Die LPG - Tierproduktion

Einleitung

Im Wittenberger Bereich begann die Sozialisierung mit der Schaffung eines örtlichen Landwirtschaftsbetriebes in der Schlossvorstadt. Die Gemüsebaubetriebe O. Schulze, Bosse und Knape wurden wegen Parteizugehörigkeit enteignet. In den Ortsteilen Wiesigk und Trajuhn entstanden ebenfalls ÖLB-Betriebe. Dazu kam in der Schlossvorstadt die LPG Neuer Weg. Am 1. Juli 1959 wurde von den Betrieben Kurt Knape, Fritz Schildhauer und Ida Möckel die LPG Typ I Friedrichstadt gegründet.

Ab Sommer 1959 wurden durch Partei und Staatsapparat Industriearbeiter zu den Bauern geschickt, um sie zu einem Eintritt in die LPGen zu überzeugen. Die hierbei angewendeten Mittel waren oft zweifelhaft oder unqualifiziert. Ich trat am 3. September der LPG Friedrichstadt bei, die sich in eine LPG Typ III

Die Vergrößerung der Genossenschaften

Etwa 1972 kam auch die LPG Typ I Friedrichstadt zu uns. In der Jahresabschlussversammlung 1972/73 gab einen großen Tumult. Man wollte den bisherigen, vom Kreis zugeteilten, Vorsitzenden nicht mehr. Er war zwar bei einer großen Anzahl von Stimmenthaltungen mit knapper Stimmenmehrheit gewählt worden, doch die Partei löste ihn ab.
In unserer Genossenschaft wurden damals Vorsitzender, Produktionsleiter, Parteisekretärin, Hauptbuchhalterin und die Finanzbuchhalterin neu eingesetzt. Jetzt nach der erhaltenen Möglichkeit der Einsicht in die Stasiakten erfuhr ich, dass der Vorsitzende und eine Kollegin aus der Buchhaltung sich speziell auf mich spezialisiert hatten und ausführliche Informationen über mich und meine Familie an die Stasi weitergeleitet hatten.
Da die DDR-Landwirtschaftspolitik die LPGen zu riesigen Landwirtschaftsbetrieben ausbauen wollte, wurden 1974 die landwirtschaftlichen Flächen der Betriebe des Raumes Friedrichstadt/Trajuhn, Euper/Abtsdorf, Woltersdorf, Bülzig, Zörnigall, Külso, Dietrichsdorf, Gallin und Mühlanger zur "Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion Mühlanger" zusammengeschlossen. Diese KAP umfasste etwa 3500 ha LN. Aus den angeführten Betrieben entstand im nächsten Jahr die LPG-Tierproduktion Mühlanger und die KAP schloss sich mit dem Bereich Zahna zur "LPG Pflanzenproduktion Zahna" zusammen. Diese besaß über 7000 ha LN. 1976 wurde der Gemüseanbau aus der LPG Pionier ausgegliedert und von der "LPG Elbaue-Gemüse" übernommen.
Die LPG Mühlanger war aus folgenden früheren LPGen entstanden: Typ I Friedrichstadt, Typ III Pionier Friedrichstadt, Typ I Labetz, Typ I Wiesigk, Typ III Wiesigk, Typ III Euper/Abtsdorf, ÖLB Wiesigk. Woltersdorf, Typ I Bülzig, Typ III Bülzig, Typ I Zörnigall, Typ III Zörnigall, Typ I Külso, Typ III Külso, Typ I Dietrichsdorf, Typ III Dietrichsdorf, Typ I Gallin, Typ I Mühlanger und Typ III Mühlanger.



Wir besaßen
Stallanlagen für Rinder in :
Kühe: MVA Hohndorf Lug Gallin Dietrichsdorf Bülzig Kuhweiden: Gallin, Dietrichsdorf, Wendel und Hohndorf Kälber: Labetz Dietrichsdorf MVA Hohndorf Jungvieh: Euper Abtsdorf Sommerweiden in Gallin, Fleischerwerder und Baumgarten

Schweineställe in: Sauenställe: Woltersdorf, Trajuhn, Bülzig, Wiesigk, Dietrichsdorf, Gallin und Mühlanger Läuferställe: Woltersdorf, Trajuhn und Bülzig Mastställe: Wiesigk, Zörnigall, Abtsdorf und Friedrichstadt Waldmast: Abtsdorf und Hohndorf

Schafställe in: Teuchel: 300 Tiere mit Lämmeraufzucht Woltersdorf: 300 Tiere, Hammel

Broiler in: Trajuhn ca. 5000 Tiere Friedrichstadt: ca. 3500 Tiere Wiesigk: ca. 45000 Tiere

Gänse: Bis zu 7000 Tiere, Weide auf den Wiesen bei Mühlanger

Der Geflügelschlachthof befand sich in Reinsdorf

Dem Hautbuchhalter unterstanden:
Lohnbuchhaltung
Materialbuchhaltung
Buchhaltung für Futter
Küchen- und Reinigungskräfte
Kader der oberen Leitungsebene wurden unter Einwirkung von Partei und Kreisverwaltung des öfteren ergänzt oder ausgewechselt.



Unsere Viehbestände betrugen durchschnittlich:
etwa 2000 Rinder, davon ca. 1320 Kühe
3500 Schweine, davon ca. 350 Sauen
2 Hammelherden mit ca. 600 Tieren
2 x 20 000 + 1 x 5000 Broiler
pro Jahr bis 8 000 Gänse


In dieser LPG Tierproduktion war ich zunächst verantwortlich für die Produktion von 300 t Broilerfleisch, die Haltung von 6-8000 Serumgänsen, für die Schafherden in Woltersdorf und Teuchel, sowie für den Einsatz der Jugendlichen des Jugendwerkhofes. Als Dienstfahrzeug hatte ich einen Pkw Trabant. Mein Einsatzgebiet war über das ganze Territorium verteilt. Um in meinem Verantwortungsbereich alle Objekte abzufahren, brauchte ich etwa 60 km. Als mit der ersten Ölkrise das Benzin knapp wurde, musste ich mit dem Moped oder Fahrrad fahren. Da kam man oft mehrere Tage nicht zu den entfernteren Ställen. Als Vergütung erhielt 65 AE mit dem Wert von 13,- Mark minus 1o % SV = 760,-Mark.

Anfangs betrieben wir die Broilerproduktion in alten Hühnerstallbaracken und hergerichteten Kuhställen. Beheizt wurden diese erst mit Sirokko-Bus-Dieselheizgeräten. Diese waren sehr feuergefährlich und störanfällig. Um sie selbst reparieren zu können, musste ich in Torgelow einen Lehrgang besuchen. Wenn ich nach Torgelow fuhr um Ersatzteile zu holen, musste ich immer einige Kisten geschlachteter Broiler mitnehmen.

Bevor wir die Aluhallen in Wiesigk erhielten, nutzten wir folgende Altbauten für die Broileraufzucht: 1-Trajuhn, 2-Schwimmbad, 3-Pferdestall Präger, 4-Hühnerstall Präger, 5-Tabaktrockenanlage, 6-Stall Antoniussohn, 7-Baracken Wiesigk, 8-Schulze Wiesigk, 9- Stall Zörnigall, 10-Stall Euper, 11-Stall Külso und das Gewächshaus an der Tabaktrockenanlage.

Nachdem wir in Wiesigk die zwei Hallen errichtet hatten, konnten wir nach und nach die Primitivställe auslaufen lassen. Nur in Trajuhn wurde noch länger produziert.

Je Halle (880 qm) wurden 20000 bis 25000 Küken eingestellt. Die Mastzeit betrug knapp 8 Wochen und das Durchschnittsgewicht lag zwischen 1,6 und 1,8 kg. Obwohl wir die westdeutschen Leistungsergebnisse bei weitem nicht erreichen konnten, war es doch neben der Läuferproduktion unser rentabelster Betriebszweig. Trotzdem wurden die Broiler nach der Währungsunion als Erstes liquidiert. Anfang Juli 1990 standen 40 000 Tiere zur Schlachtung bereit und niemand wollte für Westgeld noch Ostbroiler kaufen. Wir bekamen sie zwar geschlachtet, mußten sie aber selbst absetzen. In Kaufhallen und Betriebsküchen verschleuderten wir sie für Trinkgelder.

Der Jugendwerkhof
Mit der LPG Wiesigk wurde uns auch die Außenstelle Antoniusmühle des Jugendwerkhofes angeschlossen. Je nach Belegung hatten wir etwa 15 Jugendliche einzusetzen und auszubilden. Da ich dafür verantwortlich wurde, bekam ich einen Eindruck über das Leben in einem Jugendwerkhof.
Die soziale Herkunft der Jugendlichen war unterschiedlich. Sie kamen aus zerrütteten Familien ebenso wie von Eltern hochrangiger Funktionäre, die für die Erziehung ihrer Kinder keine Zeit hatten. Einzelne der Jungen konnte man als schwer kriminell bezeichnen, andere waren zunächst harmlos aber in der Zeit ihres Aufenthaltes wurden viele zu Profis. Von Erfolgen der Erziehungsmaßnahmen seitens des Werkhofes war wenig zu erkennen. Ausbrüche, Einbrüche und Diebstähle waren an der Tagesordnung. Angst oder Respekt vor den Strafmaßnamen des Werkhofes hatten sie nicht. Einzig und allein vor dem "Geschlossenen Werkhof" in Torgau hatten sie Respekt.

Einmal sollten nach der Mittagspause von 2 Werkhofjungen Baumaterialien aufgeladen werden. Der verantwortliche Brigadier war aber noch nicht da und wir hatten keinen Schlüssel für das Vorhängeschloss. Daraufhin sagte der Vorsitzende spaßhaft zu den Jugendlichen: "Nun zeigt doch einmal was ihr könnt". Einer der Beiden fragte noch einmal zurück: "Soll ich wirklich ?" Als der Vorsitzende Ja sagte, drehte er uns den Rücken zu und stellte sich vor das Schloss. Nach wenigen Sekunden drückte er dem Vorsitzenden das geöffnete Schloss in die Hand. Gemeinsam mit dem Jugendwerkhof und anderen Betrieben kauften wir bei Österitz ein altes Landwirtschaftliches Objekt und bauten es zu einem Ferienlager für die Jugendlichen aus.

Gemeinsam mit anderen Betrieben erwarben wir später ein Grundstück bei Österitz, welches zu einem Ferienobjekt für die Jugendlichen des Werkhofes ausgebaut wurde.

Die Rinderhaltung
Die Kühe waren in den Ställen Lug, MVA Hohndorf, Gallin, Külso und Bülzig untergebracht. Die Durchschnittsleistungen bei 3,5 % Fettgehalt schwankten zwischen 3- und 5 000 Liter. Unser Sorgenkind war dabei immer die MVA Hohndorf. Es war eine "industriemäßige Anlage" für 500 Kühe. Ihre durchschnittliche Milchleistung kam kaum über 3 000 Liter hinaus. Hier wurde in Tag- und Nachtschicht gearbeitet. Die Nachtschicht war oft sehr früh mit der Arbeit fertig. Das Resultat lässt sich erahnen.

Auch ein optimaler Kraftfuttereinsatz konnte die Ergebnisse nicht verbessern. Trotz der Bezeichnung "industrielle Anlage" war die Ausrüstung nach meinem Kenntnistand primitiv. Bei Fachexkursionen in die Slowakei konnte ich dort Anlagen gleicher Größe besichtigen, die uns nur blas werden ließen.

Die überschaubare Anlage Gallin die von Hermann Kubat, einem hervorragenden Fachmann geleitet wurde, brachte ständig 4 - 5000 Liter je Kuh. Außer dem Stall in Bülzig, dort war eine auslaufende Herde (Schlachtkühe) stationiert, wurden alle Rinder geweidet. Die Kühe vom Kuhstall Lug weideten auf den Wiesen an der Wendel

Die Dietrichsdorfer Herde weidete auf den Zahnawiesen und alle anderen einschließlich dem Jungvieh auf den Elbwiesen. Kälberställe befanden sich in Dietrichsdorf und Labetz. Die Kälber wurden zum großen Teil verkauft. Die weiblichen Kälber gingen in die Kälberaufzuchtsanlage Merschwitz und die Bullenkälber an verschiedene Mastbetriebe. Die Jungrinder waren im Sommer auf der Weide im Baumgarten. Im Winter wurden sie in Abtsdorf eingestallt. Die für die Reproduktion erforderlichen Tiere wurden als hochtragende Färsen zurückgekauft. Die Rindfleischproduktion (Schlachtkühe und Märzungen) brachten infolge Futter- und anderer Probleme nur ungenügende Schlachtgewichte.

Die LPG (PP) Pflanzenproduktion bewirtschaftete nur die Ackerflächen und das Grünland.
Mit der Wende kam das Ende der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften. Näheres können sie in "Ein Rentner erinnert sich" unter dem Titel -Die LPG und die Wende- nachlesen.