern. Nebenbei wurde Ackerbau betrieben.

Andere Gewerbe
Selbstverständlich gab es auch einen Barbier. Es war Eugen Kremin in der Annendorferstraße 70. Seine Frau war Hebamme.
Nach dem I. Weltkrieg kam um 1925 dann der Friseur Willi Heinzle, Karlstraße 13 in die
Friedrichstadt.
Der Friseur Minde hatte sein Geschäft in der Schulstraße. Heute werden diese Räumlichkeiten mit von der Post genutzt.
Der erste Malermeister war sicher Paul Thiele in der Glöcknerstraße 46 ("Kühler Grund").
Nach 1918 versorgten in diesem Beruf Emil Wojciechowski in der Schulstraße 7 und Hugo Haberkorn in der Gaststraße die Einheimischen sowie auch Paul Hennig, Annendorferstraße.
Älteste Schmiede war die von Fr. Schuhmacher, später Eduard Naumann, Char­lotten­straße / Ecke Annendorferstraße. Aber in der damaligen Charlottenstraße 66 ist in alten Unterlagen ein Wilhelm Miersch als Schmied angegeben. Zu einem späteren Zeitpunkt verlegte Friedrich Wisch seine Schmiede aus der Sternstraße 50 (hier war dann die Niethart-Werbung) in die Annendorferstraße 100.
Naumann und Wisch waren Innungsmeister.
Folgende Informationen über das Schneidergewerbe ließen sich in Erfahrung bringen:
Dem CE Rumpf aus der Charlottenstraße wurde am 17.10.1868 ein Sohn geboren. Eine Schneiderin Sophie Zierhold wohnte am Königsplatz 14. Aber dann wurde bis zum Anfang der Jahre um 1920 kein Schneider in Friedrichstadt vermerkt. Doch 15 Jahre später hatte sich das aber folgendermaßen geändert:
Ernst Ihle, Königsplatz 14, dann Annendorferstraße 23, verstorben ist er am Königsplatz 3.
Ernst Ihle trank nie aus grünen Bierflaschen und fertigte auch keine Stücke aus grünem Stoff an.
Walter Heise, Charlottenstraße 10
Kurt Altmann, Charlottenstraße 17
Friedrich Röder, Annendorferstraße 58
Hans Jacob, Annendorferstraße 79, später Haus in der Karlstraße und Elsa Philipp, Schulstraße 27, heute das Grundstück vom Gemeindehaus St. Martin. Ihr Vater versah damals das Amt des Kirchendieners der alten Kirche.

Schuster
Schuhmacher Ch. C. Lubisch aus Friedrichstadt wurde am 19.08.1868 Vater einer Tochter.
Weitere Schuhmacher waren:
Gustav Münnich in der Charlottenstraße 10, Innungsmeister
Karl Höflich aus der Annendorferstraße 14 und nach 1918
Richard Böttcher, Große Friedrichstraße 42
Franz Großkopf, Große Friedrichstraße 44 und
Franz Kauka, Glöcknerstraße 22
Auch dieses Gewerbe ist hier ausgestorben. Der Letzte der Familie Lubisch arbeitete in der Großen Friedrichstraße/Ecke Glöcknerstraße.
Aus dem Mauerpolier Georg Arndt entwickelte sich das Baugeschäft Alfred Arndt in der Annendorferstraße.
Kleinere Bauunternehmer waren Hermann und Wilhelm Graf und Hermann Laubig.
Kleinere Schlossereien waren Otto Fröbe in der Schulstraße 4 und Max Nehmitz in der Annendorferstraße 12.

Weiterhin gab es in Friedrichstadt :
· Die Tischlereien von Max Puls in der Annendorferstraße 81 und
Otto Merker, Charlottenstraße 38 sowie
Walter Pötzsch in der Annendorferstraße 32.
· Die Korbmacher Just, Große Friedrichstraße 49 und
· Meißner in der Annendorferstraße. Ofensetzer Schmale, Annendorferstraße 4, ehemals Berliner Chaussee
· Textilhändler Kanitz, Große Friedrichstraße 74 (neben Sägewerk)
· Tabakhändler und Zigarrenmacher Bernhard Welling, Annendorferstraße 22
· Elektromeister Gustav Branger, Große Friedrichstraße 50 und
· Hermann Laubig in der Kleinen Friedrichstraße.
· Buchbinderei und Papierwaren Franz Quinque (Petrak) in der Glöcknerstraße 21
· Buchdruckerei Janitzschke, Große Friedrichstraße 54. Jetzt "Jägerheim"
· Sägewerk und Holzhandlung Graf, Große Friedrichstraße 77. 1945 bei den Kampf­hand­lungen abgebrannt. Jetzt Fa. Klemm.
und den Steinsetzmeister Hennig, später Randewig
und auch noch zur Friedrichstadt gehörend die Mühle von Hermann Thiele, später Gebrüder Karl und Erich Düben in der Berliner Chaussee und die Fabrik für Dachpappen, Teerprodukte Eugen Thierig, Berliner Chaussee/Annendorferstraße.
Steinsetzer war Paul Guseck aus der Schulstraße 20 d, der auch einige Zeit als Taxi­unter­nehmer tätig war.
Die letzten Ordnungshüter in der Friedrichstadt noch zur Kaiserzeit waren der Polizeisergeant Karl Gartemann, er wohnte im Stadthaus Königsplatz 8, einst Schule und spätere Sparkasse und der Nachtwächter Friedrich Winkler aus der Schulstraße 26.
Die Fahrradhandlung von F. Martin befand sich in der Kleinen Friedrichstraße 34/35 (später Straße der Befreiung).
Auch nach dem II. Weltkrieg war es noch üblich, dass mit einem Auto oder Pferdewagen Braunbier und Eis in den Straßen ausgefahren wurden.

Das Vereinsleben
Die Feuerwehr
In der Lücke am Platz befindet sich noch das ehemalige Spritzenhaus. Noch vor dem II. Welt­krieg war, wenn auch nicht mehr betriebsfähig, die alte Feuerhanddruckspritze mit einem Winddruckkessel untergestellt. Aus der Zeit der Friedrichstädter Feuerwehr ist der Begriff "Das is unse Feier" überliefert. Wer zuerst am Brandherd war, hatte das Vorrecht zum Löschen und ein anderer kam, auch die weit bessere Wittenberger Wehr, nicht heran. Wenn es auch nicht belegt wurde, so war es doch so, dass einige Brände reine Versicherungsbrände waren.
Berufsfeuerwehren wurden erst in den dreißiger Jahren gebildet. Zur aktiven Zeit unserer Spritze gab es in Wittenberg eine Feuerlöschkommission, der ein Stadtrat vorstand und aus Mitgliedern der Stadtverordneten und den jeweiligen Dirigenten der freiwilligen Wehren.
Nach dem I. Weltkrieg waren dann die Feuerwehren als Gemeinnützige Vereine eingetragen, aber da war unsere Spritze aus dem aktiven Dienst bereits entlassen.

Weitere Vereine
Neben der Freiwilligen Feuerwehr war der älteste eingetragene Verein der 1908 gegründete Militär-Verein Wittenberg-Friedrichstadt. 1910 zählte er bereits 52 Mitglieder mit 5 Vete­ra­nen von 1870/71. Vereinslokal war der "Eichenkranz". Dann folgten weiter:
Name des Vereins
Vereinslokal
Gesangverein "Boroussia"
"Grüne Tanne"
Männerchor Elstervorstadt
"M. Wildgrube"
Männerturnverein-Friedrichstadt (MTV)
"Zwei Linden"
Tabelle 1 Vereine in FriedrichstadtTextmarke: Tab2
Andere in Friedrichstadt ansässige Verbände oder Vereine waren die Kleintierzüchter, Ka­nin­chen- und Ziegenverein, Schießverein Tell unter Schmiedemeister Erich Naumann, Klein­kaliber-Schützenverein Wittenberg III, Vereinsführer Richard Hund und die Hüfnerschaft Mark Bruder­annendorf.
Gesellschaftliche Ereignisse in der Friedrichstadt
Zu den gesellschaftlichen Ereignissen in der Friedrichstadt gehörten selbstverständlich die Vereinsfeste in Form des jährlichen Stiftungsfestes, Kinderfeste, Kränzchen und Kostümfeste.
Zur Ausgestaltung solcher größeren Veranstaltungen war der Eichenkranz am Königsplatz bevorzugt, weil er neben den Saal auch noch über einen 1000 qm großen Garten mit 40 qm offenem Wintergarten verfügte.
Alljährlich fand auch im Januar die Friedrichstädter Männerfastnacht statt, die hauptsächlich vom Turnverein organisiert war. Da Fastnacht am Sonntag und Montag gefeiert wurde, war selbstverständlich für die Friedrichstädter der Montag arbeitsfrei.
Zu erwähnen in diesem Zusammenhang sind die Fastnachten in Trajuhn am jeweils zweiten Sonntag im Januar. Der Montag war dann in Trajuhn der Tag der Friedrichstädter. Vom Fast­nachtsknecht, dies waren die bebänderten Fastnachtsburschen, die das Sagen hatten, wurden mindestens drei Ehrentänze für "unsere Friedrichstädter" verordnet. Es gab kaum Streit zwischen den Trajuhnern und den Friedrichstädtern.
Ein weiteres jährliches Ereignis war das Erntefest. Begonnen wurde es bei Prägers "Im Feld". Luise Präger hatte den Erntekranz aus Ähren und Grünem geflochten und Hefekuchen gebacken (vorwiegend Streusel) . "Im Feld" wurde Kaffee getrunken, der kleine Sohn Erwin ich einen Unkostenbeitrag von 1,- oder 2,- Mark mit Unterschrift einsammeln und dann ging es von hier bis zum Abend in die "Zwei Linden".
Ein anderer Höhepunkt in der Friedrichstadt war das "Grenze ziehen" aller vier Jahre. Zum letzten Mal fand es 1936 statt. Mit schwarzem Anzug, Gehrock, Zylinder und blank geputztem Spaten zog man mit Musik durch die Fluren und überprüfte die Grenzfurchen und Grenzsteine.
Der Männerturnverein Friedrichstadt hatte alljährlich sein großes Stiftungsfest mit Kinderfest und einem großen Umzug von den "Zwei Linden", ihrem Vereinslokal, durch die Char­lotten­straße, Annendorferstraße, Kleine- und Große Friedrichstraße, Schulstraße und Königsplatz. Der Platz war seiner Zeit zugleich Sportplatz. Faustball und Gerätesport wurden betrieben. Für das Reck waren, wie auch im Saal, Verankerungen im Boden vorgesehen.
Die Jungen spielten auf dem Platz reichlich Fußball. Je nach Beteiligung mit zwei Toren, aber auch oft ein Torwart und zwei Parteien, dabei war die Regel drei Eckbälle gleich ein Elfmeter.
Die einst vorhandenen Freiräume um Friedrichstadt mit Spielmöglichkeiten, Spazierwegen, Wesers Rodelbahn und dem pilzreichen Kirchenbusch sind längst Vergangenheit.
Nach dem II. Weltkrieg fand für ein paar Jahre das sogenannte "Ringreiten" statt, verlor sich dann aber.
Anfang der siebziger Jahre wird das Stadtbild von Wittenberg durch das Neubaugebiet grundlegend verändert.
Schrittweise dringt das Baugeschehen von der Straße des Friedens bis nach Friedrichstadt, teilweise unter Protesten der Anwohner, in den nächsten Jahren vor. Ich selber kann mich an einen Samstagmorgen erinnern, als ich mich auf dem Weg zur Schule befand, an dem Hunderte von Flugblättern in den Straßen verteilt herumlagen, auf denen stand: "Wer gegen den Abriss der Häuser ist, trifft sich am ... auf dem Marktplatz."
Nach reichlich 15 Jahren Bauzeit hat sich zwar sehr vieles verändert, aber der alte Kern der alten Friedrichstadt (s. Luftbild auf der Titelseite) ist erhalten geblieben. Die umliegenden Wiesen, Äcker, Felder sind mit 4, 5 oder 6 stöckigen Wohnblöcken bebaut worden.

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