1.7.1958 wurde in Friedrichstadt von drei wirtschaftsschwachen
Betrieben die erste LPG gegründet, die LPG Friedrichstadt Typ I.
Beim Typ I werden die Felder genossenschaftlich und das
Vieh individuell, bei der LPG Typ III wurde auch das Vieh gemeinsam genutzt.
Da jetzt ein Anfang gemacht war, wurde nun die staatliche
LPG-Werbung verstärkt betrieben.
In Trajuhn waren die Besitzer, Frau Frank und ihre Tochter
in den Westen gegangen. Ihre Ackerflächen wurden ein ÖLB, und dieser
der LPG zur Nutzung übergeben.
Am 1.7. trat der Betrieb Gebhardt der LPG bei. Gleichzeitig
erfolgte eine Umbildung zum Typ III.
Ab diesem Zeitpunkt konzentrierte sich die Werbung voll
auf mich. Ich sollte den Vorsitz übernehmen. Da ich die Mechanisierung
meines Betriebes so gut wie abgeschlossen hatte, war mir daran gar nichts gelegen.
Um mir die Werber vom Hals zu halten stellte ich Bedingungen von denen ich wusste,
dass sie nicht eingehalten werden würden.
Z.B.- Ich habe eine Menge Maschinen angeschafft die für
eine große LPG nur wenig Wert hatten. Das Ergebnis: Die LPG-Vollversammlung
beschloß die Übernahme aller Maschinen und Geräte. Alles wurde
vom MTS - Direktor zu einem annehmbaren Preis abgeschätzt.
Die nächste Ausrede: Die Ernte will ich noch selbst
verkaufen - genehmigt.
Den Tabak will ich selbst verkaufen - genehmigt.
Nach dem dieses alles gelaufen war, holte man mich zur
Bürgermeisterin Teichmann damit ich endlich unterschreiben sollte.
Ich lehnte ab, weil ich zwei im Februar 1960 fällige
Mastbullen selbst verkaufen wollte. In meinem Beisein rief die Bürgermeisterin
beim Rat des Kreises an, schilderte die Situation und auch diese Forderung war genehmigt.
Nun hatte ich wirklich keine Ausrede mehr und unterschrieb
am 3. 9. 59 den Antrag zur LPG-Aufnahme, aber nicht bei den Werbekolonnen, sondern
bei Franz Hensel, dem BHG - Leiter. Er war ein guter Partner und musste auch
sein " Soll" bringen.
Gleichzeitig liefen die Werbeaktionen intensiv weiter,
besonders in Trajuhn wo es um die Betriebe Marie Kase mit 35 ha und Otto Kase
mit 22 ha ging.
Da die beiden Kinder der Marie Kase der LPG nicht beitreten
wollten, waren die Friedrichstädter Mitglieder gegen die Aufnahme des Betriebes.
Es gab aber einen Grund, der die Übernahme auch
ohne Kinder erforderlich machte.
Die Typ-I hatte der Einfachheit wegen sehr viel Getreide
aber keine Futterhackfrüchte angebaut. Man hatte sich keine Gedanken gemacht
wie der Rinderbestand über den Winter gebracht werden sollte.
M. Kase hatte aber gute Silomais- und Futterrübenbestände.
Darüber hinaus verfügten diese beiden Betriebe
über größere Stallanlagen die für eine gemeinsame Viehhaltung
die Übernahme trotzdem zweckmäßig erscheinen ließen.
Am 15.9. wurden die Betriebe Kase M. und Kase O. in die
LPG aufgenommen und ich zum Vorsitzenden gewählt.
Bei der Umbildung zu Typ III war auch der Name von "LPG
Friedrichstadt" in "LPG Pionier" umgewandelt worden.
Die LPG hatte jetzt ca. 120 ha LNF.
Als Vorsitzender erhielt ich monatlich 20 AE für
Leitungstätigkeit, den Rest musste ich mir zu verdienen.
Das LPG-Büro befand sich in unserer Wohnstube.
Unsere ersten Investitionen waren eine Reiseschreibmaschine
und als Dienstfahrzeug ein Motorrad RT 125.
Mit zwei eingebrachten Traktoren brachten wir im Herbst
eine P-K Vorratsdüngung aus. Wir waren der Meinung die LPG bekommt alles
und staunten nicht schlecht, als uns die BHG mitteilte, „Euer Kontingent ist
alle.“
Für die Kartoffelernte wollten wir die Vollerntemaschine
der MAS einsetzen, aber der hohe Steinanteil unserer Kiesböden machte dieses
unmöglich. Mit dem Schatzgräber und den Leuten des Patenbetriebes
von der Wasserwirtschaft und der Wohnungsverwaltung wurde es aber dann doch
geschafft. Unsere älteren Frauen sorgten für die Versorgung der Helfer.
Da wir Verbindungen zum Pferdeschlächter Sucker hatten, gab es öfters
Pferdegulasch welcher den Helfern sehr gut schmeckte.
Die Buchhaltungsarbeiten wurden anfangs vom Hauptbuchhalter
der BHG, dem Kollegen Holzmüller erledigt.
Als Vorsitzender erhielt ich eine gute Unterstützung
durch den Agronomen der MAS, den Kollegen Werner Engelmann.
Als private Werkstätten nutzten wir die Schmiede
Mathias in Trajuhn und die Schlosserei Voigt in Friedrichstadt.
Die Neuzuführung von Maschinen wurde von der MAS
gelenkt.
Im Spätherbst hatten wir erstmalig die Stalldungstreubrigade
der MAS im Einsatz. Es waren ein Kran T 170 und drei Stallmiststreuer. Schnell
und kostengünstig war diese Arbeit erledigt.
Einige Tage später hatte ich in der Schmiede Trajuhn
eine lebhafte Diskussion mit Einzelbauern. Wie alle unsere Arbeiten, hatten
sie auch das streuen des Mistes aufmerksam verfolgt und waren der Meinung, dass
so ein Technikeinsatz uns unbedingt ruinieren würde.
Im Winter begannen wir die großen Wirtschaftsgebäude
in Trajuhn für die gemeinsame Viehhaltung herzurichten.
Unsere erste Jahresabschlussversammlung fand im Februar
1960 in der Gaststätte Wassersleben in Friedrichstadt statt. Neben den
offiziellen Gästen hatten wir auch einige gute Einzelbauern als Gäste
eingeladen.
In unserem Rechenschaftsbericht zeigten wir kritisch
Mängel und Fehler auf ebenso, wie wir unsere Arbeit verbessern wollen.
Unser erstes Ergebnis war 7,86 M rot je AE.
Etwa zu dieser Zeit verstarb in Friedrichstadt der Stellmachermeister
Niendorf. Eins unserer Mitglieder erbte Haus und Maschinen. Wir als LPG waren
damals kurzsichtig und übernahmen die Werkstatt nicht.
Zwei unserer jugendlichen Mitglieder delegierten wir
an Fachschulen.
Wir hatten in der Genossenschaft den Beschluss gefasst,
die individuelle Hauswirtschaft auf Schweine und Geflügel zu begrenzen.
Die individuelle Kuh wurde in die Genossenschaft eingebracht. Das ind. Milchgeld
wurde nach Abzug der Futter – und Haltungskosten entsprechend der Durchschnittsleistung
der LPG-Kühe an die Mitglieder ausgezahlt.
Dieser Beschluss wurde durch die im Frühjahr neu
hinzugekommenen Mitglieder wieder aufgehoben.
Für die Milchviehhaltung versuchten wir Melker zu
bekommen. Mit diesen Wandervögeln haben wir so einiges erlebt. Da unsere
erste Melkerfamilie Weihnachten frei haben wollte, musste ich als Vorsitzender
am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag in Trajuhn alle Kühe melken und
versorgen. Es dauerte dann auch nicht lange und sie hatten sich in die BRD abgesetzt.
Diese Melkerwohnung sah in den nächsten Jahren des
öfteren neue Melker ein und ausziehen.
Erst später, als wir einzelne unserer Mitglieder
zu Melkern ausbildeten, löste sich dieses Problem.
Da wir zuwenig Stroh für die Viehbestände zur
Verfügung hatten, mussten wir für die Einstreu von den zum Teil recht
weit entfernten Sägewerken Sägespäne holen.
Dieses Strohproblem hatten wir mehrere Jahre. Früher
hatten die Einzelbauern ihre Kartoffeln und Futterrüben fast alle in ihren
Kellern untergebracht. Da nun die gesamte Hackfruchternte eingemietet werden
musste, wurden hierfür große Mengen Stroh benötigt.
Von staatlichen Stellen waren den LPGen Patenbetriebe
zugeordnet worden. Diese mussten zu den Arbeitsspitzen Arbeitskräfte bereitstellen.
Dieses erfolgte meist unentgeltlich.
Unser Patenbetrieb war die Wittenberger Stadtwirtschaft.
Ihr Chef "Männe Albrecht" aus Friedrichstadt hat sich sehr für
uns eingesetzt.
Im Winter 59/60 ging es in unserer Wohnstube zu wie in
einem Bienenhaus. Da die Stube gleichzeitig LPG-Büro war, trafen sich hier
morgens immer die Industriearbeiter, die von ihren Betrieben abkommandiert waren,
um die Bauern von den Vorteilen einer sozialistischen Landwirtschaft zu "überzeugen".
Ihr Chef, " Max der Rote Bomber" teilte die Reviere ein. Im Laufe
des Nachmittags kamen die einzelnen Trupps zurück und berichteten über
ihre Diskussionen oder Erfolge.
Man versprach den Nocheinzelbauern Autos, Fernseher und
vieles andere. Da ich oft zuhörte wenn die Werber über ihre Werbemethoden
redeten, konnte ich mir nicht vorstellen, dass diese Bauern später ohne
Widerwillen ihre Arbeit verrichten würden.
So nach und nach kamen doch Eintrittserklärungen.
Ein Teil der Betriebe wollte zu uns in Typ III und andere, die wirtschaftsstärkeren
und überwiegend Gemüsebauern, wollten eine LPG Typ I gründen.
Die staatliche Orientierung war damals, das Teuchel,
Trajuhn und Friedrichstadt zu einer LPG zusammengefasst werden sollte. Entsprechend
dieser Linie wurde im März der Betrieb Schneeberger, vor Reinsdorf gelegen,
in unsere LPG aufgnommen.
Da sich aber im April in Teuchel eine LPG Typ I bildete,
blieb dieser Betrieb für uns jahrelang eine weit entfernte Insel. Wir versuchten
anfangs dort eine Legehühnerhaltung aufzubauen. Da es aber nicht immer
mit der Futteranlieferung klappte und die Legeleistung nicht überzeugte,
wurden die Hühner abgeschafft und uns blieben nur ca. 5 ha Acker zur Bearbeitung.
Ende März -Anfang April kam dann der große
Durchbruch, denn fast alle Betriebe hatten ihre Eintrittserklärung unterschrieben.
Über 50 Betriebe traten der LPG Pionier bei.
Ein Teil der Bauern begann die genossenschaftliche Arbeit
am 1.April, andere am 1.Mai.
12 Betriebe, vorwiegend Gemüsebauern, gründeten
die LPG Typ I Friedrichstadt.
Der "Sozialistische Frühling" hatte auch
in Wittenberg begonnen.
Die Autos oder Fernseher die man den Leuten für
ihre Unterschrift versprochen hatte, gabs aber nur vereinzelt, denn dazu reichte
die Materialdecke überhaupt nicht aus.
Den LPGen ging es bei der Neuzuführung von Maschinen
und Geräten ebenso.
Im Raum Wittenberg gab es jetzt eine ganze Reihe von
sozialistischen Landwirtschaftsbetrieben. LPGen vom Typ I in Piesteritz,
Teuchel, Friedrichstadt, Labetz und Wiesigk, LPGen vom Typ III in Friedrichstadt
und Wiesigk und in der Schloßvorstadt ab Herbst 1960 die GPG Convallaria.
In Friedrichstadt konnte sich Hermann Lehmann als Einziger
der Sozialisierung widersetzen und blieb bis zur Wende Einzelbauer.
Ich hatte auch bevorzugt einen PKW Trabant und einen
Fernseher bekommen. Zu der Sendung "Mainz, wie es singt und lacht"
und anderen Karnevalssendungen, Eiskunstlaufen oder Schispringen, kamen die
Kollegen oft zu uns.
Die LNF hatte sich auf 520 ha vergrößert.
Leider verließen 22 Jugendliche die Landwirtschaft ihrer Eltern. Nur Alte
und ein Teil Mittelalter blieben zurück.
Einem Kollegen musste ich versprechen, dass er Mähdrescher
fahren kann damit er blieb.
Unsere zerstückelten Acker– und Wiesenflächen
reichten von Reinsdorf bis Seegrehna über Dabrun und Gallin bis Euper und
Karlsfeld.
Die durchschnittliche Betriebsgröße lag bei
8 ha.
Da es vorerst keinen Flächenaustausch gab, mussten
wir mehrere 100 Einzelparzellen bewirtschaften.
Wir hatten nur zwei Schläge mit einer Größe
von 20 ha, 2 oder 3 von 5 – 10ha und alles andere lag darunter bis 0,25 ha.
Einen 20ha-Schlag mussten wir noch teilen, um auf dem
Lehmboden eine gesonderte Fruchtfolge einrichten zu können.
Wir versuchten zwar die Situation durch einen Flächenaustausch
mit den angrenzenden Genossenschaften zu verbessern, es brachte aber nur wenig.
Gut verlief der Austausch der Elbwiesen. Hier wurden
unter Regie der Kreisverwaltung zusammenhängende Schlaggrößen
von mindestens 2o ha geschaffen.
Im April wurde uns von der MTS Straach die Technikbrigade
Wittenberg übergeben. Dazu gehörten u.a. 1 Mähdrescher, 10 Traktoren
mit Geräten, ein Brigadier, zehn Traktoristen, ein Schlosser und eine Brigadeabrechnerin.
Mit der Übergabe an die LPGen wurden die MTS in
RTS-Reparatur-Technische-Stationen umbenannt.
In der LPG teilten wir die Arbeitsbereiche in Brigaden
ein.
Dem Feldbaubrigadier für den Raum Friedrichstadt-Trajuhn
(Hermann Kaul) unterstanden auch die Baubrigade und die Technik mit Werner Hintsche.
Die Viehwirtschaft wurde von Wilhelm Anger,
der Feldbau in Knüppelsdorf von Fritz Knape und
der
Gemüse-Maiblumenanbau wurde von Hermann Antoniussohn
und Ernst Lehmann geleitet.
Alte erfahrene Praktiker bildeten den Vorstand und die
Revisionskommission.
Sie leisteten eine gute Arbeit, nur eine Person und der
von der MTS übernommene Brigadier waren in der Partei.
Die für die Genossenschaft nicht benötigten
Pferde wurden verkauft und wurden zum großen Teil nach Holland exportiert.
Angeblich sollten sie dort für die Serumproduktion genutzt werden.
Bei Marie Kase richteten wir auf einem Stallboden unser
Materiallager ein.
Als Sitz für die Verwaltung richteten wir in einem
baufälligen Wohnhaus 2 Zimmer ein, dessen Besitzer im Januar die Republik
verlassen hatten. Eins war für die Buchhaltung und das andere für
den Vorsitzenden, Brigadiere und Besucherverkehr. Die Lage war günstig.
Da es abends oft spät wurde, konnten wir uns bei zu großem Hunger
aus der nebenan liegenden Gaststätte 2 Linden schnell mal eine Bockwurst
oder eine Sülze holen.
Neben der Frühjahrsbestellung war die Zusammenstellung
der Viehbestände das größte Problem.
Eine Forderung der Kollegen die in unsere LPG Typ III
eingetreten waren lautete: " Sofort das
Vieh aus dem Stall, wenn wir abends vom Feld kommen wollen
wir Feierabend haben".
Da uns nur wenig größere Ställe zur Verfügung
standen, bildeten wir das sogenannte "Schnellkommando".
A. Hildebrand, O. Bölter und W. Anger schafften
mit Derbstangen primitive Viehunterkünfte.
Mit Holz und Derbstangen schafften sie in kurzer Zeit
die Voraussetzungen, dass wir die Rinder zusammenstellen konnten.
Während vorerst die meisten Schweine und die Pferde
in ihren bisherigen Ställen verblieben, kamen die Kälber nach Trajuhn,
wo sie von Marie Kase lange betreut wurden.
Das Jungvieh wurde in den Scheunen von M. Kase, W. Anger
und dem Maschinenschuppen Präger untergebracht.
Die Kühe kamen nach Trajuhn in die Ställe M.
Kase, O. Kase und A. Hildebrand
Knüppelsdorf in den Stall Neubert
und in Friedrichstadt in die Ställe von Wildgrube
und Präger.
Den Mitgliedern die sich bereit erklärten die Milchkühe
zu versorgen, hatte ich versprochen, dass sie im kommenden Herbst eine Melkmaschine
zur Verfügung hätten.
Ich habe mein Versprechen gehalten.
Wieder war es unser Richard Voigt , er war zwar kein
LPG-Mitglied aber er arbeitete ständig für uns, der alte Verdampfermotoren
zu Vakuumpumpen umbaute und die Vakuumleitungen verlegte.
Meine Hauptaufgaben bestanden im Koordinieren der täglichen
Arbeiten und als Einkäufer Material ranzuschaffen.
Um die übrigen benötigten Teile der Melktechnik
und andere Ersatzteile zu beschaffen bereiste ich mit meinem Trabbi die ganze
Republik.
In Barth gabs zum Beispiel Gitterräder für
Traktoren, in Rostock Starkstromkabel, in Greifswald Wasserschläuche
für die Ställe, bei Bad Kösen und in Elsterwerda Melkmaschinenersatzteile,
in Thüringen Wasserschläuche für die Gemüseberegnung, in
Zittau Nägel für die Baubrigade usw..
Zur Versorgung der Rinderbestände wurde die Grünfutterbrigade
eingerichtet. Sie bestand aus 4 Gespannen mit je 2 Gummiwagen, mehreren Grasmähern
und einer Pferdeschleppharke.
Da uns keine Feldfutterflächen zur Verfügung
standen, musste das gesamte Grünfutter von den weit entfernten Elbwiesen
geholt werden. Da der Ertrag in diesem Jahr gering war, mussten täglich
mehrere ha Wiese gemäht, zusammengeschleppt und aufgeladen werden.
Oft klingelte abends nach 19 Uhr im Büro das Telefon,
weil in Trajuhn noch kein Futter angekommen war. Die
Melker mussten in den Ställen warten um noch füttern zu können.
Im April 1960 wurde uns von der MAS ein Teil der Technik
übergeben. Dazu gehörten 1 Mähdrescher E175, Traktoren und Geräte,
ein Brigadier, 1 Schlosser, 7 Traktoristen und eine Brigadehabrechnerin.
Diese Technik zur Verfügung zu haben und selbst
einsetzen zu können, war für uns sehr vorteilhaft.
Mit dem Anwachsen der LPG auf über 500 ha machten
wir uns auch Gedanken über die Schaffung einer Reparaturbasis. Es gelang
uns aber nicht Handwerksbetriebe aus dem Territorium zu werben. Es war aber
sehr vorteilhaft den Schlossermeister R. Voigt mit seiner Werkstatt für
uns zur Mitarbeit zu gewinnen.
Richard Voigt der ein sehr guter Fachmann war, hatte
einen sehr großen Anteil unserer technischen Probleme.
Vom Kreis wurde uns Walter Görsch aus Weddin als
Agronom zugeteilt.
Bei der Erstellung des Betriebsplanes leistete der Vorsitzende
von Meuro Edmund Köstler sozialistische Hilfe.
Mit dem Aufbau der Buchhaltung hatten wir einige Schwierigkeiten.
Während eine im Frühjahr eingestellte Kollegin den Trubel nicht durchschaute,
kriegte ihr Nachfolger Probleme mit den Nerven.
Mit dem damaligen Fleischverarbeitungsbetrieb Dexheimer
in Reinsdorf trafen wir eine Vereinbarung. Wir stellten unseren in Reinsdorf
wohnenden Kollegen Schneeberger zu Dexheimer ab und Arbeiter dieses Betriebes
halfen uns bei der Frühjahrsbestellung und bei der Kartoffelernte. Weiter
hin bekamen wir von dort Fleisch – und Futterabfälle. Die Futterquelle
floss noch bis in die 80er Jahre.
Um unsere finanzielle Lage zu verbessern, billigte der
Kreis uns die Haltung von Legehennen zu.
Wir bauten daraufhin beim Gehöft Antoniussohn 2
Hühnerstallbaracken auf.
Um die vielen anfallenden Probleme zu lösen, wurde
wöchentlich eine Vorstandssitzung und monatlich eine Vollversammlung durchgeführt.
Man muß den Mitgliedern bescheinigen, dass sich
alle bemühten konstruktiv am Aufbau der Genossenschaft mitzuwirken.
Ebenso waren der Agronom und die Brigadiere ständig
einsatzbereit und auf ihrem Posten.
Von der Frauenbrigade ist besonders die Einsatzbereitschaft
von unserem Vorstandsmitglied Frau Marie Giersch hervorzuheben. Trotz Alters
und gesundheitlicher Probleme verstand sie es stets alle anderen mitzureißen.
Ich war viel unterwegs um Materialien und Ersatzteile
zu beschaffen. Nur so war es uns möglich, dass im Herbst 1960 in jedem
Kuhstall eine mit der Hilfe von Richard Voigt eine aus Ersatzteilen zusammen
gebaute Melkmaschine lief.
Wenn ich so unterwegs war, kam es des öfteren vor,
dass man ein Trinkgeld springen lassen musste. Handelte es sich um kleinere
Beträge, so gab man die aus der eigenen Tasche. Da es aber auch Situationen
gab wo um höhere Beträge ging, hatten wir im Vorstand beschlossen
ein schwarzes Konto einzurichten.
Wir lieferten grünen Tabak über ein Privatkonto
ab und hatten so 1100. - Mark- in Reserve. Da ergab sich die Möglichkeit
von einem Jüterbogker Kohlenhändler 3 große Hänger zu kaufen,
aber ein Teil mußte bar bezahlt werden und die 1100,-- Mark Tabakgeld
waren wieder weg.
Als wieder mal ein Arbeitsgruppenleiter für irgend
etwas ein paar Mark brauchte und ich ihm kein Geld geben konnte, machte er den
Vorschlag vom Gemüsebarverkauf einige Quittungen verschwinden zu lassen,
um so an Geld zu kommen.
Dieses wurde selbstverständlich abgelehnt. Ein anwesendes
Vorstandsmitglied fragte in Anwesenheit des Arbeitsgruppenleiters ob vom Tabakgeld
nicht noch etwas übrig wäre. Ich verneinte und der AGL hatte nichts
eiligeres zu tun, als den bei der Grummternte arbeitenden Mitgliedern zu erzählen, der
Vorsitzende hat Tabak verschoben.
Ein Vorstandsmitglied berichtete mir darüber und
es wurde gleich am nächsten Abend eine Vollversammlung durchgeführt
in welcher den Mitgliedern der Sachverhalt erklärt wurde.
Da die Angelegenheit über den Vorstand gelaufen
war und die Unterlagen vorhanden waren, gab es keine ernstlichen Probleme.
Trotzdem hat mich die Genossin
die wir im Vorstand hatten, beim Kreis
angezeigt.
Im Sommer 1960 wollte man mich zweimal für die SED
werben. Zwei Funktionäre, beide hatten die gleiche Begründung,: ich
könnte als Vorsitzender für die LPG viel mehr erreichen, wenn ich
Genosse wäre.
Ich antwortete den Genossen: "Wenn unsere gut arbeitenden
Mitglieder wie Menschen
2. Klasse behandelt werden, nur weil der Vorsitzende
nicht in der Partei ist, dann ist die SED keine Partei für mich."
Bis 1990 bin ich nie wieder zu diesem Thema angesprochen
worden.
Die Neuzuführungen von Traktoren und Maschinen erfolgte
anhand von Planzahlen bei den RTS-Stationen. Da die Zuteilungen völlig
unzureichend waren gab es oft Streit unter den LPG-Vorsitzenden.
Mir war klar, dass wir bei unserer ungünstigen Betriebsstruktur
und dem überalterten
Arbeitskräftebestand in der Heu- und Getreideernte
vor unlösbaren Problemen stehen würden.
Da ich mich bis zu meinem LPG-Eintritt weitestgehend
über die westdeutsche Landwirtschaft informiert hatte, überzeugte
ich unsere Mitglieder, die LPG auf Häckselwirtschaft umzustellen. Schon
lange vor der Heuernte musste Richard Voigt mit dem Bau von 6 Großraumkäfigaufbauten
für die Erntehänger beginnen.
Zum Beginn der Heuernte war alles einsatzbereit.
Während wir das Heu von den großen Wiesenparzellen
mit der Hand, oder der selten einsatzbereiten Presse ernteten, kam der Häcksler
vorwiegend auf den kleinen 0,12 bis 0,25 ha großen Flächen zum Einsatz.
Der Einsatz des Häckslers und die Großraumkäfige
bei der Heuernte erregte großes Aufsehen. Viele Vorsitzende und Funktionäre,
auch aus den Nachbarkreisen, kamen zu uns, um unser Verfahren zu studieren
Zwar waren die Verluste von Blattanteilen etwas hoch,
aber wir konnten alle Flächen termingemäß abernten.
Das Abladen war kein Problem, denn wir hatten ja die
Gebläse welche Richard Voigt schon vorher für unsere Mitglieder gebaut
hatte.
Auf zentralen Zusammenkünften musste ich im Bezirk
Halle und bei der Kammer der Technik in Berlin über unsere Erfahrungen
mit der Häckselwirtschaft berichten.
Unsere LPG wurde in die Reihe der 20 "Beispielsbetriebe
der DDR für Häckselwirtschaft"
eingegliedert. Das hatte den Vorteil, dass wir bevorzugt
mit geeigneter Technik beliefert wurden.
Es half uns nur nicht viel. Erstens hatte unsere arme
LPG gar kein Geld um diese Technik kaufen zu können und ein großes
Abladegebläse, welches wir bekommen hatten, verkauften wir schnell wieder,
weil wir es auf unseren kleinen Höfen gar nicht rentabel einsetzen konnten,
bzw. die Stromanschlüsse viel zu schwach waren..
Gemäß alter Friedrichstädter Tradition
feierten wir am 3. Donnerstag im Oktober der Gaststätte Zwei Linden unser
erstes Erntefest.
Dazu brachte uns der Kollege Heichler aus Straach ein
kleines Kulturprogramm.
Als ihr Leiter bei der Progammabsprache hörte, dass
wir wie früher zu Beginn "Nun danket alle Gott" singen wollten,
hopste er fast aus dem Anzug und wollte mit seiner Gruppe sofort wieder abreisen.
Wir verzichteten auf das Singen und das Programm fand statt
Da unseren Mitgliedern bei der Werbung viel Zeit für
Kultur und Entspannung versprochen worden war kamen wir nicht umhin für
einen IGA Besuch zu organisieren. Mit je 3 Bussen fuhren wir an zwei Tagen mit
allen interessierten Mitgliedern nach Erfurt.
Leider hatten wir einen Regentag erwischt.
Für die Busse mussten wir über 7000 Mark bezahlen.
Die gesamte wirtschaftliche Entwicklung konnte nur wenig
von uns beeinflusst werden. Alles wurde vom Kreis geplant und das damals oft
nur im Gießkannenprinzip.
Da ich schon als Einzelbauer mit Tabak und Tabaktrockenanlagen
Erfahrungen gemacht hatte, konnte ich beim Kreis durchsetzen, dass uns der Bau
einer Tabaktrockenanlage genehmigt wurde.
Zugleich erhöhten wir den Tabakanbau auf 15 ha.
Damit hatten wir endlich mal einen rentablen Betriebszweig. Da wir hier nach
Leistung vergüteten, bekamen wir auch Arbeitskräfte aus der nicht
landwirtschaftlichen Bevölkerung.
Viel Ärger gab es bei der Kartoffelernte. Auf unseren
steinigen Böden schaffte die Kombineu am Tage höchstens 2 ha. Deshalb
wurden große Flächen mit dem Siebkettenroder gerodet. Die Kartoffeln
mussten dann mit der Hand aufgelesen werden. Auch Schulklassen wurden hierfür
eingesetzt. Für einen Korb aufgelesener Kartoffeln bekamen die Kinder 10
Pfennig.
1960 war die Ernte der Spätkartoffeln eine Katastrophe.
Um gute Speisekartoffeln abliefern zu können, bauten
wir die Spätkartoffeln auf den guten Lehmböden in Bleesern an. Als
sie geerntet werden sollten, begann eine längere Regenperiode und wir wussten
bald nicht, wie wir bei den aufgeweichten lehmigen Wegen die Frauen zum Acker
und die Kartoffeln nach Hause bringen sollten.
Es war schrecklich.
Die Speisekartoffeln sortierten wir in der Scheune von
H. Kaul. Da uns damals noch keine Kipper (und Arbeitsschutzinspektor) zur Verfügung
standen, wurde beider Abladestelle ein Traktor stationiert. Mit einem auf die
Ackerschiene gestellten Holzstempel wurden die Hänger hydraulisch angekippt.
Völliges Neuland für uns war die Mietenwirtschaft.
Während früher jeder Einzelbauer seine Kartoffel- und Rübenvorräte
zu Hause in Kellern gelagert hatte, mussten zentrale Mietenplätze angelegt
werden. Dazu wurden sehr große Strohmengen benötigt. Diese fehlten
uns nachher für die Einstreu der Tiere.
Wir klapperten Tischlereien und die Sägewerke in
der Dübener Heide ab und versuchten dort Hobel- und Sägespäne
zu holen.
Die Futterrüben mussten alle mit der Hand abgeschnitten
und ebenso mit Hand oder Gabel aufgeladen werden.
Im Herbst 1960 hatten wir viel Rüben auf Vorrat
abgeschnitten, als stärkerer Nachtfrost angesagt wurde. Da wir klaren Vollmond
hatten, wurden bis 22 Uhr Rüben geladen. Dann gingen wir alle in die 2 Linden uns
aßen auf Geschäftsunkosten eine Bockwurst.
Die Pflegearbeiten für die Rübenpflege wurden
später, aufgeteilt in Parzellen individuell vergeben. Als Anreiz wurde
zu der finanziellen Vergütung noch Weizen ausgeliefert.
Auch an das Erntefest 1961 kann ich mich erinnern. Nachmittags
feierten wir unser Kinderfest in der Gaststätte Wildgrube. Als wir am Abend
zum Gasthof "Zwei Linden" kamen, um unser Erntefest zu feiern, stand
auf dem Hof ein Übertragungswagen. Rolf Grigo vom Berliner Rundfunk war
mit ein paar Musikern und Sängern nach Friedrichstadt geraten.
Nach einem Interview mit mir gestalteten sie etwa eine
halbe Stunde das Programm. Ein paar Tage später wurden Interview und Programm
im Radio übertragen.
Auch alle Baumaßnahmen mussten über den Kreis
bilanziert werden. Wenn man Geld hatte und schwarz Material kaufen konnte, konnte
man auch schwarz bauen. Das ist auch der Grund dafür, dass viele Kabel
und Leitungen in der Erde liegen von denen heute niemand etwas weiß.
Über die Zeit in der LPG könnte man viel erzählen,
ich will aber nur über Dinge berichten, von denen sich heute schon viele
Menschen kein Bild mehr machen können.
Ich bekam damals 385,-- Mark ausgezahlt. Davon erhielt
die Frau 300,-- Mark für die Familie.
Da ich bei der Materialbeschaffung häufig Trinkgelder
gebe musste, reichte der Rest für mich natürlich nicht aus und ich
musste häufig Geld von meinem Privatkonto abheben.
Da unsere Milchproduktion schlecht war, bekamen wir auch
nur wenig Magermilch zurück. Diese brauchten wir für die Kälberaufzucht.
Da die Schweine mit Eiweißfuttermitteln vollkommen unterversorgt waren,
mussten Notlösungen gesucht werden.
Mit dem Vorsitzenden der LPG Apollensdorf fuhr ich damals
die Fischerreihäfen an der Ostseeküste ab, um Futterfisch zu
kaufen. Vergeblich.
Bei einem zweiten Versuch steckten wir im Fischereihafen
Saßnitz zwei Verantwortlichen je 20.-Mark zu. Wir waren mit dem Trabbi
noch gar nicht zu Hause, als in der LPG schon ein Telegramm vorlag, das den
Antransport von fünf Waggon Futterfisch ankündigte. Unter Zusatz von
Schwefelsäure verarbeiteten wir die Fische in der Apollensdorfer Siloanlage
zu Fischsilage.
So eine Aktion machten wir aber nur einmal, denn wir
hatten eine neue Quelle entdeckt.
Im Geflügelschlachthof Reinsdorf fielen bei der
Verarbeitung von gekochtem Geflügel große Mengen von Geflügelknochen
und Fleischabfällen an. Diese holten wir täglich ab, zerkleinerten
sie im Futtermuser und verfütterten sie an die Schweine. Das war ein ideales
Futter.
Die von der RTS übernommenen Traktoristen fuhren
zwar gern mit dem Traktor, aber von einer sauberen Feldwirtschaft hatten sie
wenig Ahnung. Um die Kartoffelpflege in den Griff zubekommen setzten wir 500,--
Mark Prämie aus. Den Wettstreit gewannen die Pferde.
Die Vergütung der Genossenschaftsmitglieder erfolgte
über Arbeitseinheiten. Für eine AE. garantierte der Staat 7,- Mark.
Davon wurden monatlich 5,- Mark als Vorschuss ausgezahlt. Wenn der
Plan erfüllt war gab es den Rest am Jahresende. Für jede von den Mitgliedern
geleisteten AE wurde im Herbst noch 1 kg Getreide und 2 kg Kartoffeln ausgeliefert.
Die AE wurden mit Hilfe des Normenkataloges errechnet
und von der Vollversammlung bestätigt. Es gab z. B. für 100 Liter
ermolkener Milch 1 AE. Dazu gehörten aber auch alle im Stall anfallenden
Futter- und Pflegearbeiten.
Wenn ein Traktorist im Monat vielleicht 60 AE verdient
hatte, bekam er 300,-- Mark minus 9 % SV. Da dieses für einen Arbeiter
ohne Hauswirtschaft (eigene Viehhaltung) sehr wenig Geld war, hatten uns die
MTS-Traktoristen bald wieder verlassen.
Etwas besser war die Situation der Genossenschaftsbauern
die Land eingebracht und eine individuelle Hauswirtschaft hatten. Sie konnten
sich Tiere für den Eigenverbrauch oder zum Verkauf halten. Jedem Mitglied
standen 0,25 ha Land für die Futterversorgung seines Viehes zu.
Die in die LPG eintretenden Betriebe mussten das für
ihre Flächen erforderliche Saatgut und 5oo Mark/ha Inventarbeitrag einbringen.
Dieses geschah in Form von Vieh, Geräten oder Bargeld. Dafür wurden
bei uns am Jahresende bis zu 8 ha je Hektar 25 Mark "Bodenanteile"
ausgezahlt.
Überzahlte
Inventarbeiträge wurden in späteren Jahren zurück gezaht, fehlende
wurden in
Raten von den Jahresendauszahlungen einbehalten.
Die Arbeitsmoral und Einsatzbereitschaft besonders der
älteren Mitglieder, war gut bis sehr gut.
Hierzu zwei Beispiele: Zur Futterversorgung der Rinderbestände
hatten wir eine
Futterkolonne. Das waren fünf Pferdegespanne mit
Kutscher und je zwei Pferdewagen. Da wir fast nur Sandboden und daher keinen
Futterbau hatten, musste das Grünfutter von den Elbwiesen geholt werden.
Da infolge der trockenen Witterung täglich große Wiesenflächen
abgemäht werden mussten und das z.T. in Entfernungen von 10 und mehr km,
kam es des öfteren vor, dass das Futter erst gegen 20.- Uhr bei den Ställen
ankam. Die Kühe waren längst gemolken, aber die Melker konnten nicht
nach Hause da sie auf das Futter warten mussten.
Oder: Die Futterrübenernte 1960. Die Frauen hatten
mehr Rüben abgeschnitten als abgefahren werden konnten als stärkere
Nachtfröste angesagt wurden.
Da wir Vollmond hatten, haben wir bis 22.00 Uhr Rüben
geladen. Alles mit der Hand, denn dazu hatten wir noch keine Technik.
Anschließend sind wir alle in die "Linden"
gegangen und haben auf Geschäftskosten eine Bockwurst gegessen.
Von der Heumahd 1960 habe ich noch ein paar Schmalfilmbilder.
Die Wiesen waren bunte blühende Flächen. Die damals auf den Elbwiesen
vorhandenen Klee- und Kräuterarten wurden durch die hohen Stickstoffgaben
restlos verdrängt.
Obwohl wir die besten Absichten hatten, haben wir aber
auch Mist gebaut.
Um gute Speisekartoffeln zu liefern, haben wir Spätkartoffeln
auf den Lehmböden in Bleesern angebaut. Als sie im Spätherbst geerntet
werden sollten, setzte eine Regenperiode ein.
Ernte und Abtransport waren eine Katastrophe.
Da zum Einmieten der Futterkartoffeln nicht genügend
Stroh vorhanden war, wurden Tag und Nacht Kartoffeln gedämpft und diese
auf kleine vorhandene Siloanlagen verteilt.
Da wir mit Technik unterbesetzt waren, mussten das pflügen
und
die Silomaisernte stets in Tag- und
Nachtschichten erledigt werden.
Das finanzielle Ergebnis des ersten Jahres sah schlecht
aus. Der AE-Wert stand bei 7,- Mark rot. Im zweiten Jahr wahren es 96 Pfennig plus und ich glaube
1962 lag das Ergebnis bei etwa 7.- Mark plus.
7,- M/AE waren zwar vom Staat garantiert und wurden bei
Planerfüllung auch ausgezahlt, aber bei niedrigeren Ergebnissen wurde die
LPG mit Krediten belastet, die später wieder zurückgezahlt werden
mussten.
In der Scheune und den Stallungen richten wir einen Stall
für Mastschweine mit dazugehörigem Futterraum ein.
Die Kühe wurden in sechs Ställe zusammengestellt.
Da unser Stall baulich und technisch am Besten eingerichtet war, kamen die Spitzenkühe
zu uns und wurden von meiner Frau betreut.
Da wir im Lug große Wiesenflächen besaßen
ging unser Bestreben dahin, dort einmal eine Weidewirtschaft aufzubauen.
Um den Plan der Weidewirtschaft verwirklichen zu können,
kauften wir 1962 das Betriebsgelände der ehemaligen Ziegelei Gödicke.
Zum Melken der Kühe wurden erst einmal die ehemaligen
Ziegeltrockenschuppen notdürftig hergerichtet. Schade, dass es davon keine
Bilder gibt.
Der Schornstein des Brennofens wurde durch unser Schnellkommando
umgelegt indem mit Hammer und Meisel in
Handarbeit der Unterbau weggestemmt wurde.
Alle Tbc-freien Kühe kamen zum Lug. Da diese Tiere
meist schon älter waren und ihnen die Umstellung nicht bekam, überlebten
von den Hochleistungstieren, die ja bisher im Stall besonders gepflegt worden
waren, nur wenige.
Die mit Tbc behafteten Tiere blieben bis zu ihrer Merkung
in den alten Ställen.
Aus baulicher Sicht, von kleinen Improvisationen abgesehen,
wurden 1960 und in den Folgejahren im Bereich der LPG Pionier folgende Gebäude
errichtet bzw. ausgebaut:
Neubau von einem Sauenstall auf dem Hof Müller,
Ausbau von Schweineställen auf den Höfen Frank
und Müller,
Ausbau von Kuhställen bei Hildebrand, O. Kase und
M. Kase.
Ausbau des Schweinestalls - Hof Müller
Aus - und Neubau des Schweinestalles - Hof Präger
Ausbau des Pferdestalles - Hof Präger
Neubau der Tabaktrockenanlage
Neubau der Bürobaracke
Neubau von Werkstatt, Garagen, Maschinenhalle
und dem Bergeraum auf dem Sieb.
Neubau der Geflügelbaracke an der Trockenanlage.
Zur Anzucht der Gemüse- und Tabakpflanzen wurden
der Trockenanlage ein kleines Gewächshaus und eine beheizbare
Pflanzenanzuchtsfläche zugeordnet.
Ausbau des Kuhstalles Neubert.
In der Elsterstraße wurden noch zwei Geflügelbaracken
errichtet.
Im Frühjahr 1961 begann der Kreisbaubetrieb mit
dem Bau der Tabaktrockenanlage. Hier währe es fast zu einem schweren Zwischenfall
gekommen. Durch Zufall entdeckten wir in den für die Bauarbeiter zur Beheizung
des Wohnwagens angefahrenen Briketts 4 scharfe Handgranaten der gleichen Art,
wie ich sie vor Jahren bei mir im Schweinestall gefunden hatte.
Die Anlage war noch gar nicht fertig, da war sie vom
technischen Entwicklungsstand schon überholt.
Das Heizhaus war für schmiedeeiserne Heizkessel
gebaut worden die zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr hergestellt wurden. Wir
bekamen dafür größere Gliederheizkessel die sich in dem falsch
gebauten Heizhaus nur schwer und Umständlich beschicken ließen.
Obwohl unsere Trocknung noch nicht fertig war bauten
wir in größerem Umfang Tabak an. Bevor wir mit der Trocknung beginnen
konnten, brachten wir unser Grünblatt in andere Trocknungen.
In diesem Jahr trat in der DDR im großen Umfang
eine Pilzkrankheit, der Blauschimmel auf. Wir mussten den Tabak trotzdem ernten
und nach Bad Düben bringen. Dort wurde er vernichtet. Den Schaden ersetzte
die Versicherung.
Da wir bei der Tabakpflanzung Probleme mit anhaltender
Trockenheit hatten, begannen wir mit dem Aufbau einer Feldberegnung.
Da wir uns auf Weidebetrieb umstellen wollten, mussten wir auch die
Elbwiesen beregnen.
Es gelang uns,
von der LPG Treuenbrietzen eine gebrauchte Regenanlage zu kaufen. Sie bestand
aus einem fahrbaren Dieselaggregat mit
einer Leistung von 100cbm/h, vier Schlagregnern und einer großen Anzahl
von Schnellkupplungsrohren.
Zur Bezahlung
ging die Rechnung zur Bauernbank. Dort stellte man fest, dass die LPG Treuenbrietzen
diese Anlage aus staatlichen Fördermitteln erhalten hatte. Daher brauchten
wir sie nicht bezahlen und die LPG Treuenbrietzen bekam kein Geld.
Die Heuernte
1961 war mit großen Schwierigkeiten verbunden.
Ein seit längeren
Jahren erstmalig wieder auftretendes Hochwasser machte uns die Abfuhr des Heus
von den Probsteiwiesen nur unter extremen Schwierigkeiten möglich.
Bei anhaltend
strömenden Regen wurden in Hohndorf die Wiesen gemäht das Gras aufgeladen,
abgefahren und im Raum Wittenberg auf geeigneten Flächen zum Trocknen ausgebreitet.
In Eimern holte ich aus Gäbelts Gaststätte heiße Würstchen
um die Leute bei Stimmung zu halten.
Im Sommer 1961 wurde mir von der SED-Kreisleitung ein
Assistent zugeteilt. Statutengemäß wurden im Winter 61/62 Neuwahlen
durchgeführt. Ich kandidierte nicht wieder.
Der Assistent wurde in freier und geheimer Wahl zum Vorsitzenden
gewählt.
Ich wurde Traktorist und nach Fertigstellung der Tabaktrockenanlage
stellvertretender
Anlagenleiter.
Nach einem Jahr der Arbeit mit dem neuen Vorsitzenden
hatten wir einen ganz tollen Jahresabschluss. Der Wert der AE lag über
12.- Mark/AE.
Für diese große Leistung
wurden der Vorsitzende und der Agronom in die wirtschaftsschwache LPG Rackith
umgesetzt, um dort auch einen solchen Durchbruch zu schaffen.
Dafür erhielten sie vom Staat unabhängig vom
Wert der tatsächlich erarbeiteten AE personengebunden 15.- Mark/AE.
Die Freude der "Pioniere" über das gute
Ergebnis sollte nicht lange andauern.
Wir erhielten vom Kreis einen neuen Vorsitzenden und
einen neuen Agronomen.
Bei der Überprüfung der Viehbestände stellte
der neue Agronom erhebliche Inventurdifferenzen fest.
Nach einer Überprüfung durch die Bauernbank
mussten ca. 92 000.- Kredit aufgenommen werden, um die zuviel erhaltenen Lohngelder
zurückzuzahlen.
Für die Viehwirtschaft war das Jahr 1965 ein Katastrophenjahr.
Vom Frühjahr bis zum Herbst standen die Elbwiesen unter Wasser und wir
hatten keinerlei Grünfutter.
Vom Staat gelenkt, brachten wir unsere Jungrinder in
den Harz, wo sie auf Waldwiesen stationiert wurden.
Für die Kühe kauften wir Silagen, die aus dem
Saalkreis und noch weiteren Entfernungen antransportiert werden mussten.
Diese Transporte übernahmen zum großen Teil
Fahrzeuge der in Wittenberg stationierten Roten Armee.
Etwa Mitte der 60er Jahre brach in dem hinter unserem
Haus gelegenen Schweinestall die Schweinepest aus. Dieser Stall wurde von meiner
Frau betreut.
Zum Zeitpunkt der Feststellung dieser Seuche hatte ich
gerade Dienst in der Trockenanlage.
Bis zur erfolgten Abschlussinfektion nach reichlich 8
Tagen, durfte ich nicht nach Hause. Ich musste in der Trockenanlage schlafen,
das Essen wurde mir durchs Fenster gereicht.
In der Zeit in der ich als Traktorist arbeitete, fuhr
ich stets einen Geräteträger.
Im Sommer waren die Hauptarbeiten Kartoffel - und Rübenpflege,
Wiesenmahd und Weidepflege, ebenso das Roden der Frühkartoffeln und das
Ausbringen von Ammoniakwasser.
Das Ammoniakwasser holten wir vom Stickstoffwerk Piesteritz.
Es war ein dort anfallendes nicht kontingentiertes stickstoffhaltiges Nebenprodukt.
In umfangreichen Versuchen entwickelten wir die für die Ausbringung erforderliche
Technik.
Die Ausbringung des Ammoniakwassers in der LPG Pionier
war daher auch das Thema meiner Prüfungsarbeit zum "staatlich geprüften
Landwirt".
Als 1967 der Prager Frühling die Welt bewegte, arbeite
ich auf einem Kartoffelschlag vor der Flakkaserne. Ich sah wie die Panzer feldmarschmäßig
ausgerüstet in Richtung Antoniusmühle die Kaserne verließen.
Die Russenfrauen standen mit den Kindern weinend an der
Straße und winkten. Man konnte ahnen, was dieses bedeutete.
In den Wintermonaten war ich auch mehrmals in der Kuhstallanlage
"Lug" eingesetzt.
In zwei Wintern hatte ich Arbeit in der Trockenanlage.
Der Gemüsegroßhandel hatte grüne Bananen bekommen, die hier
nachgereift werden mussten. Leider esse ich keine Bananen.
Mitte der 60er Jahre, wir hatten auch einen kalten Winter,
hatte ich mal einen Zahnarzttermin. Als ich nach langer Wartezeit wieder
auf die Straße trat, wurde ich von drei durchgefrorenen Stasibeamten empfangen,
die mich zum Kreispolizeiamt brachten.
Dort verbrachte ich ca. 5 Stunden im Kreuzverhör.
Ich war erstaunt wie dick meine dortige Akte war. Sie wussten sehr viel über
mich und meine westlichen Bekanntschaften. Sie wussten von wem ich Westpost
bekam und was in den Briefen gestanden hatte. Sie gingen aber auch auf Dummenfang
und wollten mir Dinge unterjubeln, mit denen ich wirklich nichts zu tun hatte.
Ich durfte die Dienststelle erst dann verlassen, nachdem
ich unterschrieben hatte darüber mit niemanden, auch nicht in der Familie,
zu reden.
Jetzt begann für mich ein Grübeln. Es konnte
nur jemand aus unserem kleinen Büro sein, welche der Stasi meinen Zahnarzttermin
mitgeteilt hatte. Wem durfte man noch trauen?
Heute nach dem die Einsicht in die mehrere 100 Seiten
umfassende
Stasiakten möglich geworden ist,
weiß ich es. Es waren der Vorsitzende und eine "gute Kollegin"
und Schulfreundin meiner Frau.
Da ich in meiner Hauswirtschaft privat schon Erfahrungen
in der Broilermast gesammelt hatte, wurde mir nach meinem Fachschulabschluss
der Aufbau der Broilerproduktion in der
Genossenschaft übertragen.
Durch den Zusammenschluss mit der LPG Wiesigk erhielten
wir dort noch mehrere Geflügelställe. Auch einige leer stehenden Kuh-
und Schweineställe wurden für die Broilerproduktion eingerichtet.
In den ersten Jahren war es problematisch gute Broilerküken
zu beschaffen.
Bis zum späteren Bau von zwei Aluhallen produzierten
wir jährlich unter primitivsten Bedingungen ca. 120 t Broilerfleisch in
folgenden Ställen:
Kuhstall M. Kase Trajuhn, Schweinestall Kaul, Pferdestall
Präger, Geflügelstall Präger, den Geflügelställen Antoniussohn,
den Geflügelställen in Wiesigk, dem Kuhstall Schulze in Wiesigk und
in der tabakfreien Zeit in der Trockenanlage und dem Gewächshaus.
Die Fütterung in diesen Altbaustellen war primitiv
und schwer. Als Futtertröge wurden 100er Profileisen verwendet.
Das Futter musste von den Frauen in Eimern aus der Futterkammer
geholt werden. Das waren teilweise Entfernungen von über 25 Meter.
In diesen alten Ställen wurden etwa 18 Tiere/qm
aufgezogen.
Die Futterverluste und damit der Futterverbrauch waren
hoch. Für Futtereinsparungen zahlten wir Prämien.
Die Wasserversorgung erfolgte in Durchlauftränken.
Die Ställe wurden anfangs mit elektrischen Heizgebläsen
und später mit Dieselheizgeräten und elektrischen Schirmglucken beheizt.
Das Futter wurde in 50 kg-Säcken angeliefert. Eine
Lieferung bestand immer aus 10 Tonnen. Als verantwortlicher Brigadier musste
ich das Futter oft allein abladen. Einmal kamen nach Feierabend noch 20 Tonnen
und ich war allein. Damals fühlte man sich noch stark und war stolz auf
das was man leisten konnte. Ich denke aber jetzt, es waren auch die Ursachen
für meine folgenden Hüftprobleme mit nachfolgender Operation.
1972 kam es in Wiesigk zu einem Brand bei dem eine Baracke
mit den darin befindlichen Broilern abbrannte. Ich musste 300,-- Mark Geldstrafe
zahlen.
Zwei Jahre später bekam ich ein Schreiben vom Generalstaatsanwalt
der DDR, in dem man mir mitteilte, dass meine Vorstrafe getilgt sei und ich
nicht mehr als "Vorbestraft"" gelte. Bis zu diesem Zeitpunkt
hatte ich von dieser Vorstrafe gar nichts gewusst.
Etwa 1970 vereinigten sich die LPG Pionier mit der LPG
Wiesigk. Der Wiesigker LPG-Vorsitzende wurde unser Parteisekretär.
Da aber diese Tätigkeit für ein hohes Gehalt allein nicht ausreichte,
übernahm er noch die Geflügelproduktion und ich ging als Viehpfleger
in die Broilerproduktion zurück. Es ging nicht lange gut.
Durch fehlenden Sachverstand des Parteisekretärs
erlitten unsere Bestände sehr hohe Verluste. Ich wurde wieder Brigadier
und der Genosse bekam von der Partei in einem staatlichen Betrieb einen Posten
übertragen.
Mit der LPG Wiesigk wurde uns auch die Außenstelle
Antoniusmühle des Jugendwerkhofes angeschlossen. Je nach Belegung hatten
wir etwa 15 Jugendliche einzusetzen und auszubilden. Da ich dafür verantwortlich
wurde, bekam ich einen Eindruck über das Leben in einem Jugendwerkhof.
Die soziale Herkunft der Jugendlichen war unterschiedlich.
Sie kamen aus zerrütteten Familien ebenso wie von Eltern hochrangiger Funktionäre,
die für die Erziehung ihrer Kinder keine Zeit hatten.
Einzelne der Jungen konnte man als schwer kriminell bezeichnen,
andere waren zunächst harmlos aber in der Zeit ihres Aufenthaltes wurden
viele zu Profis.
Von Erfolgen der Erziehungsmaßnahmen seitens des
Werkhofes war wenig zu erkennen. Ausbrüche, Einbrüche und Diebstähle
waren an der Tagesordnung. Angst oder Respekt vor den Strafmaßnamen des
Werkhofes hatten die Jugendlichen nicht. Einzig und allein vor dem "Geschlossenen
Werkhof" in Torgau hatten sie Respekt.
Einmal sollten nach der Mittagspause von 2 Werkhofjungen
Baumaterialien aufgeladen werden. Der verantwortliche Brigadier war aber noch
nicht da und wir hatten keinen Schlüssel für das Vorhängeschloss.
Daraufhin sagte der Vorsitzende spaßhaft zu den Jugendlichen: "Nun
zeigt doch einmal was ihr könnt". Einer der Beiden fragte noch einmal
zurück: "Soll ich wirklich ?" Als der Vorsitzende Ja sagte, drehte
er uns den Rücken zu und stellte sich vor das Schloss. Nach wenigen Sekunden
drückte er dem Vorsitzenden das geöffnete Schloss in die Hand.
Ich denke oft daran wenn viele unserer Politiker, Beamten
und Journalisten von unserem Rechtsstaat reden. Ehe sie den Mund aufreißen,
sollten sie mal ein Jahr an der Basis im dortigen Umfeld arbeiten. Dann bekämen wir vielleicht
mal Gesetze mit denen man die Kriminellen nicht laufen lässt, anstatt einzusperren,
und erspart den Polizisten. denen mal die Hand ausgerutscht ist, ein Strafverfahren.
Etwa 1972 kam auch die LPG Typ I Friedrichstadt zu uns.
In der Jahresabschlussversammlung 1972/73 gab einen großen
Tumult. Man wollte den bisherigen Vorsitzenden nicht mehr.
In einer zweiten Auszählung war er zwar bei einer
großen Anzahl von Stimmenthaltungen mit knapper Mehrheit gewählt
worden die Partei hatte aber begriffen und löste ihn ab.
In unserer Genossenschaft wurden damals Vorsitzender,
Produktionsleiter, Parteisekretärin, Hauptbuchhalterin und die Finanzbuchhalterin
neu eingesetzt.
Da die DDR-Landwirtschaftspolitik die LPGen zu riesigen
Landwirtschaftsbetrieben ausbauen wollte, wurden 1974 die landwirtschaftlichen
Flächen der Betriebe des Raumes Friedrichstadt/Trajuhn, Euper/Abtsdorf,
Woltersdorf, Bülzig, Zörnigall, Külso, Dietrichsdorf, Gallin
und Mühlanger zur "Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion Mühlanger"
zusammengeschlossen. Diese KAP umfasste etwa 3500 ha LN.
Aus den angeführten Betrieben entstand im nächsten
Jahr die LPG-Tierproduktion Mühlanger und die KAP schloss sich mit dem
Bereich Zahna zur "LPG Pflanzenproduktion Zahna" zusammen. Diese
besaß über 7000 ha LN.
1976 wurde der Gemüseanbau aus der LPG Pionier ausgegliedert
und von der "LPG Elbaue-Gemüse" übernommen.
Die LPG Mühlanger war aus folgenden früheren
LPGen entstanden: Typ I Friedrichstadt, Typ III Pionier Friedrichstadt, Typ
I Labetz, Typ I Wiesigk, Typ III Wiesigk, Typ III Euper/Abtsdorf, Typ I Woltersdorf,
Typ I Büzig, Typ III Bülzig, Typ I Zörnigall, Typ III Zörnigall,
Typ I Külso, Typ III Külso, Typ I Dietrichsdorf, Typ III Dietrichsdorf,
Typ I Gallin, Typ I Mühlanger und Typ III Mühlanger.
Kader der oberen Leitungsebene wurden unter Einwirkung
von Partei und Kreisverwaltung des öfteren ergänzt oder ausgewechselt.
In dieser LPG Tierproduktion war ich zunächst verantwortlich
für die Produktion von 300 t Broilerfleisch, die Haltung von 6-8000 Serumgänsen,
für die Schafherden in Woltersdorf und Teuchel, sowie für den Einsatz
der Jugendlichen des Jugendwerkhofes.
Als Dienstfahrzeug hatte ich einen Pkw Trabant. Mein
Einsatzgebiet war über das ganze Territorium verteilt.
Um in meinem Verantwortungsbereich alle Objekte abzufahren,
brauchte ich etwa 60 km. Als mit der ersten Ölkrise das Benzin knapp wurde,
musste ich mit dem Moped oder Fahrrad fahren. Da kam man oft mehrere Tage nicht
zu den entfernteren Ställen. Als Vergütung erhielt 65 AE mit dem Wert
von 13,- Mark minus 9 % SV = 760,-Mark.
Da die Broilerproduktion ein sehr lukrativer Betriebszweig
war, aber die Produktionsbedingungen in den primitiven Altbauställen miserabel
waren, versuchten wir mit allen Mitteln für die Geflügelproduktion
moderne Aluhallen einschließlich Ausrüstung zu erhalten
Wir wollten im Bereich Wiesigk acht dieser Hallen aufbauen,
um damit pro Jahr rund 1000 t Broiler
produzieren zu können. Da kam Ende der 70er Jahre die erste Ölkrise.
Wir hatten gerade zwei Hallen aufgebaut. Ab diesem Zeitpunkt gab es auch große
Probleme mit der Futterzuführung und wir erweiterten die Anlage nicht mehr.
Eine dritte Halle die wir schon eingelagert hatten wurde
nicht mehr aufgebaut und das Material anderweitig verwertet. In solchen Situationen
erkannte man die Unterschiede, ob ein Bauer mit seinem Betrieb hinter solchen
Entscheidung stand, oder der eingesetzte Parteifunktionär, der nichts zu
verlieren hatte.
Die Beheizung der Broilerhallen erfolgte mit Heißluftöfen.
Es sollte zwar nur eine Übergangslösung sein aber die Öfen
blieben bis zum Ende. Sie hatten große Nachteile.
Bei der Verwendung hochwertiger Brennstoffe brannten
die Wärmeaustauscher durch und es bestand eine große Brandgefahr.
Bei der Verwendung salzhaltiger Rohkohle hielten die
Wärmeaustauscher auch nicht lange und Briketts waren kaum zu bekommen.
Viele Kisten Broiler mussten wir mit nach Dresden bringen, um Ersatz für
die notwendigen Wärmeaustauscher zu bekommen.
Die Öfen mussten rund um die Uhr beheizt werden
und man musste ständig "Nachtheizer" haben. Dort habe ich auch
so manche Nachtschicht gemacht.
Einige Zeit hatten wir einen jungen Mann aus der Katharinenstraße
als Heizer. Da er einen Ausreiseantrag gestellt hatte, bekam er woanders keine
Arbeit, wurde vom Staat bedrängt und nahm sich das Leben.
An den Tagen der Ablieferung mussten die ersten Broilerfuhren
schon gegen 4 Uhr in Reinsdorf sein. Daher wurden sie schon am Abend zuvor geladen
und dann in Durchfahrten oder in der offenen Lagerhalle in Wiesigk untergestellt.
Einmal hatten wir nachts einen Kälteeinbruch mit
nassem Schneetreiben. Bei den äußeren Kisten der in der offenen Halle
untergestellten Hänger waren viele Broiler erfroren.
Ende August 1977 gab es eine extreme Hochwassersituation.
Innerhalb weniger Stunden stieg die Elbe so stark an, dass wir unsere auf den
Elbwiesen weidenden Jungviehherden nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten.
Im Fleischerwerder gelang es uns unter großem Aufwand
gerade so. Während wir noch bei den Rettungsarbeiten waren, konnten wir
beobachten wie große Rudel Rehe versuchten, vom Probsteiwald kommend,
schwimmend in Richtung Pratau den Elbdamm zu erreichen. Viele bäumten sich
noch einmal auf, um dann für immer unterzutauchen.
Die Herde vom Fleischerwerder evakuierten wir auf eine
Wiesenfläche der LPG Dabrun hinter dem Elbdamm.
In Gallin war uns das nicht möglich. Hier war das
Jungvieh auf der Insel stationiert und hätte mit der Elbfähre auf
das Festland transportiert werden müssen.
Es gelang uns aber die Tiere durch das Wasser zu einer
bewaldeten Erhöhung zu treiben. Dort hatten sie zwar trockenen Boden unter
den Füßen aber nichts zu fressen.
Auf dieser "Insel" wurde ein Wachtdienst eingerichtet.
Bis zum Rückgang des Hochwassers mussten jeweils zwei Leitungskader Tag
und Nacht vier Stunden Wache halten
Die Ablösung besorgte der Fährmann mit einem
Motorkahn. Auch die Tierärztin wurde täglich auf diese Weise zu den
Tieren transportiert.
Wir hatten Glück, nämlich ein schönes
warmes Sommerwetter. Trotzdem hatte ich für alle Fälle und für
die Nacht eines meiner Campingzelte aufgebaut.
Die Futterversorgung, es mögen 80-100 Tiere gewesen
sein, erledigte der Fährmann mit seinem Kahn. Als Futter bekamen die Jungrinder
Strohpellets und Heu. Erst als der Fährbetrieb wieder möglich
war, konnten wir die Tiere nach Hause holen.
Ich erwähnte eben die Strohpellets. Auch das war
eine sozialistische Errungenschaft. Sie sollten dazu dienen die ungenügende
Eiweißversorgung der Rinder aufzubessern.
Stroh wurde durch große Hammermühlen gejagt,
Harnstoff zugesetzt und zu Pellets gepresst. Da wir keine anderen Eiweißfuttermittel
hatten, sollte dieses unsere Wunderwaffe sein.
Unser Viehbestände betrugen durchschnittlich:
etwa 2000 Rinder, davon ca. 1320 Kühe
3500 Schweine,
davon ca. 350 Sauen
2 Hammelherden mit ca. 300 Tieren
2 x 20 000 + 1
x 5000 Broiler
pro Jahr bis 8 000 Gänse
Die Kühe waren in den Ställen Lug, MVA Hohndorf,
Gallin, Külso und Bülzig untergebracht.
Die Durchschnittsleistungen bei 3,5 % Fettgehalt schwankten
zwischen 3- und 5 000 Liter. Unser Sorgenkind war dabei immer die MVA Hohndorf.
Es war eine "industriemäßige Anlage" für 500 Kühe.
Ihre durchschnittliche Milchleistung kam kaum über 3 000 Liter hinaus.
Hier wurde in Tag- und Nachtschicht gearbeitet. Die Nachtschicht war oft sehr
früh mit der Arbeit fertig. Das Resultat lässt sich erahnen.
Auch ein optimaler Kraftfuttereinsatz konnte die Ergebnisse
nicht verbessern. Trotz der Bezeichnung "industrielle Anlage" war
die Ausrüstung nach meinem Kenntnistand primitiv.
Bei Fachexkursionen in die Slowakei konnte ich dort Anlagen
gleicher Größe besichtigen, die uns nur blas werden ließen.
Die überschaubare Anlage Gallin die von Hermann
Kubat, einem hervorragenden Fachmann geleitet wurde, brachte ständig 4
- 5000 Liter je Kuh.
Außer dem Stall in Bülzig, dort war eine auslaufende
Herde stationiert, wurden alle Rinder geweidet.
Die Dietrichsdorfer Herde weidete auf den Zahnawiesen
und alle anderen einschließlich dem Jungvieh auf den Elbwiesen. Kälberställe
befanden sich in Dietrichsdorf und Labetz. Die Kälber wurden zum großen
Teil verkauft. Die weiblichen Kälber gingen in die Kälberaufzuchtanlage
Merschwitz und die Bullenkälber an verschiedene Mastbetriebe.
Die Jungrinder waren im Sommer auf der Weide im Baumgarten.
Im Winter wurden sie in Abtsdorf eingestallt.
Die für die Reproduktion erforderlichen Tiere wurden
als hochtragende Färsen zurückgekauft.
Die Rindfleischproduktion (Schlachtkühe und Märzungen)
brachten infolge Futter- und anderer Probleme nur ungenügende Schlachtgewichte.
Das Ablieferungsgewicht der Kühe wurde mit 450 kg geplant, aber oft lag
es darunter.
Sauenställe befanden sich in Dietrichsdorf, Gallin,
Wiesigk, Bülzig und Trajuhn, Läuferställe in Trajuhn, Woltersdorf,
Bülzig und Mastställe in Zörnigall, Dietrichsdorf und Friedrichstadt.
In den Sommermonaten wurden oft in der "Waldmast"
in Hohndorf und Abtsdorf zusätzlich Tiere gemästet. Die Baumbestände
dieser Anlagen waren in kurzer Zeit abgestorben.
Die Arbeit in den Schweineställen war mehr oder
weniger beschwerlich, da ihr Ausrüstungsstand überwiegend als primitiv
zu bezeichnen war. Die Futterrationen mussten oft mit Grünfutter oder Maissilage
gestreckt werden.
Die beiden Herden waren in Teuchel und Woltersdorf in
Scheunen untergebracht. Hier gab es eigentlich wenig Ärger. Den hatten
wir dafür mit den Schafscherern zur Genüge. Da sie knapp waren, fühlten
sie sich wie Könige und stellten die unwahrscheinlichsten Forderungen.
So kam es z. B. vor, dass sie einen Eimer Wasser nebst
Tauchsieder verlangten, um das Bier richtig temperieren zu können.
Nachdem wir in Wiesigk die zwei Hallen errichtet hatten,
konnten wir nach und nach die Primitivställe auslaufen lassen. Nur in Trajuhn
wurde noch länger produziert.
Je Halle (880 qm) wurden 20000 bis 25000 Küken eingestellt.
Die Mastzeit betrug knapp 8 Wochen und das Durchschnittsgewicht lag zwischen
1,6 und 1,8 kg. Obwohl wir die westdeutschen Leistungsergebnisse bei weitem
nicht erreichen konnten, war es doch neben der Läuferproduktion unser rentabelster
Betriebszweig. Trotzdem wurden die Broiler nach der Währungsunion als Erstes
liquidiert.
Anfang Juli 1990 standen 40 000 Tiere zur Schlachtung
bereit und niemand wollte für Westgeld noch Ostbroiler kaufen. Wir bekamen
sie zwar geschlachtet, mußten sie aber selbst absetzen. In Kaufhallen
und Betriebsküchen verschleuderten wir sie für Trinkgelder.
Um die Futtergrundlage der Schweinehaltung aufzubessern,
hielten wir einige Jahre auch Gänse. Wir kauften z.B. beim VEG Ballenstädt
schlachtreife Mastgänse und brachten sie auf unsere Gänseweide nach
Prühlitz. Dort wurden sie auf den Elbwiesen geweidet, in
Abständen 2x geimpft und dann zur Serumschlachtung
nach Reinsdorf gebracht.
Wir waren der einzige Betrieb in der DDR, in dem diese
Serumproduktion durchgeführt wurde. Dafür bekamen wir mehrere hundert
Tonnen Gänsemastfutter. Da sich die Gänse bei uns überwiegend
von Gras ernähren mußten, konnte ein großer Teil des Gänsefutters
bei den Schweinen eingesetzt werden.
Hier müssen wir unterscheiden zwischen Zentralen-
und Brigadeveranstaltungen. Von der Leitung wurde das Erntefest organisiert.
Ebenso die Prämienreisen und die Rentnerveranstaltungen.
Laut Produktionsplan mußte jede LPG jährlich
eine bestimmte Summe dem Prämienfond zuführen.
Von diesen Geldern wurden die sogenannte "Prämienreisen"
finanziert. Dabei gab es in der Wertigkeit zwei Gruppen.
Die LPGen mußten jährlich eine vorgegebene
Anzahl von Reisen abnehmen, die der Kreis in die SU gebucht hatte. Das waren
Sammeltransporte auf Kreisebene. Dieses waren natürlich die Reisen der
I. Klasse.
Unser Betrieb bzw. die Kooperation vergab auch noch Gruppenreisen
über das Reisebüro in die CSSR. Diese Gruppenreisen wurden von mir
gemeinsam mit dem Reisebüro vorbereitet.
Ich plante Ziel und Programm und das Reisebüro organisierte
die Fahrt, Unterkunft und Verpflegung.
Meine Zielorte und das Programm ergaben sich immer aus
den im Sommer beim Camping gemachten Erfahrungen.
Dabei mußte ich auch DDRspezifische Erfahrungen
machen. Ich hatte beim Reisebüro Wittenberg etwa 6 Monate vor dem geplanten
Termin eine Reise nach Bratislava bestellt und erhielt dann kurzfristig eine
Absage. Darauf fuhr ich zum Reisebüro Dessau und trug meine Wünsche
vor.
In meinem Beisein rief man die Zentrale in Berlin an
und in 15 Minuten war alles, für beide Seiten zur Zufriedenheit, geregelt.
Ab diesem Zeitpunkt arbeitete ich nur noch mit dem Dessauer
Reisebüro zusammen. Dort sagte man mir einmal: "Mit ihnen möchten
wir auch mal reisen, sie suchen sich überall nur die Rosinen raus. Wir
müssen in unseren Angeboten auch die Krümel verkaufen."
Im Winter 1973/74 erlebten wir sehr schöne Tage
in der Hohen und in der Niederen Tatra. Auf dem Chopok war alles mit einer dicken
Rauhreifschicht überzogen. Selbst unsere tschechische Reiseleiterin sagte
uns, so etwas im Winter noch nicht gesehen zu haben.
Bei Strbske Pleso sahen wir die Reste einer gewaltigen
Lawine, die ein paar Tage vorher eine Schulklasse unter sich begraben hatte.
Als wir dort waren, befanden sich noch Opfer unter den Schneemassen.
Wenige Meter vom Hotel entfernt, unmittelbar neben der
Straße, war die ganze Schulklasse von ihr verschüttet worden. Nur
ein Junge hatte es überlebt. Er hatte Ärger mit seinen Schnürsenkeln
und war dadurch etwas zurückgeblieben.
Als Budweis auf dem Reiseplan stand, konnte ich nicht
gleichzeitig genügend Hotelbetten bekommen. Also teilten wir die Gruppe.
Ich fuhr mit der ersten Gruppe im Zug nach Budweis, erledigte
das Programm und brachte die Gruppe zur Rückkehr nach Tabor zum Bahnhof.
Dort erwartete ich die zweite Gruppe, die kurze Zeit später mit dem Vorsitzenden
in Tabor ankam. In den nächsten Tagen absolvierten wir noch einmal das
gleiche das Programm.
Die Kulturkommission organisierte jährlich für
die Rentner im Sommer einen Kaffeenachmittag und im Dezember die Rentnerweihnachtfeier.
Von den an die Brigaden vergebenen Prämiengeldern
behielten diese immer einen Teil zurück und finanzierten damit Brigadeveranstaltungen,
gemeinsame Theaterbesuche oder Busfahrten.
Die Geflügelbrigade veranstaltete z.B. mehrmals
im Herbst bei Schmidts in Dietrichsdorf ein Gänsebratenessen.
Alle Mitglieder hatten entsprechend der gesetzlichen
Bestimmungen einen Anspruch auf Urlaub. Dieser mußte rechtzeitig
angemeldet werden. Überschneidungen in einzelnen Bereichen wurden durch
die Ferienkommission bereinigt, ebenso steuerte sie die Belegung der betriebseigenen
Ferienobjekte. Die LPG besaß auf der Insel Rügen in Altefähr
einen Wohnwagen, in Ferch bei Potsdam und in Herrenhof in Thüringen je
einen Bungalow. In jedem der Objekte konnten gleichzeitig zwei Familien für
ein geringes Entgeld Urlaub machen.
Es gab auch Austauschmöglichkeiten mit den anderen
Betrieben des Bereiches Zahna.
Partnerschaftliche Beziehungen mit Geossenschaften in
der CSSR ermöglichten es uns auch in dortigen Ferienhäusern Urlaub
zu machen. Jährlich fanden auch gegenseitige Busbesuche statt.
Wie schon erwähnt, wurde der ganze Nordostteil des
Kreises Wittenberg von einer LPG, der LPG Planzenproduktion Zahna bewirtschaftet.
Diese war unser Vertragspartner. Von ihr mußten wir unsere gesamtes
Grundfutter kaufen. Das produzierte Futter wurde nach einem Schlüssel
unter den Tierproduktionsbetrieben verteilt.
Ich denke die LPG Pflanzenproduktion war aus Sicht der
DDR betrachtet ein moderner schlagkräftiger Großbetrieb. Die zwischenbetrieblichen
Probleme zwischen den Tierproduktionsbetrieben und der Pflanzenproduktion
wurden im Kooperationsrat geregelt. Hier waren alle Betriebe vertreten. Trotzdem
saß, aus meiner Sicht gesehen, die Pflanzenproduktion am längeren
Hebel.
Über den Preis und die Qualität des an uns
verkauften Futters gab es oft Meinungsverschiedenheiten.
Trotzdem möchte ich die Zusammenarbeit als gut bezeichnen.
Die Leitung und Verwaltung unserer LPG bestand aus über
20 Männer und Frauen.
Durch Kontakte, die ich im Winter 1989/90 knüpfen
konnte war es uns möglich, Bodenuntersuchungen von unseren Überschwemmungsflächen
an der Elbe in Westdeutschland durchführen zu lassen.
Wir hatten vermutet, daß die stark verunreinigte
Elbe bei Hochwasser viele Schadstoffe im Boden hinterlassen hätte und wir
beim Überweiden dieser Flächen Qualitätsprobleme mit der Milch
bekommen könnten. Zum Glück war es nicht so.
Seit Anfang der 60er Jahre war ich Mitglied der AWIG.
In Fachvorträgen und Fachexkursionen konnte man
sein Wissen erweitern. Ich war Mitglied des AWIG-Kreisvorstandes und zeitweilig
Vorsitzender der AWIG -Betriebsgruppe in Mühlanger.
Etwa 1977 war ich zu einer Bezirksversammlung nach Biendorf
eingeladen worden. Dort wurden Fachvorträge gehalten und über die
weitere Arbeit diskutiert. Es wurde auch auf eine Fachexkursion nach Ungarn
orientiert.
Damals bestanden schon Partnerschaftsbeziehungen der
AWIG zu Ungarn. In der Diskussion machte ich den Vorschlag diese Fachexkursionen
auch auf die CSSR auszudehnen.
In einer Pause sprach mich Dr. Spengler, 2. Vorsitzender
des Bezirksvorstandes Halle und Direktor des VEG Memleben an, was ich hierzu
für Vorstellungen hätte und ob ich evtl. bereit wäre hierbei
mitzuarbeiten.
Mein Vorschlag wurde aufgegriffen, ich in die Arbeitsgruppe
"Internationale Arbeit" berufen und für 1978 mit der Organisation
und Durchführung einer Fachexkursion in die CSSR beauftragt.
Die Universität Halle und die Hochschule Nitra waren
Partner und deshalb auch im Mai 1978 mein Anlaufpunkt. Mit Unterstützung
der Hochschule in Nitra wurden erste Fäden zu landwirtschaftlichen Betrieben
und zu dem Agrotrust Agrokomplex - AX geknüpft.
Ich flog nach Bratislava, übernachtete im Hotel
Devin und wurde am nächsten Tag von einem
Auto der Hochschule Nitra abgeholt.
Zuerst brachte man mich zu Professor Hrmo. Er war Ökonom
und sprach sehr gut deutsch. Als wir in seinem Büro zusammen saßen,
kamen erst mal eine Flasche und zwei Gläser auf den Tisch und er machte
mir klar, daß in der Slowakei etwas Neues mit Alkohol begossen werden
muß, daß man auf einem Bein nicht stehen kann, und wenn man auf
zwei Beinen steht auch eine Mütze braucht.
Zwischendurch unterhielten wir uns über die Gestaltung
der kommenden Zusammenarbeit. Ich möchte hierzu noch bemerken, daß
die bei uns gebräuchlichen Gläser wesentlich kleiner als die dortigen
sind. Anschließend stellte er mich dem Rektor vor. Auch dort begann man
mit "etwas Neuem", nur war das Getränk nicht Slivoviz sondern
Wein, und es gab dazu belegte Brote.
Es war hart für mich, denn seit der Jessener Hochzeit
1949 hatte ich kaum Schnaps getrunken. Man kan schon vorausschauend sagen, daß
es in den kommenden Jahren der Zusammenarbeit viele schöne und auch "harte"
Situationen gab.
In dieser ersten Besprechung legten wir fest, daß
in Zukunft alljährlich im August ein Bus aus dem Bezirk Halle zu der slowakischen
Landwirtschaftsausstellung AGROKOMPLEX
kommen sollte.
Für die Übernachtungen stellte die Hochschule
ihr Studentenwohnheim zur Verfügung. Von Nitra als Ausgangspunkt sollten
dann an mehreren Tagen Landwirtschaftsbetriebe in der Umgegend besichtigt
werden. Es war klar, daß man uns nur beste Betriebe vorstellen wollte.
Am nächsten Tage hatte ich eine Zusammenkunft mit
dem Generaldirektor von AGROKOMPLEX (AX). Wir besprachen ebenfalls die
Möglichkeiten der Besichtigung von Betriebsteilen von AX. Hier
kam ich anschließend in eine peinliche Situation. Der Dolmetscher
des Generaldirektors fragte mich nach meiner Visitenkarte. So etwas hatte ich
natürlich nicht. Er war sehr verwundert, daß ich dienstlich ins Ausland
fahre ohne im Besitz einer Visitenkarte zu sein.
Als ich mich rausreden wollte wir hätten Druck-
und Papierprobleme, sollte ich ihm den Text geben und er wollte mir welche drucken
lassen.
Als ich wieder in Wittenberg war, habe ich mir sofort
welche anfertigen lassen.
Mit einer Dolmetscherin der Hochschule besuchte ich dann
verschiedene Betriebe und vereinbarte die Termine für die Augustexkursion.
Dazu gehörte auch das Arboretum von Mlynani. Die
vielen Arten von Rhododendron standen in voller Blüte. Es war eine Pracht.
Hier sah ich auch mal was eine Maikäferplage ist.
Kilometerweit war an einer Pflaumenallee kein Blatt mehr an den Bäumen,
dafür aber Unmengen von Maikäfern.
Das man uns Spitzenbetriebe präsentieren wollte,
war mir sehr recht, denn hier bekamen wir in der Tierproduktion vieles zu sehen,
was uns neu war. Hier konnten wir Tiere und moderne Stallanlagen besichtigen
was in der DDR aus Gründen des Seuchenschutzes gar nicht denkbar war.
In einem dort angrenzenden großen Wildgehege konnten
wir auch eine Wiesentherde beobachten.
Schon aus diesem Grunde waren die Besichtigungen des
Gestütes Topolcianky Höhepunkte unserer Exkursionen. Im Jahr vor der
Moskauer Olympiade stellte uns der dortige Tierarzt Dr. Stine sämtliche,
von der CSSR für Moskau nominierten Pferde vor. Sie wurden dort für
die Olympiade vorbereitet.
Als einmal der 6er-Zug des Gestüts in einem internationalen
Wettbewerb die ungarischen Konkurenten besiegte, war er besonders stolz.
Das Gestüt in Topolcianky war partnerschaftlich
mit dem in Mecklenburg befindlichen DDR-Gestüt Trinwillershagen verbunden.
So mutete es mir auch eigenartig an, daß Dr. Stine mir einen Urlaubsplatz
an der Ostsee anbot.
Der Aufhänger für die Exkursion war in jedem
Jahre die Landwirschaftsausstellung AX. Ähnlich unserer Ausstellung in
Markkleeberg gab es hier einen Hallenkomplex, Tier-und Maschienenvorführungen,
ein großes Freigelände, Freilichtbühnen und alles was zu einer
Ausstellung dieser Art dazugehört.
Da zu dem Trust AX auch eine ganze Anzahl landwirtschaftlicher
Betiebe gehörten, wurden durch die Direktion Besichtigungen dieser Betriebe
für uns vorbereitet. Dadurch war es uns möglich modernste Anlagen
zu besichtigen. Nach dem ich das mehrere Jahre mitgemacht hatte, wußte
ich genau, was in welchem Betrieb sehenswert war und plante mein Programm dementsprechend.
Einmal besichtigten wir auch eine Ziegenfarm. Sie war vom Staat eingerichtet
worden, um Ziegenleder für die Handschuhproduktion zu produzieren.
Einmal erlebten wir in Nitra auch das Zentrale Erntefest der Slowakei.
Der Festzug, in dem die Teilnehmer alle in den in ihren Gebieten heimischen
Trachten vorbeizogen, war ein einmaliges Erlebnis. Ein großes Feuerwerk
über der Burg bildete am Abend den Abschluß.
Die erste Exkursion wurde Ende August 1978 durchgeführt.
Sie dauerte 10 Tage. Mit der Eisenbahn fuhren wir bis Bratislava und wurden
von dem Autobus einer Genossenschaft den die Hochschule organisiert hatte, abgeholt.
Unser Dolmetscher war Professor Kohut von der Hochschule.
Wir besuchten Genossenschaften, staatliche Betriebe und die Landwirtschaftsausstellung.
Teilnehmer unserer Gruppe waren landwirtschaftliche Funktionäre
aus dem Bezirk Halle die diese Reise überwiegend als Prämie von ihren
Betrieben erhalten hatten. Auch Hannelore war mit von der Partie. Da diese Reise
bei den Teilnehmern sehr gut ankam, wurde sie auch in den kommenden Jahren durchgeführt.
Es hatten sich eine Anzahl von Betrieben rausgeschält
die wir dann in jedem Jahre aufsuchten. Etwa acht bis neun mal war ich Organisator
und Leiter dieser Exkursion. Professor Kohut war fast immer unser Dolmetscher.
Noch heute haben unsere Familien gute Beziehungen zueinander.
Auf der Hin- und Rückfahrt übernachteten wir
gewöhnlich im Bettenhaus der Zuckerfabrik Bedihost im Kreis Prostejov.
Zur Rückfahrt wurde im Kreis Prostejov von einem guten Freund, der im dortigen
Landwirschaftsamt arbeitete, ein Besichtigungstag vorbereitet. Trotzdem
gab es da manchmal Probleme.
In unserem damaligen Staat durfte nur geschehen, was
von den damaligen Funktionären verordnet worden war. Da nun aber die Regierungen
unserer beiden Staaten festgelegt hatten, welcher Kreis der DDR mit welchem
Kreis in der CSSR freundschaftliche Beziehungen aufbauen darf und Halle nicht
der Partner vom Kreis Prostejov sein durfte, gestattete es der Kreisparteichef
von Prostejov nicht, daß wir in seinem Kreis Betriebe besichtigten.
So waren zum Beispiel der Kreis Galanta Partner vom Kreis
Wittenberg und der Kreis Senica Partner vom Kreis Nebra. Im Falle des Kreises
Prostejov war es dann so, daß wir bis zum Tode des dortigen Kreissekretärs
zwei mal in Betriebe der Nachbarkreise ausweichen mußten, wo die Funktionäre
nicht so beschränkt waren.
Wenn ich weiter zur Vorbereitung in die CSSR fuhr, stellte
mir das VEG Memleben einen PKW Wolga mit Fahrer zur Verfügung. Da der Kreis
Senica Partner von Nebra, also des VEG Memleben war, kam immer noch ein Kollege
aus Memleben mit, der dann dort die Belange des VEG Memleben erledigte.
Einmal hatten wir einen Termin um 10 Uhr beim 1. Sekretär
in Senica. Da wir lange vor der Zeit dort waren, tranken wir in einem der Kreisleitung
gegenüberstehendem Restaurant erst noch eine Tasse Kaffee. Da sich die
Bezahlung etwas verzögerte und die Sicherheitsmaßnahmen
in der Kreisleitung auch noch etwas Zeit in Anspruch nahmen, kamen wir zehn
Minuten zu spät und wurden vom Sekretär wegen unserer Unpünktlichkeit
mit bösem Gesicht gerügt.
Es dauerte auch einige Zeit ehe ich die Zustimmung der
Kreisleitung Galanta hatte, die LPG Soporna besichtigen zu dürfen. Soporna
war auch ein Spitzenbetrieb mit höchsten Erträgen. Der Vorsitzende
der Genossenschaft Josef Gala war Held
der Arbeit, Mitglied des Slowakischen
Nationalrates und seine Stellung in der Partei war so hoch, daß er beim
Besuch Breschnews in Prag den Vortrag über die Landwirtschaft der
CSSR halten durfte.
Die Genossenschaft Soporna baute große Flächen
Körnermais. Für die erreichten Mais-Spitzenerträge war der Vorsitzende
mit dem Titel Held der Arbeit ausgezeichnet worden. Neben großen Flächen
Gemüsepaprika, 5o ha Gewürzpaprika und 320 ha Weinanbau hatten sie
Saatgutvermehrung und andere Spezialkulturen.
In den Kellerräumen ihres Verwaltungsgebäudes
befand sich ein Traditionskabinett, darüber die Verwaltung und im oberen
Stockwerk die Betriebsküche und ein Saal in dem 300 Mitglieder ihr Erntefest
feiern konnten.
Im Traditionskabinett war auch eine Bilddokumentation
ausgestellt, die ich bei einem Freundschaftsbesuch der Sopornaer Leitung
in der Kooperation angefertigt hatte.
Von ihrer Weinernte ließ die Genossenschaft alljährlich
30-50 000 Liter für Betriebsfeste und Repräsentationen verarbeiten.
Die Besuche in dieser LPG waren immer ein Höhepunkt.
Bei gutem Wetter gingen wir in die Weinberge. Dort konnten
wir Trauben essen so viel wir mochten. Dann gab es im "Heiloch" soviel
Wein wie ein jeder trinken wollte. An Schlechtwettertagen ging man mit
uns in den Weinkeller. Dort konnten wir mit Hilfe des Kellermeisters von
den verschiedensten Fässern probieren.
In den ersten Jahren war die Finanzierung der Fahrten
noch kompliziert. Pro Person und Tag durften wir damals 30,- Mark = 90 Kronen
umtauschen. Nach der Grenzkontrolle mußten davon 80 Kronen an mich abgeführt
werden. Mit diesem von mir eingesammelten Geld mußte ich alle anfallenden
Unkosten bezahlen. Es war nicht angenehm dieses Geld immer in einer Umhängetasche
mit mir rumzuschleppen. An Abenden, von denen man wußte das getrunken
wird, versteckte ich die Tasche meist unter meinem Sitz im Autobus.
So war es auch einmal in Sered - man sagt Sered ist die
Hauptstadt der Zigeuner - als in unserem Bus eingebrochen wurde. Man hatte durch
die Schiebefenster ein Jacket und mehrere Taschen gestohlen. Meine Tasche lag
mit etwa 50 000 Kronen unter dem Sitz.
Später als sich die Kontakte schon zu festen Freundschaften
entwickelt hatten, wurde es einfacher. Wir organisierten im Bezirk Halle ähnliche
Exkursionen für Betriebe aus der CSSR. Hierfür übernahmen wir
sämtliche der in der DDR anfallenden Kosten und im Gegenzug wurde unsere
Exkursion von den dortigen Betrieben finanziert.
Etwa 1979 wurde der Bezirksvorstand acht Tage vor Beginn
von der SED Bezirksleitung beauflagt, noch zusätzlich zwei Genossen
aus dem Kreis Nordhausen mitzunehmen und unbedingt die LPG Stara Lehota
im Kreis Trencin zu besuchen. Wir hatten nur die Telefonnummer Stara Lehota
22. Das Programm hatten wir etwas verändert und den letzten Tag für
Stara Lehota reserviert.
Wir und unsere Freunde von Agrokomplex versuchten täglich
aber ohne Erfolg die LPG "hinter den Bergen" zu erreichen. Am vorletzten
Tag gelang es uns endlich von Soporna aus die LPG Stara Lehota und auch den
Vorsitzenden zu erreichen.
Auf unsere Frage ob wir seine Berg-LPG besichtigen können,
antwortete er nur "Freunde sind uns immer willkommen". Hier muß
ich nun noch etwas einfügen.
Es war üblich, daß jeder Teilnehmer für
unsere Gastgeber ein Freundschaftsgeschenk im Werte von ca 20-30 Mark im Koffer
hatte. Diese wurden bei der Anreise von mir listenmäßig erfaßt
und dann im Laufe der Besichtigungen abgerufen. Da wir schon nicht mehr mit
Stara Lehota rechneten, hatten wir uns in Soporna bis auf ein Paar Manschettenknöpfe
vollständigt verausgabt.
Wir kamen also nach Stara Lehota und der Vorsitzende
fuhr mit uns durch seinen Betrieb ( ca 1100 ha). Es war eine Berg-LPG die erst
wenige Jahre bestand und von ihrem Vorsitzenden in kurzer Zeit zu einem Spitzenbetrieb
entwickelt worden war.
Ein Agronom befand sich mit im Bus und der Vorsitzende
fuhr mit dem Auto voraus. An den Haltestellen hatte er bemerkt, daß ich
nicht nur Stallanlagen sondern auch gute Naturmotive fotografierte. Er nahm
mich mit in seinen PKW, fuhr voraus und immer wo es ein schönes Motiv gab,
hielt er an damit ich fotografieren konnte. Wir wurden damals Freunde und sind
es heute noch.
Den Abschluß des Tages bildete ein Essen, welches
einem Hochzeitsessen in nichts nachstand
Die aus zwei kleinen Bergdörfern gebildete LPG wurde
erst 1972 gegründet. Bis zu dieser Zeit hatte man die genossenschaftliche
Bewirtschaftung dieser Hänge als nicht machbar angesehen. Innerhalb
weniger Jahre schaffte es der mit allen Wassern gewaschene Vorsitzende
aus der Genossenschaft einen ökonomisch starken Spitzenbetrieb zu machen.
Die Frauen bastelten im Winter und in den arbeitsarmen Zeiten Lehrmarialien
für Schulen, eine Tischlertruppe produzierte Bürokleinmöbel und
in einer Metallwerkstatt wurden Alu-Fenster und Alu-Türen angefertigt.
In den Arbeitsspitzen mußten diese Leute alle mit aufs Feld und man war
so in der Lage, die Ernte-und Feldarbeiten in kürzester Frist zu erledigen.
Bei einem Getreideanbau von 120 ha besaß die Genossenschaft fünf
Mähdrescher E 512.
Der Vorsitzende hatte auch Beziehungen bis in höchste
Stellen. Als er mich 1981 mal in Wittenberg besuchte, war er in Begleitung
eines Mitgliedes des slowakischen Zentralkommitees aus Bratislava.
Trotzdem wurde er später aus mir unbekannten Gründen
abgelöst. Um den Betrieb für unsere
Exkursionen zu erhalten, versuchte ich auch mit der neuen
Leitung Kontakte aufzunehmen. Ein erstes Gespräch in der Berghütte
verlief ohne Erfolg.
Nach der Verabschiedung fuhr ich aber nicht gleich nach
Hause, sondern ließ das Auto stehen und ging mit meinem Begleiter erst
noch einmal auf den Berg, um uns an der Gegend zu erfreuen. Als wir wieder abstiegen,
kamen uns der Vorsitzende und der Agronom entgegen und durch Handschlag machten
wir die weitere Zusammenarbeit perfekt.
Aus gesundheitlichen Gründen beendete ich 1987 diese
Auslandstätigkeit.
In diesen Jahren war mir auch gelungen, mit den Genossenschaften
Stara Lehota und Bedihost und der LPG Mühlanger partnerschaftliche Beziehungen
aufzubauen. Bis zur Wende wurde ein regelmäßiger Urlauberaustausch
und Besuche mit Autobussen zwischen den Partnerbetrieben durchgeführt.
Da ich im Auftrage unserer LPG diese Besuche in der DDR vorbereitete und organisierte,
bildeten sich gute Freundschaften die auch heute noch bestehen.
Selbstverständlich ergab sich aus den persönlichen
Kontakten auch für uns die Möglichkeit unseren Urlaub dort privat
zu verbringen. Fast in jedem Jahre waren wir ein paar Wochen in der Hütte
am Bezovec. Als ich in Piestany privat zur Kur war, wohnte ich in Stara Lehota.
Lange Zeit versuchte ich vergeblich im Gebiet der Hohen
Tatra ein Privatquartier zu finden. Es wäre zwar möglich gewesen Urlaubsplätze
in einem Heim der Hochschule Nitra zu bekommen, doch fehlte es uns in den ersten
Jahren immer an Tschechischen Kronen.
Es gelang uns dann mit Prof. Kohuts Unterstützung.
Er kannte in Zuberec, das ist ein Ort in der Rohace, zwei seiner ehemaligen
Studenten und vermittelte uns dort Quartier. Erst im vorrigen Jahre waren wir
wieder einige Tage dort.
Es entstanden zahlreiche Freundschaften mit dortigen
Kollegen, die auch die Wende überdauerten. Ein sehr positives Ergebnis
dieser Freundschaften waren nachfolgende betriebliche Partnerschaftsbeziehungen
der LPG Pflanzenproduktion Zahna mit der LPG Soporna und die derTierproduktion
Mühlanger mit den Genossenschaften in Stara Lehota und Bedihost.
Zwischen den Genossenschaften kam es zu einem regelmäßigen
Urlauberaustausch. Leider sind mit der Wende diese betrieblichen Verbindungen
zusammengebrochen. Auf privater Ebene bestehen noch Kontakte.
In meinem Besitz befinden sich noch die Protokollbücher
der
LPG Roter Oktober von Euper/Abtsdorf,
vom 22.11.62 bis zum 11.2.64
der LPG Bülzig
vom12.6.66 bis zum 11.2.64
der LPG Ansporn Wiesigk
vom 21.4.58 bis zum 19.10.60
und der LPG Pionier Wiitenberg-Friedrichstadt
vom 5.2.60 bis zum 7.1.64
Die "Individuelle Hauswirtschaft" war eine
Errungenschaft der sozialistischen Landwirtschaft. Ich will versuchen zu schildern
was darunter zu verstehen ist bzw. wie wir Genossenschaftsbauern damit
umgingen.
Das Musterstatut der LPG war oberstes Gesetz. Durch Vollversammlungsbeschlüsse
konnte es etwas ergänzt werden. Hier war festgeschrieben, daß jeder
in die Genossenschaft eintretende Betrieb mindestens 500 M/ha einzubringen
hat. Dieses geschah in Form von Maschinen oder
Vieh. Fehlmengen wurden in den folgenden Jahren von der
Jahresendauszahlung abgezogen. Überzahlte Summen wurden in späteren
Jahren zurückgezahlt.
In den Genossenschaften wurde nur ein monatlicher Vorschuß
gezahlt. Bei Planerfüllung gab es nach der Jahreshauptversammlung die Jahresendauszahlung.
Bei uns war das Verhältnis über viele Jahre 5 Mark plus 2 Mark. Betriebe,
die Land eingebracht hatten, bekamen bis zur Größe von 8 ha 25 M/ha
Bodenanteile.
In unserer Genossenschaft hatte jedes Mitglied Anspruch
auf 0,25 ha individueller Fläche. Das war die Gundlage zum Betreiben einer
"Individuellen Hauswirtschaft". Mitglieder die diesen Boden nicht
selbst bewirtschaften wollten, konnten sich am Jahresende für ihren Flächenanteil
den Ertragswert der genossenschaftlichen Ackerflächen in Geld auszahlen
lassen.
In der LPG Pionier hatten wir 1959 beschlossen die individuellen
Flächen genossenschaftlich zu nutzen. Die im Frühjahr 1960 dazugekommenen
Mitglieder revidierten aber diesen Beschluß und wir mußten unsere
Flächen wieder selbst bewirtschaften und das Vieh wieder selber halten.
Diese Arbeiten mußten nach Feierabend oder Sonntags durchgeführt
werden. Dazu konnten wir die genossenschaftlichen Pferde und Traktoren benutzen.
Da war es für mich vorteilhaft, daß ich einen Geräteträger
fuhr. Dieser war leicht und wendig und auf den kleinen Flächen gut einsetzbar.
Meine Kuh mußte ich auch wieder zurückholen.
Ich nahm ein junges Tier, welches wir in die Genossenschaft eingebracht und
in der ersten Laktation in der LPG 16oo Liter Jahresleistung hatte, wieder zurück.
Die junge Kuh wurde bei uns optimal gefüttert und
gepflegt. In unserem Stall brachte sie im ersten Jahr eine Milchleistung von
6300 Liter. Leider ging sie im zweiten oder dritten Jahr kaputt. Sie war nachts
von der Kette losgekommen und hatte sich an der Futtertonne totgefressen.
Ich hielt dann nur noch Schweine und Geflügel.
Meine individuelle Fläche lag am Haus und konnte
mit der Hauswasserversorgung beregnet werden. Im ersten Jahr baute ich unter
anderem 3500 qm Zuckerrüben an. Obwohl diese nur auf leichtem Sandboden
standen, wurde es mit der Beregnung eine Bombenernte.
Zum Zerkleinern der Zuckerrüben kaufte ich mir vom
Kreiskontor einen Grumbach-Futtermuser. Da ich noch die gesamte Getreideernte
des Jahres 59 auf dem Boden hatte, ging ich vorsichtshalber zur Revisionskommission
und ließ mir meinen Futtervorrat bestätigen. Dann kaufte ich beim
Handelskontor für Zucht und Nutzvieh 15 Läufer und produzierte erst
mal Mastschweine. Natürlich brauchte ich für die Fütterung auch
Eiweiß. Im Imkerfachgeschäft Schulze in der Juristensraße kaufte
ich eine Tonne Sojamehl. Das war für die Imker eine Zuteilung für
die Frühjahrsfütterung der Bienen. Es war aber nicht abgekauft und
hart geworden. Die Imker waren froh, daß ich ihnen das harte Zeug noch
abnahm. Damit war beiden Seiten geholfen.
Eine weitere wertvolle Futterquelle hatte ich im Reinsdorfer
Geflügelschlachthof. Mehrmals in der Woche holte ich nach Feierabend Fleischabfälle
und Konservenbruch. Das war ein ganz hochwertiges Futter.
Da ich technisch nicht von der LPG abhängig sein
wollte, ließ ich mir von der Firma Voigt, diesmal vom Sohn Werner, einen
Kleintraktor bauen. Er hatte einen 6,5 PS Verdampfermotor. Dieser war wie beim
Lanz-Geräteträger auf der Hinterachse gelagert. Ich hatte ihn mit
Moorrädern und Mähbalken ausgerüstet. Er war unverwüstlich
und diente mir so lange ich individuellen Acker hatte.
1967 übernahm ich von Vater den Betrieb und begann
gleich mit dem Umbau und der Modernisierung des Wohnhauses. Die Scheune wurde
abgerissen. Wir fingen Weihnachten 1966 an und feierten Weihnachten 1967 in
der neuen Wohnstube. Ich mußte das Baumaterial ranschaffen und während
ich in der LPG arbeitete, erledigten 3 Rentner selbstständig sämtliche
Bauarbeiten. Diese arbeiteten damals für drei Mark Stundenlohn.
Bei der individuellen Produktion mußte man sich
ständig neu den Gegebenheiten anpassen und sich auch schnell umstellen
können. Waren irgendwelche Produkte knapp oder für den Export gefragt,
wurden Futter für Mastverträge bereitgestellt oder hohe Preise geboten.
Diese indiv. Produktion war für Genossenschaftsbauern steuerfrei. 1967
war Broilerfleisch der Renner. Für 1 kg Lebendbroiler gab es 3 kg Futtermittel.
Da ich gerade beim Bauen war wurde der Scheunenabbruch gleich zu einem Geflügelstall
umgebaut und an die neue Warmwasserheizung des Wohnhauses angeschlossen.
Eine 500er Heizrippe kostete damals 4,60 Mark und eine
Tonne schwarzer Heizungsrohre 300 Mark. Die Rippenrohre für die Stallheizung
fand ich im Schrott hinter der Russenkaserne.
Nach Fertigstellung des Stalles wurde er mit 5oo Broilerküken
belegt. Die Mastzeit betrug etwa 8 Wochen. Nach der Stallreinigung wurden wieder
neue Küken eingestellt. Das ging Sommer und Winter über mehrere Jahre.
Dann war wieder mal der Bedarf gedeckt. Es gab kein Futter und ich produzierte
keine Broiler mehr. Jetzt wurden Eier interessant und wir hielten bis zu 150
Hühner.
Natürlich gab es auch Neider. Ich bekam plötzlich
eine Vorladung von der Abteilung Steuerfahndung des Finanzamtes. Als erstes
eröffnete man mir dort, daß man sich vom Staatsanwalt die Genehmigung
zur Einsicht meiner Konten geholt hatte und verlangten von mir den Nachweis
der Einnahmen und der Kosten meiner Broilerproduktion. Der dadurch ermittelte
Kostensatz von etwa 85 % wurde nicht anerkannt. Man errechnete eine Einkommensteuernachzahlung
für zwei Jahre von 12 800 Mark. Ich durfte den Raum nicht eher verlassen
bis ich ein vorbereitetes Überweisungsformular unterschrieben hatte. Ich
tat dieses unter Protest.
Dann wendete ich mich an die Rechtsstelle der Zeitung
"Bauernecho" und schilderte den Vorgang sowie die Zusammenhänge.
Nach 14 Tagen bekam ich einen Zwischenbescheid, daß meine Angelegenheit
an das Ministerium für Finanzen weitergeleitet worden sei. Wiederum 14
Tage später überwies mir das Wittenberger Finanzamt das Geld, allerdings
ohne Zinsen, zurück. Es war etwa gerade die Summe, für die ich dann
einen schon lange bestellten Trabant abholen und mit meiner Frau die SU-Reise
machen konnte.
Zwischendurch mal schnell etwas zu Trabantbestellungen.
Auf meinen letzten Trabant- Kombi mußte ich fast 15 volle Jahre warten
und er kostete mit Anmeldung, Versicherung und Trinkgeldern 15 000 Mark.
Nachdem die private Broilermast ausgelaufen war, hatten
wir nur noch Hühner und Gänse. Gänse hatten wir eigentlich immer.
Erstens waren wir der irrigen Meinung, daß die Kinder Federbetten bekommen
sollten und zweitens brachten Gänse beim Verkauf viel Futterweizen und
sie hatten auch einen guten Preis. Nur sind Federbetten heute nicht mehr modern.
Wir hatten immer einen 2-1 Zuchtstamm.
Damit die Gänse zweimal brüten, wurden die
Gössel der ersten Brut sofort verkauft. Die Aufzucht der zweiten Brut verwendeten
wir für den Eigenbedarf und den Abschluß von Mastverträgen.
Die Gänsepreise waren so hoch subventioniert, daß wir die Mastgänse
auf Vertrag dem Schlachthof verkauften und sofort bratfertig mit Gewinn zurückkaufen
konnten. Dabei haben wir noch bares Geld verdient. Das war eben sozialistische
Planwirtschaft.
Ich glaube, man kann die Geflügelhaltung auch heute
noch zu Mutters Hobby rechnen.
Neben dem Geflügel fütterten wir natürlich
noch ein paar Mastschweine. Waren es mehr als wir sebst benötigten, konnten
wir noch eins verkaufen.
Anfang der 80er Jahre ergab sich eine völlig neue
Situation.
In dem unserem Haus gegenüberliegenden Neubaublock
wohnte ein Lehrer der Weinert - oder Lorbeerschule. Dieser fragte mich, ob ich
nicht die in der Schule übrig bleibende Trinkmilch verfüttern könnte.
Ich konnte!
Wenn ich von der Arbeit kam fuhr ich an der Schule vorbei
und tauschte dort leere gegen volle Milchkannen ein. Durchschnittlich waren
es etwa 30 Liter am Tage. In Spitzenzeiten, das heißt wenn es Milch ohne
Fruchtgeschmack gab, waren es bis zu 70 Liter. Also mußten wieder Schweine
in den Stall. Von einem Bäcker holte ich Sonnabends altes Bot und Kehrmehl
und von der Konsumkaufhalle altes Brot, alten Quark, saure Milch und anderes.
Es war zwar alles nicht ganz billig, aber ich hatte mit
nur wenig Arbeitsaufwand hochwertige Futtermittel. Da ich oft garnicht soviel
verbrauchen konnte, aber keinen Fremden in mein Geschäft reinlassen wollte,
hatte ich noch Unterabnehmer, die sich dann von mir den Überschuß
abholten.
Etwa zu gleicher Zeit hatte sich noch eine ergibige Futterquelle
aufgetan. In den Räumen von Wikana war ein großes Versorgungslager untergebracht.
Verbeulte oder nicht handelsfähige Konserven holte unsere LPG ab. Da man
sich aber in der LPG nicht die langwierige Arbeit des Öffnens der Konserven
machen wollte, schickte man mich zu Wikana um diese Vereinbarung zu stornieren.
Da war man nun in Sorge da andere LPGen die Abholung auch schon abgelehnt hatten.
Wir kamen ins Gespräch und ins Geschäft. Von
Zeit zu Zeit holte ich Brotkonserven, Wurstkonserven, Obstkonserven,
Nährmittel, Schokolade, Seenotverpflegung und anderes. Meine Schweine hatten
eine Delikatversorgung.
Zu dieser Zeit wurden Speckschweine gesucht und ich konnte
solche anbieten. Die Preise waren nicht schlecht und die Zunahmen je Tier und
Tag lagen im Durchschnitt zwischen 650 und 750 Gramm.
Ab 1988 hielten wir dann auch noch Flugenten. Etwa 120
bis 140 Tiere wurden im Jahr verkauft. Als die Wende mit der Währungsunion
kam, war alles vorbei. Wir hatten schon keine Ferkel mehr eingestellt und waren
froh, daß wir im Juli 1990 die letzten Schweine noch für ein Trinkgeld
loswurden. Dabei mußten wir sie noch bis Bergwitz bringen. Wir behielten
nur noch Hühner für den Eigenbedarf und ein paar Gänse.
Nach der Wende waren unsere Eier auch nicht mehr gefagt,
die Leute wollten jetzt Westeier.
1988, Preise M/kg nach Qualität. Bei Großvieh
erfolgte die Abrechnung nach Schlachtgewicht, bei Kleinvieh und Geflügel
Lebendgewicht
Klasse I |
II |
III |
IV |
V |
|
Rinder |
14,66 |
13,93 |
13,34 |
||
Kälber bis 70 kg |
13.31 |
12,56 |
11,45 |
||
Kälber von 70 bis 100 kg |
14,54 |
||||
Jungschafe |
14,05 |
12,75 |
11,25 |
9,80 |
|
Altschafe |
13,20 |
11,25 |
10,15 |
9,15 |
|
Schlachtschweine |
9,59 |
9,40 |
9,31 |
9,22 |
9,06 |
Hühner |
7,00 |
6,00 |
4,90 |
1,10 |
|
Broiler |
7,20 |
6,20 |
4,80 |
||
Gänse und Flugenten |
16,2o |
13,80 |
9,70 |
||
Pekingenten |
7,50 |
6,40 |
5,30 |
||
Puten |
12,40 |
10,60 |
8,70 |
||
Tauben |
12,00 |
10,00 |
|||
Kaninchen |
12,00 |
10,00 |
7,00 |
||
Bienenhonig |
14,00 |