Die Entstehung Friedrichstadts
Während der Belagerung Wittenbergs 1813 wurde die Stadt schwer zerstört. Nach Beendigung des Krieges entwickelten sich die Vororte Schlossvorstadt, Friedrichstadt und die Elstervorstadt, auch Knüppelsdorf genannt.
In allen drei Vorstätten war die Landwirtschaft in verschiedenen Formen dominierend. Da unsere Familie schon immer landwirtschaftlich orientiert war, sollen die folgenden Betrachtungen vorrangig über die Landwirtschaft berichten..
Im Gebiet der Schlossvorstadt finden wir überwiegend humose Böden die sich sehr gut für den Gemüseanbau eignen. Dieses Gebiet erstreckt sich nordwestlich der Altstadt von Kleinwittenberg bis zur B2.
Östlich vom Elstertor begann die Elstervorstadt, oder auch die "Schatzung vor dem Elsterthore" genannt. Sie erstreckte sich vom Elstertor bis zur Wiesigker Grenze in der Nähe des "Luthersbrunnen".
Die nördliche Begrenzung zog sich von der heutigen Friedrichstadt bis zur Gemeinde Labetz.
Die Grenze zur Friedrichstadt bildete die frühere Kleine Friedrichstraße. Etwa 1840 wurde durch den Bau der Eisenbahnlinie Berlin-Köthen und 1875 mit dem Bau des neuen Bahnhofs und der neuen Streckenführung der nördliche Teil der Elstervorstadt abgetrennt.
Heute betrachten wir als Friedrichstadt das Gebiet östlich der B2, welches im Süden von der Eisenbahn und im Norden von der Lerchenbergsiedlung begrenzt wird.
Die Besiedlung Friedrichstadts begann nach 1815 als für die während des Krieges zerstörten Häuser Ersatz geschaffen werden musste.
Sie wurde auf dem Gebiet der wüsten Mark Bruder - Annendorf erbaut. Die Herkunft dieser Bezeichnung ist nicht geklärt und es können nur Vermutungen angestellt werden.
Sie ist in einer amtlichen Bekanntmachung des Wittenberger Kreisblatts von 1859 angegeben.
Da in Schriften über das Neue Jungfernwasser als dessen Ursprungsgebiet die Quellen in der Mark Bruder-Annendorf angegeben sind kann man annehmen, dass die wüste Mark sich von der heutigen B2 zwischen den Grenzen von Trajuhn und der Elstervorstadt bis zur Labetzer Grenze erstreckte. Karten darüber sind bisher leider nicht auffindbar.
Der etwas seltsame Name Bruder-Annendorf kann einen religösen Hintergrund haben. Vielleicht gab es hier früher mal eine kirchliche Stätte die irgend wann nach dem Tode eines frommen Bruders, mit Namens Annendorf, zerfiel.
Ich erinnere mich noch, dass am nordöstlichen Ende der Flur, rechts der heutigen Tschaikowskistraße, auf dem Berg vor der Flakkaserne ein etwa 0,50 ha großes Ackerstück als Die Kapelle bezeichnet wurde. Ein Teil davon war mit Kiefern bestanden. Dieses kleine Waldstück wurde in den 60er Jahren zu Acker umgewandelt. Vielleicht bestehen hier Zusammenhänge?
Die eigentliche ursprüngliche Friedrichstadt bestand praktisch nur aus dem Königsplatz und den beiden parallel verlaufenden Straßen, der Charlotten- und der Friedrichstraße.
Die Friedrichstraße war die heutige Schulstraße. 1816 begann der Aufbau der Friedrichstadt und als 1824 in Wittenberg mit der Durchführung der Separation begonnen wurde, waren im Protokoll unter den Interessenten "74 nicht brauberechtigte Häuser aus der Friedrichstadt" verzeichnet.
Bis etwa 1850 hatte sich diese Zahl schon auf 87 erhöht. Zum Teil haben bis zu diesem Zeitpunkt auch schon die Besitzer gewechselt.
Die Entstehung Friedrichstadts
Friedrichstadt, ein Ortsteil von Wittenberg, hat eine eigentlich noch junge Geschichte.
In vielen älteren Karten ist dieser Ortsteil als separater Ort eingezeichnet. Er war aber nie selbständig. Sogar in dem großen Deutschen Ortsbuch von 1927 ist Friedrichstadt enthalten.
Das Stadtbild wurde in all den Jahrhunderten von Kriegen und Verwüstungen geprägt. Auch die Wittenberger Vorstädte Elster- und Schlossvorstadt waren von diesen Ereignissen betroffen.
In den Jahren 1806 bis 1814 wurde die Stadt Wittenberg wiederholt und wechselweise preußische und französische Festung. Als Napoleon 1813 geschlagen aus Rußland zurückkam und Wittenberg besetzte, wurde die Stadt von den preußischen Truppen belagert.
Um eine freie Fläche zum Beschuß der Festung zu haben, brannte die preußische Armee die Siedlung der Schlossvorstadt, heute Platz der Jugend, nieder. Am 21. Juli 1816 bewilligte der König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) dafür eine Entschädigung an die Wittenberger Einwohner. Entsprechend §10 des Allgemeinen Land-Rechts hatte der König am 31. Juli 1816 den Kauf der Mark Bruderannendorf für notwendig anerkannt und genehmigt. Auf diesem Grund und Boden entstand später die heutige Friedrichstadt.
Im Zuge der Planung neuer Ortsteile von Wittenberg gab am 30. August 1816 die Regierung zu Merseburg den Auftrag zum Bau der Berliner Chaussee von Kropstädt bis Wittenberg. Am 16. und 17. Dezember 1816 erfolgte der Geländeaustausch mit der Kircheninspektion Wittenberg, den Trajuhner Hüfnern Gottfried Müller, Gottfried Pannier, Georg Kase, Gottfried Kase, später noch mit Andreas Wolter bzw. dessen Erben und einigen Wittenberger Grundbesitzern.
So begann nach Plänen vom Feldmesser F.G. Darkwardt die Anlegung der Orte Kleinwittenberg, parallel zur Elbe, und Friedrichstadt, parallel zur Straße nach Trajuhn.
Die Bewohner der ehemaligen Amtsvorstadt, darunter zahlreiche Fischer, bildeten den neuen Ort Kleinwittenberg.
Man kann annehmen, dass mit der Einweihung der wiederhergestellten Schlosskirche und der Gründung des Predigerseminars im Jahre 1817 auch die Friedrichstadt eingeweiht wurde.
Zeugnis dafür waren die vier Ecksteine am Königsplatz (heute Platz der Demokratie). An der nordöstlichen Ecke befand sicher früher eine Pumpe. (Bedeutung, Aussehen und Standort der Pumpe überprüfen.)
Beide Ortsteile, Kleinwittenberg und Friedrichstadt, haben je einen Platz mit zwei dazu parallel verlaufenden Straßen. Während Kleinwittenbergs Hauptstraße den Namen Wilhelmstraße (nach dem Sohn Wilhelm des Königs Friedrich Wilhelm III.) erhielt, gab es in der alten Friedrichstadt nur die Friedrichstraße (heute die Schulstraße) und die Charlottenstraße.
Zu Beginn der Separation ( die Separation wurde in Wittenberg von 1825 bis etwa 1853 durchgeführt) ab es in Friedrichdtadt "74 nicht brauberechtigte Häuser". Diese waren mit den Nummern des Brandkatasters fortlaufend nummeriert. Die Nummernfolge begann am unteren Ende der Friedrichsraße und endete in der Charlottenstraße.
Entsprechend der Wittenberger Viehordnung vom 28. Mai 1725 durfte ein nichtbrauberechtigter Bürger
2 Kühe
15 Schafe und
4 Schweine
halten und auf den, den Bürgern gehörenden Gemeinweiden weiden lassen.
Die Stadt Wittenberg hatte dafür Rinder-, Schweine- und Schafhirten.
Ob diese Regelung in Friedrichstadt noch zur Anwendung gekommen ist, ist mir nicht bekannt.
Die Anfangsbebauung Friedrichstadts.
Damals gab es noch keine Hausnummern. Die eingesetzten Zahlen sind die offiziellen Brandkatasterrnummern.
Friedrichstraße Charlottenstraße
ê ê
23
x
X
64
22
x
63
65
21
x
62
66
20
x
61
67
19
x
60
68
18
x
58
59
69
Sandstraße
30
x
X
70
17
X
71
16
x
54
72
15
32
52°
52
53
73
14
74
13
75
Lücke
Königsplatz
mit
Im Felde
Spritzenhaus
12
76
11
x
10
33
51°
51
50
78
9
79
X
49
80
8
X
x
35
46
47
48
81
Annendorfer Straße
6
36
45
82
5
44
83
4
37
43
84
3
38
42
85
2
39
X
86
1
40
41
87
Die mit einem x versehenen Parzellen waren scheinbar noch nicht vergeben.
Die ersten registrierten Friedrichstädter Bürger
350 Handarbeiter Friedrich Karl Giersch Friedrichstraße 3
351 Handarbeiter Gottlob Lange Friedrichstraße 4
352 Unverehelichte Johanne, Louise Giersch Friedrichstraße 5
353 Ackersmann Johann Wassersleben Friedrichstraße 6
354 Ackersmann Friedrich Ernst Gottlob Schmidt Friedrichstraße 8
355 Handarbeiter Friedrich Karl Graf Friedrichstraße 9
399g Ackerbürger Karl Gottlob Eduard Laubig Friedrichstraße 10
356 Weichensteller Gottfried Dichte Friedrichstraße 11
357 Weichensteller Johann Gottlieb Schulze Friedrichstraße 12
399h Schankwirt Joh. Gottlob Pannier Friedrichstraße 13
472 Hausbesitzer Johann Martin Rabach Friedrichstraße 14
358 Bäckermeister Gottfried Faust Friedrichstraße 15
359 Häusler Joh. Gottfried Lingner Friedrichstraße 16
360 Hausbesitzer Joh. Gottfried Henze Friedrichstraße 17
361 Ackersmann Karl Geißler Friedrichstraße 18
399i Hausbesitzer Joh.Gottfried Flemming Friedrichstraße 19
362 Handarbeiter August Nitzschke Friedrichstraße 20
399k Handarbeiter Friedrich Köppe Friedrichstraße 21
363 Müller Gottlieb Gallin Friedrichstraße 22
398 Ww. Johanne Christine Sackwitz Friedrichstraße 23
403 Handarbeiter Gottlob Giersch Friedrichstraße 28
364 Handarbeiter Karl Klaus Friedrichstraße 29
365 Handarbeiter August Lerm Friedrichstraße 30
366 Bahnwärter Ferdinand Schach Friedrichstraße 31
400 Bäckermeister Karl Eduard Kraatz Friedrichstraße 32
367 Hausbesitzer Gottlieb Knape Friedrichstraße 35
397 Bahnwärter Ferdinant Schach, (Bäckerei Geißler-Kraatz) Friedrichstraße 36
368 Handarbeiter Joh. Gottlieb Lipsdorf jun. Friedrichstraße 38
369 Hüfnersohn Christian Hintze Friedrichstraße 39
370 Hausbesitzer Gottfried Schwerdt Friedrichstraße 40
Reg. Nr. Beruf Name Straße Nr. im Plan
372 Handarbeiter Johann Gottfried Schach Charlottenstraße 42
401 Hausbesitzer Joh, Gottlob Friedrich Charlottenstraße 44
371 Hausbesitzer Joh. Christian Lerm Charlottenstraße 44
374 Krautgärtner Friedrich August Knape Charlottenstraße 46
349 Johann Gottlob Nitschke Annendorferstr 48
399m Handarbeiter Wilhelm Hennig Charlottenstraße 49
395 Ww. Eleonore Amalie Grasenack Charlottenstraße 50
399 Kaufmann Hermann Niethe Charlottenstraße 51
399l Handarbeiter Gottlob Graf Charlottenstraße 52b
402 Handarbeiter Gottfried Thieme Charlottenstraße 52a
Die Schule Charlottenstraße 53
472c Maurer Gottlob Gerhard Charlottenstraße 54
399n Christine Haberland Charlottenstraße 58
399o Handarbeiter Friedrich Karl Schwenke Charlottenstraße 64
377 Handarbeiter Wilhelm Miersch (m.Schmiede) Charlottenstraße 66
378 Joh. Friedr. Karl Heinrich Charlottenstraße 67
399p Hausbesitzer Johann Gottlieb Köllner Charlottenstraße 68
399q Handarbeiter Joh. Gottfried Rotte Charlottenstraße 69
379 Schuhmachermeister Wilhelm Derksen Charlottenstraße 70
399r Krautgärtner Christian Lehmann Charlottenstraße 72
380 Bäcker Theodor Müller Charlottenstraße 73
381 Handarbeiter Friedrich Treppke Charlottenstraße 74
382 Seilermeister Karl Gottfried Lehmann Charlottenstraße 75
383 Ackerbürger Johann Gottlob Kühn Charlottenstraße 76
472d Handarbeiter Christian Andreas Präger Charlottenstraße 78
394 Ackerbürger Johann Christian Höhne Charlottenstraße 79
385 Ackerbürger Christian Höhne Charlottenstraße 80
386 Schmiedemeister Friedrich Schuhmacher Charlottenstraße 81
399s Ackerbürger Gottlob Dähne Charlottenstraße 82
387 Ackerbürger Gottlob Hentzsch Charlottenstraße 83
392 Hausbesitzer Johann Andreas Giersch Charlottenstraße 84
399t Handarbeiter Friedrich Wilhelm Laubig Charlottenstraße 85
393 Handarbeiter Christian Gottlob Neubert Charlottenstraße 87
472e Handarbeiter Christoph Merker Charlottenstraße 87
375 Ww. Küls 46+47
Unterhalb des Friedrichstädter Gebietes befindet sich heute die Straße der Befreiung. Dieses Gelände gehörte zur Elstervorstadt.
Die Elstervorstadt beginnt etwa an der Luthereiche, zieht sich entlang des Trajuhnschen Baches bis südlich von Friedrichstadt, verläuft südlich der Annendorfer Straße bis zur Specke. Von dort geht die Grenze Richtung Zahnaer Straße zur Elbperle und an der Dresdener Straße zurück bis zum Elstertor.
Mit dem Bau der Eisenbahn 1842 und der neuen Bahnlinie 1875 wurden zwangsläufig Teile der Elstervorstadt abgetrennt und verblieben auf der Friedrichstädter Seite und wurden später vielfach irrtümlich zu Friedrichstadt gehörig betrachtet.
Die Specke gehörte einem Herrn Leipziger aus Kropstädt (Rittergut Kropstädt) und wurde 1900 an Labetzer, Elstervorstädter und Friedrichstädter Bürger verkauft.
Aus Zeitungsberichten ersieht man, dass in der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Specke Torf gestochen, getrocknet und verkauft wurde.
Während meiner Kindheit wurden die Friedrich- und Annendorfer Straße östlich der Glöcknerstraße bis zu den Bahnbrücken stets als Kamerun bezeichnet. Woher diese Bezeichnung entstanden ist, ist mir nicht bekannt.
Das Gebiet östlich des Königsplatzes bis zum Euperschen Weg, (der heutigen Schaikowskistraße) wurde infolge seines wasserdurchlässigen Bodens als „der Sieb„ bezeichnet.
Dort entstanden später 4 Häuser.
1. Sieb- Präger
2. Sieb-Lorenz und
3. 2x Sieb-Hentsch.
2 und 3 wurden nach dem Kriege der Tschaikowskistraße zugeordnet.
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