Aus dem Protokollbuch der Kabelhüfner
Die Hufenrichter
Die Hufen-Richter sind eine Wittenberger Besondernheit, sie gab es hier schon im Mittelalter.
Im Mittelalter hatte man auf den Dörfern soweit nicht ein Feudalherr die Gerichtsbarkeit innehatte, den Ortsrichter.
In der Bürgerstadt Wittenberg hatte man dagegen Hufen-Richter. Während in der Stadt die Räthe die Belange des Landesherren, der Stände und der Bürger zu vertreten hatten, mußten die Hufenrichter für Ordnung auf landwirtschaftlichem Gebiet achten.
In früherer Zeit hatte Wittenberg 2 Hufenrichter.
Ihre Breiche waren die Vorstadt Schatzung in der Schloßvorstadt und die Kabelhufen in der Elstervorstadt.
Die Hüfnerschaft der Mark Bruder-Annendorf entstand erst nach der Gründung Friedrichstadts und war damit die 3. Hüfnerschaft im Wittenberger Bereich.
Da die Hufenrichter damals die staatliche Ordnung vertreten mußten, erhielten sie auch von den wesentlichsten Verordnungen und Gesetzen Abschriften, die in der Lade aufbewahrt wurden. Daher ist es mir heute auch möglich, an Hand der noch vorhandenen Schriftstücke einen Überblick über das damalige Geschehen zu erstellen. Nicht alle Worte sind für mich lesbar, aber in den meisten Fällen erkennt man den Sinn. Mit der Weiterentwicklung der staatlichen Verwaltung verlor ihre Tätigkeit an Gewicht. Wir sehen das auch später aus einem Schreiben des Wittenberger Magistrats.
Das Gebiet der heutigen Puschkin- und Schatzungsstraße bis etwa zur B2 war die Schloßvorstadt. Das Gelände östlich der Sadt und der Schoßvorstadt bis zur Dresdener Straße waren das Lindenfeld und die die Elstervorstadt bzw. „die Häuser vor dem Elsterthore“.
Das Lindenfeld erstreckte sich etwa von östlich der Stadtmauer bis zum Trajuhnschen Bach.
Die heutige Breitscheidtstraße war früher die Lindenstraße und die Lindenfeldmühle arbeitete etwa bis zu Beginn des 2. Weltkrieges in der heutigen Katharinenstraße. Ihr letzter Bewirschafter war Erich Mehlhase.
Die Betriebe aus der Vorstadt Schatzung und die Betriebe der Kabelhüfner aus der Elstervorstadt hatten eigene Hufenrichter.
Der letzte Hufenrichter der Schloß- und Amtsvorstadt war Herr Walter Schulze aus der Klausstraße.
Herr Richard Höhne aus der Gaststraße war der letzte Hufenrichter der Kabelhüfner in der Elstervorstadt.
Seine Erben strellten mir freundlicher Weise die sich in der Lade befindlichen Akten für diese Auswertung zur Verfügung
Die Lade der Kabelhüfner ist noch, wenn auch 1945 von russischen Soldaten beschädigt, vorhanden.
An Hand eines Revisionsprotokolles vom 12.10.1919 erkennt man, daß verschiedene Stücke des Inhaltes fehlen.
Aus Protokollen ist ersichtlich. daß die Elstervorstadt früher zur Vorstadt Schatzung gerechnet wurde.
Die folgenden Ausführungen entstanden nach dem Studium der alter Akten, die sich in der Lade des letzten Hufenrichters der Wittenberger Kabelhüfnerschaft, Herrn Richard Höhne und in unserem Familienbesitz befanden.
Dieses Material ist so umfangreich, daß die Auswertung noch längere Zeit in Anspruch nehmen wird.
Da heute nur noch ein kleiner Personenkreis die Gotische Schrift lesen können, will ich versuchen, aus den Schriften -soweit noch lesbar- die wesentlichsten Punkte wörtlich wiederzugeben. Dazu gehören auch Ausführungen über alte Verordnungen und angedrohte Strafen.
Die damalige Ausdrucks- und Schreibweise sowie noch andere mir interessant erscheinenden Dinge will ich dabei weitgehenst übernehmen. Nicht lesbare Buchstaben, Silben oder Worte sind durch Punkte ..............gekennzeichnet.
Originaltexte, - zum Teil auch Eigennamen- sind in Kursivschrift wiedergegeben.
Hinter mir unverständlichen Dingen oder Bezeichnungen habe ich des öfteren ein ? gesetzt.
Wenn ich auch verschiedene Ausdrücke im Moment noch nicht deuten kann, oder die Schrift nicht mehr so recht lesbar ist, will ich doch versuchen möglichst viel zu übersetzen.
Die Hüfnerschaft Mark Bruder-Annendorf entstand wahrscheinlich erst um 1820 mit der Entstehung der Friedrichstadt.
Hier waren mein Großvater August Präger und mein Vater Friedrich Präger die letzten Hufenrichter.
Die Hufenrichter hatten in früheren Zeiten in der Stadt und Festung Wittenberg für den ländlichen Sektor etwa die Bedeutung wie die Ortsrichter in den Dörfern.
Die für die bäuerliche Bevölkerung verbindlichen Gesetze, Verordnungen oder Anweisungen wurden den Hufenrichtern abschriftlich zugetellt und in der Hufenlade verwahrt.
Der Inhalt der Lade der Hüfnerschaft Gemarkung Bruder Annendorf wurde von meinem Bruder dem Heimatverein Wittenberg übergeben. Darunter befanden sich das Rutenmaß, die Feldhüterplakette und andere Dinge. Akten über die Separation waren von meinem Vater schon früher dem Vorsitzenden der Röhrwassergewergschaft, Herrn Alexander Richter übergeben worden.
Aus dem Leben der Kabelhüfnerschaft
Aus den Jahren von 1870 bis 1890 ist verhältnismäßig wenig über die Kabelhüfner zu berichten.
Wie früher schon erwähnt, stärkte sich die staatliche Verwaltung und das Aufgabengebiet der Hufenrichter damit eingeschränkt. Trotzdem finden sich noch interessante Protokolle in der Hufenlade. Darunter befinden sich auch verschiedene Jagdpachtverträge.
Die Jagdpacht
Aus den vorliegenden Unterlagen geht hervor, daß die Jagd auch früher schon eine gewisse gesellschaftliche Bedeutung hatte. Die Verpachtungen wurden im Wittenberger Kreis-Blatt ausgeschrieben oder in den Versammlungen der Hüfnerschaft meistbietend vergeben.
Trotzdem mussten die Pachtverträge dem Landrat zur Genehmigung vorgelegt werden.
1853 war die Jagd an den Fuhrmann Herrn Kärnbach, den Tuchfabrikanten Herrn Karl Friedrich Tamm und den Zimmermeister Gottlieb Wilhelm Hehne von hier für 30 Thaler und 10 Silbergroschen verpachtet worden.
Scheinbar waren die „Arbeitsschutzbestimmungen“ nicht ausreichend beachtet worden und es kam vom Magistrat folgendes Antwortschreiben:
An die Herren Hufenrichter
Koelling und Mathies
hier
Die hinsichtlich der Verpachtung der Jagd auf den Stadt-und Kabelhufen pp. gepflogenen und von ihnen dem Königlichen Landrathe Herrn von Jagow vorgelegten Verhandlungen werden Ihnen hierneben mit dem Bemerken zurückgegeben, daß gegen die in der Verhandlung vom26. Mai 1853 aufgestellten Verpachtungsbedingungen weder seitens des Herrn Landraths Etwas zu erinnern gefunden, noch von uns Etwas einzuwenden ist.
Zugleich veranlassen wir Sie, den Pächtern die Grenzen des Jagdbezirks genau anzuweisen und bemerken, daß wir den beiden Jagdpächtern aufgegeben haben, die Gottesäcker auf denen die Jagd mit Feuergewehr ohnehin nicht ausgeübt werden darf, zu schonen, jedenfalles aber die Hunde davon zurückzuhalten.
Wittenberg, den 1 sten July 1853.
Der Magistrat
Steinhaus
Am 26. Juli 1856 stand dann im Vertrag, daß von der Verpachtung die Festungsmark, der große Lug, die Mark Schmalbeck und die Mark Bruder-Annendorf ausgenommen sind. .........daß eine Afterverpachtung nur mit Zustimmung des Verpachters möglich ist, daß die Jagd auf den, in den Festungsrayon fallenden Grundstücken mit Feuergewehre nicht ausgeübt werden darf, daß die Jagd auf den Gottesäckern nicht bloß mit keinem Feuergewehr sondern überhaupt garnicht ausgeübt werden soll, Pachter auch namentlich die Hunde davon zurückzuhalten hat, daß Pachter vor Ausübung der Jagd mit einem Jagdschein sich versehen, solchen von der Königlichen Festungskommandantur wissen lassen und überhaupt alle diejenigen Vorschriften beachten muß, welche in Beziehung auf die Ausübung der Jagd insbesondere auch wegen der Hege-und Schonzeiten bereits ergangen sind und oder noch ergehen werden, usw.
Es heißt im Pachtvertrag:
In Folge Hinzutritts des Terrains der Specke zu den Grundstücken des Kabelhufenschlages ist die anderweite Verpachtung der Jagdnutzung auf den letzteren erforderlich.
Es wird daher zwischen dem Magistrat zu Wittenberg als Vertreter der Stadtgemeinde Wittenberg und dem Ackerbürger Pappert nachstehender Jagdpacht-Contrakt abgeschlossen.
§.1.
Der Magistrat zu Wittenberg verpachtet die gesamte Jagdnutzung auf den Grundstücken des Kabelhufenschlages einschließlich der Gemarkung Specke für einen dreijährigen Zeitraum vom 1.August 1901 an gerechnet bis 1. August 1904 an den Ackerbürger Hermann Pappert, Wittenberg-Elstervorstadt.
§.2.
Ausgenommen von dieser Pachtung bleibt jedoch die Jagd auf den zur Kabelhüfnerschaft gehörigen Grundstücke als Gottesäcker.
§.3.
Der Pächter verplichtet sich für jedes Jahr ein Pachtgeld von 130 Markzu entrichten.
Die Zahlung erfolgt jedes Jahr am ersten August praenumerando an die Gemeindekasse de4r Kabelhüfnerschaft.
§.4.
Eine Afterverpachtung ist dem Pächter nicht gestattet.
§.5.
Bei Ausübung der Jagd muß der Pächter die jagdpolizeilichen Verordnungen beachten.
Holz-und Parforen-Jagden anzustellen ist ihm untersagt. Er haftet für den Ersatz jeden Schadens, welchen er selbt, oder diejenigen, denen er die Erlaubniß, auf dem Jagdrevier zu jagen, ertheilt hat, bei Ausübung der Jagd an den Grundstücken oder deren Früchten verursachen. Außerdem verpflichtet sich noch Pächter für jeden Wildschaden aufzukommen nach Maßgabe des Wildschadengesetzes vom 11. Juni 1891.
§.6.
Der Verpächter ist berechtigt, den Pachtvertrag vor Ablauf desselben jederzeit aufzulösen:
a) wenn der Pächter stirbt,
b) wenn derselbe länger als vier Wochen nach dem Fälligkeitstermin mit der Bezahlung des Pachtgeldes für ein Jahr im Rückstande bleibt.
c) wenn ihm die Behörde die Ertheilung eines Jagdscheines verweigert.
In allen diesen Fällen hat der Pächter das Pachtgeld für das laufende Jahr unverkürzt
zu entrichten.
§.7.
Mit Inkrafttreten dieses Vertrages tritt derjenige vom 27. März/18.Mai 1898 außer Kraft.
§.8.
Die Kosten des Vertrages, sowie diejenigen für Bekanntmachung des Licitationstermins übernimmt der Pächter.
So geschehen Wittenberg, den 3o. Mai 1901
Der Magistrat Der Pächter
Dr. Schirmer Hermann Pappert
Stadtsiegel
Gesehen
Wittenberg, den 5.Juni 1901
Der Königliche Landrath
Siegel und Unterschrift
Aus Umfang und Text dieses Vertrages läßt sich schon eine Straffung durch die staatliche Behörde erkennen.
Regulativ über die Leistung der Militair-Fuhren in Kriegs- und Friedenszeiten
Im Einverständniß mit der Königlichen Regierung und unter Hinweisung auf das Edict vom 28. Oktober 1810 im Amtsblatt Seite 77 wird hierdurch folgendes
R e g u l a t i v
§ 1
Sowohl in Kriegs- als in Friedenszeiten haben die sämmtlichen Gespannhaltenden der Stadt und Vorstädte nach der Zahl des Pferdebestandes dem Militair Vorspann zu leisten.
§ 2
In Friedenszeiten erfolgt die Vergütung nach den bestehenden Sätzen.... von 7 ½ Groschen pro Pferd und Meile: aus der Staatskasse und werden die Beträge durch unser Billet-Amt an die Interessenten gegen Quittung gezahlt.
§ 3
In Kriegszeiten erfolgt die Vergütung nur theilweise aus der Staatskasse und zwar, wenn Fuhren über 4 Meilen hinaus geleistet worden sind. Soweit Zahlung aus der Staatskasse nicht erfolgt tritt die Kämmereikasse ein, und zahlt die Sätze wie in § 2 angegeben.
Befreit von der Gestellung ihrer Pferde sind nur:
a, Die Pachthalter, soweit deren Pferde zum Postdienst bestimmt sind,
b, Die Königlichen Beamten, welche ihres Dienstes halber Gespann halten müssen,
c, Die Offiziere der Garnison mit den Dienstpferden, welche gesetzlich befreit sein müssen.
§ 5
Zugochsen können gleichfalls zur Vorspannleistung beordert werden und werden 3 Zugochsen gleich zwei Pferde gerechnet
§ 6
Die Beorderung der zu stellenden Pferde erfolgt durch unser Billet-Amt und hat dasselbe das Recht, bei etwa nicht pünklicher Gestellung auf Rechnung der Säumigen sofort anderweit Gespann zu beschaffen.
§ 7
Die Berichtigung der Listen erfolgt unter Zuziehung der Bezirksvorsteher durch das Billet-Amt und treten dieselben im Falle eines Krieges sofort dem Billet-Amte, recp. der .....Deputation als Mitglieder bei.
Wittenberg den 29. Oktober 1869
Der Magistrat
gez. Steinbach
Aus diesem Regulativ läßt es sich unschwer ersehen, daß zu damaliger Zeit die Transportprobleme eine nicht unbedeutente Rolle spielten.
Mir ist immernoch unklar, wie beim Bau der Bahnlinie Berlin-Wittenberg-Köthen in so kurzer Zeit die Transportprobleme bewältigt werden konnten.
Nur 6 Jahre nach der Fahrt der ersten Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth, wurde bereits 1841 der Alte Wittenberger Bahnhof in Betrieb genommen. Zu damaligen Verhältnissen mußten in der kurzen Zeit riesige Mengen Baumaterial, Schienen, Schwellen, Schotter und sonstiges bewegt werden. Mit Perden und Ochsen mußte alles Transportiert werden. Dabei war auch das Straßennetz noch nicht ausgebaut.
Wie aus Protokollen hervorgeht, war die Kirche Besitzerin von 1/6 der Flächen der Kabelhüfnerschaft. Entsprechend der Höhe ihres Flächenanteils mußten die Kabelhüfner einen Beitrag zur Finanzierung des Feldhüters und des Erntefestes in die Hufenkasse zahlen, natürlich auch die Kirche. Darüber gab es Uneinigkeit und es kam 1857 zur Klage des Kirchenrathes gegen die Hüfnerschaft.
Klage des Kirchenrathes gegen die Hüfnerschaft
Der Gesamtumfang der Kabelhüfnerschaft an Flächen betrug etwa 660 Morgen Ackerflächen.Wie aus der Flächenaufstellung hervorgeht, besaß die Kirche im Bereich der Kabelhüfnerschaft 114 Morgen Grundbesitz.. Von diesen Flächen wurde die Jagd verpachtet. Die jährliche Einnahme für die Jagdpacht betrug anfangs 20.- Mark. Dazu kamen noch etwa 10,- Mark sonstige Einnahmen. Unter Ausgaben dieses Jahres ist folgendes verzeichnet:
Zum Erntefest:
16,- Mark für Musikanten
6,- Mark für 10 Dutzend Flaschen Bier
1.- Mark für den Musikerlaubnisschein
5,- Mark für den Flurschützen Schüler
5,- Mark Dienstgeld für den Hufenrichter
und noch ein Teil für den Feldhüter
Dagegen erhob die Öconomiekommission des Kirchenrates Einspruch. Sie war der Meinung, daß das Geld der Jagdpachteinnahme an der die Kirche ja ca. 17 % Anteil hatte, anteilmäßig an die Kirche auszuzahlen wäre. Sie forderten daher:
... die Verklagten zu verurtheilen, daß sie schuldig anzuerkennen, daß die von ihnen für Lustbarkeiten, insbesondere Musik, Musikerlaubnisschein, Festessen, Getränke und Erntekranz aus den Hüfnerschaftskassen verausgabten Beträge der Klägerin gegenüber nicht zu Recht verausgabt sind....“
Da die Verwendung dieses Geldes von der Generalversammlung mit „Majoritätsbeschluß“
beschlossen war, wurde die Klage für die Kirche kostenpflichtig abgewiesen.
Es wäre interessant zu wissen, wie hoch die Prozeßkosten im Verhältnis zu den 2-3 Mark entgangener Einnahme waren.
Aus dem Protokollbuch der Kabelhüfnerschaft
Das noch vorhandene Protokollbuch berichtet über durchgeführten Generalversammlungen der Jahre 1891 bis 1919. Weitere Protokollbücher sind nicht mehr vorhanden.
Wie aus den Protokollen ersichtlich ist, wurden im Normalfalle jährlich 2 Vollversammlungen durchgeführt.
Im Frühjahr wurden die Finanzen abgerechnet und der Termin für das evtl. anstehende Grenzeziehen festgelegt. Die Herbstversammlung beschäftigte sich mit dem Termin und der Organisation des Erntefestes.
Am 23. 8. 1891 wird in der Gaststätte Reichspost-(Muths-Gastätten-Kreiskulturhaus) Friedrich Meister zum neuen Hufenrichter gewählt. Der bisherige, Gottlieb Schrödter, ist aus Altersgründen zurückgetreten. Meister erhielt 12 von 15 Stimmen.
Dieses wird dem Magistrat mitgeteilt und dieser übermittelt der Hüfnerschaft am 7.9.91 folgendes Schreiben:
Auf Ihre Eingabe vom 26. August dieses Jahres erwidern wir Ihnen hiermit, daß wir es ablehnen, Sie in Ihrer Eigenschaft als erwählter Hufenrichter für die Kabelhufen amtlich zu bestätigen.
Die aus alter Zeit stammende Einrichtung der Hufenrichter hat durch die heutige Gesetzgebung ihre vormalige Bedeutung vollständig verloren und es stehen dem Hufenrichter keinerlei amtliche Funktionen mehr zu.
Will die Hüfnerschaft an dieser alten Einrichtung dennoch festhalten und sich zur Ordnung ihrer inneren Angelegenheiten einen Hufenrichter erwählen, so bleibt ihr dieses unverwehrt; einer amtlichen Bestätigung aber bedarf derselbe mit Rücksicht auf das Vorangeführte nicht.
Das mit eingereichte Wahlprotokoll erfolgt hierneben zurück.
Der Magistrat
Das Vereinslokal der Kabelhüfner war die Gaststätte von August Wildgrube. Hier traf man sich am 21. 10. 91 um zum alten Hufenrichter Schrödter zu ziehen, diesen würdig zu verabschieden und um dann mit der Lade
..... von Fritz Neubert, Wilhelm und Gottlob Matthies, Richard Höhne, Wilhem Pappert und Fritz Wisch dem Zuge vorangetragen, zum neuen Hufenrichter zu ziehen. Hier waren alle Tische mit Speisen und Getränken reichlich besetzt, und jeder der Herren that wie es sich von selbst versteht, auch hier seine Pflicht. Nach beendeter Mahlzeit bewegte sich der Zug durch die große Friedrichstraße, Lutherstraße nach dem Gasthause zum Blauen Hecht ? Bald fanden sich auch die Frauen und Kinder ein und der übliche Tag begann der nur um Mitternacht durch eine kurze Kaffeepause unterbrochen, bis zum frühen Morgen währte......
Man feierte hier das Erntefest wozu die Kapelle der Artillerie spielte.
Am 20. 5. 92 fand bei Wildgrube eine außerordenliche Versammlung statt. Die Jagd wurde für 6 Jahre an den Hufenrichter verpachtet. Der bisherige Pachtpreis wurde von 30 auf 50 Mark pro Jahr erhöht. Als neue Mitglieder werden Kölling, Coßito und Niendorf aufgenommen. (Coßito scheint der Ziegeleibesitzer zu sein der uns bisher als Zastro in Erinnerung ist.)
Der Feldhüterbeitrag wird auf jährlich 1,- Mark/Morgen festgesetzt.
Die Generalversammlung findet am 2.10. bei Wildgrube statt. Man beschließt das Erntefest im STERN zu feiern. Aus der Kasse werden dafür 20,- Mark bereitgestellt und für die Kapelle Lubisch werden 24,- Mark bewilligt. Jedes Mitglied hat eine Mark Unkostenbeitrag zu entrichten.
Am 14.5. beschließt man bei Wildgrube am Dienstag nach Pfingsten 93 das Grenzeziehen durchzuführen. 15 von 22 Mitglieder stimmen für das Lokal Muth, 4 für Specht und 3 für Kappert. Das Frühstück soll bei Specht in Labetz eingenommen werden.
Da ich als Kind noch das Grenzeziehen mit der Hüfnerschaft Mark Bruder Annendorf miterlebt habe, gehe ich später näher darauf ein.
Der Abmarsch soll um ½ 8 Uhr beim Hufenrichter erfolgen. Zylinder und dunkler Anzug sind Pflicht. Zu spät kommende und gegen die Anzugsordnung verstoßende Mitglieder haben 25 Pfennig Strafe zu zahlen. Eine Mark Unkostenbeitrag je Mitglied und 36,- Mark für die Kapelle Lubisch werden beschlossen.
Die Statuten des Grenzzuges werden noch einmal vor Beginn verlesen, damit sich niemand mit Unkenntnis der Strafbestimmungen entschuldigen kann.
Das folgende, noch vorhandene Protokoll vom 6. Mai 1826 für die Grenzbegehung diente stets zur Belehrung.
Der Grenzzug der Kabelhüfnerschaft und der Gemeinde Labetz findet alle 6 Jahre statt, und jedesmal wenn es die Zeit zuläßt den Donnerstag nach Pfingsten, Grenzmerkmale sind zwölfe, aller Unfug muß gemeidet werden, als Tabak rauchen Pflugen, Commode legen, Schnupfen, Singen u.s.w.
Die Grenzhügel in die Länge müssen bis gegen den Pflugacker drei Ellen von Mitte des Hügels sein, der Hügel darf nicht größer als zwei Ellen sein oder vom Kranz zwei Ellen sein, ein jeder muß aber wo die Ackerstücken gegen stoßen fünf Ellen vom Kranz sein, jeder muß selbst bei dem Grenzzug sein, oder muß einen Stellvertreter stellen oder 50 Pfennig Strafe zahlen, wer zu spät kommt zahlt 25 Pfennig ein jeder ist zuweit gepflügt kostet 10 Pfennige. Wer früh beim Grenzzug nicht kommt und auch keinen Stellvertreter schickt, kommt aber Nachmittag zum Vergnügen zahlt Eine Mark.
Sämtliche Strafen sind an den Hufenrichter Schrödter oder Ortsvorstand Döring zu Entrichten.
Wittenberg den 9.ten Juni 1881
Schrödter Döring Hufenrichter Ortsvorsteher
Im Oktober 93 werden wie in jedem Jahre die Einnahmen dargelegt. Sie betrugen in diesem Jahre 156,04 Mark. Die Ausgaben betrugen 111,70 Mark. Der Eisenbahnfiskus verlangt für 10 Morgen die anteilige Summe des Jagdpachtgeldes. Die 50.- der Jagdpacht werden wie folgt aufgeteilt: !6.50 Mark erhält der Feldhüter, 5,20 Mark braucht man für Versicherungsmarken (ich nehme an, es war für die gemeinsame Bullenhaltung und vielleicht für den Feldhüter), 18,-- Mark erhält der Hufenrichter für „Spesen“ und die Restsumme wird für Botengänge benötigt.
Das Erntefest soll im Weißen Schwan gefeiert werden, Treffpunkt ist beim Hufenrichter. Der Beitrag beträgt eine Mark, zuspät kommende zahlen 25 Pfennig Strafe. Da sich diese Zahlen in den folgenden Jahren bei der Planung der Vergnügen ständig wiederholen, werde ich sie nicht mehr erwähnen.
Für die Kapelle Lubisch werden aus der Kasse 24,--Mark bewilligt. Sollte Herr Lubisch nicht gewillt sein für 24,-- Mark zu spielen, kann der Hufenrichter eine andere Kapelle bestellen.
Versammlung vom 18.3.1894
Der Feldhüter Buhle wird für ein weiteres Jahr gewählt.
Mein Großvater Gottlob Scheer wird als Mitglied aufgenommen (32 Jahre alt).
Den Anspruch des Eisenbahnfiskus hat man überprüft und man beschließt den Anteil von
13 Pfennig je Jahr an den Fiskus auszuzahlen.
8. Oktober 1894, Versammlung im Goldenen Stern.
Am 1.11. soll das Erntefest im Goldenen Stern durchgeführt werden. Dazu soll die Kapelle Werner aus Zahna bestellt werden. 24,-- Mark werden für Musik und 6,-- Mark für Getränke genehmigt.
Gäste haben Zutritt wenn sie dem Hufenrichter vorgestellt werden.
Für die Anfertigung des Erntekranzes gibt es eine Mark aus der Kasse.
Specht aus Labetz hat in der Specke Rasen von einem Weg abgegraben und muß eine
Mark Strafe zahlen.
Generalversammlung am 13. Oktober 1895 in der Gaststätte Wildgrube.
1895 soll das Erntefest in der Reichspost stattfinden. Fünf Mark sollen aus der Kasse für Bier bereitgestellt werden. Spielt Lubisch nicht für 24+6 Mark, soll Werner bestellt werden.
22. Juli 1895. Außerordentliche Vollversammlung.
1896 Der ehemalige Hufenrichter Gottlieb Schrödter aus der Lutherstraße 30, begeht im Juli sein 50jähriges Bürgerjubiläum. Er soll aus der Kasse ein Geschenk im Werte von 15 bis 20 Mark erhalten.
Das Kreisblatt berichtete darüber.
Jubiläum. Der 76jährige Rentier Gottlieb Schröder, Lutherstraße 30, begeht heute sein 50jähriges Bürgerjubiläum. Der Jubilar hat länger als 25 Jahre der Kabelhüfnerschaft Wittenberg als Hufenrichter vorgestanden, und vertritt noch heute als Deputirter die Separationsinteressen. Er hat seine Ehrenämter alle Zeit mit größter Umsicht und Treue verwaltet und den öffentlichen, städtischen Interessen stets ein warmes Herz und eine lebendige Theilnahme entgegengebracht. Da ist es denn kein Wundern daß ihm heute an seinem Ehrentage zahlreiche Glückwünsche und ehrende Anerkennungen zu Theil worden sind, und daß man von nah und fern wetteiferte, dem alten Herrn seinen Ehrentag auch zu einem Freudentag zu machen. Vorzugsweise wurde er durch die Hüfnerschaft erfreut, die ihm durch eine von Herrn Hufenrichter Meister geführte Deputation mit ihren Glückwünschen und ihrem Dank für seine langjährige Thätigkeit einen hohen silbernen Humpen mit einziselirter Widmung überreichen ließ. Eine aus Herrn Stadtrath Sichler und den Herrn Stadtverordneten Wollf und Lindau bestehende Deputation überbrachte ihm die Gückwünsche und die Ehrengabe der Stadt, einen gleichfalls mit Widmung versehenen silbernen Pokal u.s.w. , für welche Ehrengaben der Jubilar den Deputirten wie den Gebern, der Hüfnerschaft und der Stadt mit tiefer Rührung seinen Dank aussprach.- Auch wir wollen nicht unterlassen, uns hiermit den Gratulanten anzuschließen mit dem Wunsche, daß dem rüstigen alten Herrn noch ein langer und glücklicher Lebensabend beschieden sein möge.
11. Oktober 1896, Generalversammlung.
Herr Noack, der Pächter vom Weißen Schwan wird als Mitglied abgelehnt, da er kein Grund- bzw.Hausbesitzer ist.
Mit 13 Stimmen für Muth (4 für Winkler) erhält die Reichspost den Zuschlag fürs Erntefest. Der Hufenrichter spendiert für die Teilnehmer des Festzuges ¼ t Bier.
Bei Verstoß gegen die Anzugsordnung sind 0,50 Pfennig Strafe zu zahlen.
10. Oktober 1897, Generalversammlung in der Gaststätte Wildgrube
Feldhüter Buhle muß wegen unsittlicher Handlungen 14 Tage ins Gefängnis und wird als Feldhüter entlassen. Als Nachfolger wird von 2 Bewerbern Herr Gendricke gewählt.
Der Feldhüter soll jetzt halbjährlich seinen Lohn bei den Mitgliedern einsammeln.
Die Richtlinien für die Berechnung der Beiträge der Hüfnerschaft werden geändert Es
wird nicht mehr nach Hufen, sondern nach Morgen abgerechnet. Die Mitglieder werden
bei Strafandrohung aufgefordert, genaue Angaben über die Größe ihres Besitzes zu
machen.
27. März 1898, Generalversammlung.
Die Kabelhüfnerschaft umfaßt jetzt 663 Morgen und die Mitglieder müssen jetzt jährlich 18 Pfennig je Morgen für den Feldhüter zahlen. Dieser Beitrag ist bis zum 1. Juli zu entrichten.
Durch diese Anordnung entstand die einzige noch vorhandene Mitgliederliste der Kabelhüfnerschaft.
Verzeichnis der Kabelhufenbesitzer
Nr.
Name
Morgen
Mark
1
Die Kirche
114
20,52
2
Gottlieb Schröter
2
0,36
3
Christian Höhne
9
1,62
4
Gottfried Pietzner
2
0,36
5
August Pritzsche
13
2,34
6
Friedrich Matthies I
24
4,42
7
Gottlieb Matthies I
37
1,26
8
Wilhelm Borack
12
2,16
9
Gottlob Hecht
11
1,98
10
Ferdinand Sauermann
5
0,90
11
Gustav Sauermann
5
o,90
12
Ernst Sauermann
5
o,90
13
Julius Westphal
5
0,90
14
Friedrich Möbius
5
0,90
15
Hermann Daniel
2
o,36
16
August Knape
10
1,80
17
Hermann Pappert
16
2,88
18
Gottfried Hecht
8
1,44
19
Friedrich Schrödter
53
9,54
20
Gottlob Geißler
34
6,12
21
Gottlob Wassersleben
3
0,54
22
Friedrich Wisch
12
2,16
23
Witwe Neubert
10
1,80
24
G. Fischer
5
0,90
25
Witwe Schulze
5
o,90
26
Karl Scheinig
4
o,72
27
Gottlieb Matthies II
52
9,36
28
August Gödicke
4
0,72
29
Karl Knape
14
2,52
30
Friedrich Hecht
7
1,26
31
Witwe Kappert
13
2,34
32
Wilhelm Capito
7
1,26
33
Ernst Hecht
7
1,26
34
Hermann Hentzsch
15
2,70
35
Friedrich Matthies II
24
4,32
36
Adolf Winkler
2
o,36
37
Hermann Höhne
11
1,98
38
Karl Scheer
2
0,36
39
Ernst Schulze
12
2,16
40
Hermann Winkler
3
o,54
41
Hermann Reck
1
0,18
42
Karl Pilz
1
0,18
43
Steingutfabrik
22
3,96
44
Wilhelm Specht
4
0,72
45
Schäfer
2
0,36
46
Theodor Heidrich
8
1,44
47
Separationsfond
0,95
48
Klemens
0,25
49
Eduard Kamp
0,25
50
Friedrich Meister
34
6,12
51
August Specht
3
0,54
52
Karl ...dorf
1,00
Die Geldbeträge sind die Beiträge für den Feldhüter.
Insgesamt sind hier 52 Besitzer aufgeführt. In den Versammlungen wurden bei Abstimmungen aber selten mehr als 2o Stimmen gezählt. Waren nur die größeren Betriebe zu den Versammlungen erschienen oder hatten die kleineren kein Stimmrecht ?
Seit der Separation sind etwa 65 Jahre vergangen und die Anzahl der Bewohner hat sich im Bereich der Kabelhüfnerschaft stark erhöht.
Die Betriebsgröße von 25 der aufgeführten Betriebe, lag unter 6 Morgen. Viele der Namen hat man noch gar nicht gehört. Vielleicht waren ein Teil davon Arbeiter, die mit der Entwicklung der Eisenbahn nach Wittenberg gekommen waren.
Dies scheint sich bei der Betrachtung von Protokollen zu bestätigen. Wenn bei Abstimmungen von 52 Mitgliedern nur 22 anwesend sind, waren dies wahrscheinlich überwiegend die Bauern.
Es ist nirgends zu ersehen, ob die Mitgliedschaft freiwillig war, oder Pflicht für die Besitzer von Grund und Boden?
Aus Protokollen ist ersichtlich, daß nur Hausbesitzer Mitglied der Hüfnerschaft werden konnten.
Einige der größeren Betriebe sind heute noch bekannt.
Über Specht gibt es wieder eine Beschwerde weil er wieder Rasen von der Grenze
abgefahren hat.
Es wird beschlossen beim Tode eines Mitgliedes einen Kranz mit Schleife aus der Kasse zu bezahlen. Außerdem wird mehr Beteiligung beim Leichenzug erwünscht.
Der Wirt vom Weißen Schwan, Herr Kappert ist verstorben und sein Nachfolger Herr Noack kann jetzt Mitglied der Hüfnerschaft (jetzt Hausbesitzer) werden.
Der Hufenrichter wird einstimmig wiedergewählt.
1899 Am 3. Pfingstfeiertag soll der Grenzzug stattfinden. Früh 7 Uhr Abmarsch beim Hufenrichter. Pflicht sind dunkler Anzug und Zylinder. Vor dem Abmarsch werden die Strafbestimmungen verlesen. Frühstück gibt es ½ 9 bei Specht in der Specke. Die
Festveranstaltung findet im Weißen Schwan statt. Für Kapelle Werner sind 36 bis 40 Mark bereitgestellt.
1900 Zum Erntefest werden in diesem Jahre für die Musik 30+3 Mark bewilligt und aus der Kasse wird ½ t Bier bezahlt. Die Ackerstücke der Specke werden an die Kabelhufen angeschlossen, die sich dadurch auf etwa 870 Morgen vergrößert hätten.
Verhandlung über die Specke vom 10. 3. 1901
Die dem Herrn Leipziger, Kropstädt gehörige sogenannte Specke, zwischen Eisenbahn und Labetz gelegen, ist im Jahre 1900 in kleinen und größeren Parzellen verkauft worden. Die Käufer derselben, etwa 30, traten heute im Restaurant A. Wildgrube zur Beratung einiger ihrer Angelegenheiten zusammen. Zum Vorsitzenden wurde Herr Meister und zum Schriftführer der Mitunterzeichnete für diese Versammlung ernannt.
1. Dem Antrage, betreffend Anschluß der Specke an die Kabelhufen wird zugestimmt.
2. Die Jagdnutzung der Kabelhufen ist noch bis 1904 an den Ackerbürger H. Pappert verpachtet. Es wird beschlossen,
Durch den unter 1. genannten Anschluß erwächst dem Feldhüter eine Mehrarbeit und dafür wird ihm eine Erhöhung seines bisherigen Lohnes um 3 Mark monatlich bewilligt, und zur Bestreitung dieser Kosten soll der Pachterlös der Jagd verwendet werden.
Herr Meister wird nun noch ersucht, alles weitere zu veranlassen.
v. g. u
Friedrich Randewig Wilhelm Winkler
August Präger Karl Gottlob Scheer
a. u. v.
Der Vorsitzende Der Schriftführer
F. Meister Wildgrube
Obwohl Wittenberg jetzt nicht mehr Festung ist. muß der Pachtvertrag noch vom Magistrat genemigt werden.
1901 Es wird ein Beschluß für 3 Jahre gefaßt, die Jagdpacht auf Morgen zu verteilen. Die Speckekäufer sollen pro Morgen 3,- Mark Eintritt zahen.
Das Erntefest soll im Goldenen Hirsch gefeiert werden. Unter dem Protokoll steht auch die Unterschrift von meinem Großvater August Präger.
1902 Die Jahreseinnahmen haben sich schon auf 564 Mark erhöht.
1903 Im November 1903 war die Kabelhüfnerschaft 100 Jahre im Besitz des Willkummen- Ehrenpokals.
Aus diesem Grunde wird in einer außerordentlichen Versammlung beschlossen:
1. Die Feier, mit gemeinschaftlicher Tafel, soll am 17. Dezember 1903 im Gasthause zum Goldenen Stern stattfinden.
2. Der Preis pro Portion Essen wird auf eine Mark festgesetzt.
3. Die Mitglieder versammeln sich schon 3 Uhr beim Hufenrichter zu einem Festzuge zum Festlokale.
4.Der Ehrenpokal wird dann von 6 jungen Burschen dem Zuge vorangetragen. Der Vorschlag, dies jungen Damen zu übertragen, wird in anbetracht der kalten Jahreszeit abgelehnt.
5. Das Festessen beginnt um 7 Uhr.
6. Jedes Mitglied steuert zum Fest 1.- Mark extra bei.
7. Eine Tonne Bier wird aus der Kasse bezahlt.
8. Die Besorgung der Musik wird dem Hufenrichter übertragen.
9. Eine Gedenktafel mit entsprechender Widmung soll am Pokal angebracht werden. Die Kosten der selben werden aus der Kasse bestritten.
Im September war Herr Meister wieder für 6 Jahre zum Hufenrichter gewählt worden.
In diesen Tagen stand im Wittenberger Kreisblatt neben der Notiz, daß auf dem Ferkelmarkt 604 Ferkel angeboten wurden, der folgende Artikel: Erntefest der Kabelhüfnerschaft der Elstervorstadt und Friedrichstadt.
Erntefest der Kabelhüfnerschaft der Elstervorstadt und Friedrichstadt
Unter überaus großer Beteiligung der Hüfner und Angehörigen und vieler Gäste feierten gestern die Grundbesitzer ihr Erntefest. Von Nachmittags 2 Uhr an versammelten sich die Teilnehmer auf dem Hofe des Hufenrichters Friedrich Meister in der Kl. Friedrichstraße, wo zunächst eine Bewirtung stattfand. Um ½ 4 Uhr ordnete sich der Festzug und durchzog die Elstervorstadt und Friedrichstadt nach dem Gasthofe zum Stern. Die Spitze des Zuges bildete ein Herr und zwei imitierte Damen hoch zu Roß, die durch die Kunstfertigkeit des Herrn Friseurs P. täuschend gut frisiert und kostümiert waren. Hierauf folgte das Musikkorps und der Erntewagen, der mit blühenden rosigen Kindern der Kabelhüfnerschaft vollständig besetzt war. Diesem folgte die Schaar der Schnitterinnen und Schnitter; die Mädchen und jungen Damen in luftigen Kleidern mit blumengeschmückten Harken, die Burschen ebenfalls im festlichen Schnitterkostüm mit landwirtschaftlichen Geräten. Es folgte dann der Erntekranz, getragen von dem Feldhüter, dann die Kabelhüfnerschaft, ca 50 Mitglieder, geführt von dem Hufenrichter und den Vorstandsmitgliedern, von denen eines den zinnernen Humpen trug. Im Festlokale angekommen begann sogleich der Ball, der bis zum halben Morgen dauerte. Nach vielen Wochen schwerer, angestrengter Arbeit ist unserer Landwirtschaft treibenden Einwohnerschaft ein derartiger Festtag wohl zu gönnen und er zeigt, welch inniges freundschaftliches Verhältnis unter den Einwohnern unserer Vorstädte herrscht.
1904 Die Jagd pachtete Hermann Pappert für 6 Jahre zum jährlichen Pachtpreis von 111 Mark.
Die Einnahmen betrugen in diesem Jahr 627 Mark.
Die Mitglieder Friedrich und Hermann Matthies (Vater und Sohn) verstarben beide in diesem Jahr.
Das Erntefest soll nach Stichwahl im Thüringer Hof bei Gastwirt Schlag stattfinden.
1905 Mit der Stadthüfnerschaft wird ein gemeinsamer Feldhüter eingestellt. Am 18. Mai soll der Grenzzug stattfinden. Sollte aber an diesem Tag die Wiesenverpachtung stattfinden, muß der Grenzzug verschoben werden. Für die Kapelle Werner sind wieder 4o Mark bewilligt.
Bei vergehen gegen die Kleiderordnung sind 1 Mark Strafe zu zahlen.
Ein Teil der Mitglieder protestiert gegen den alten Zopf, aber in einer Abstimmung beschließt man , den alten Sitten der Väter treu zu bleiben.
Abmarsch ist um 7 Uhr beim Hufenrichter, Frühstück gibt es im Gasthof Reichskrone in Labetz. Der Ball findet am Abends im Goldenen Hirsch statt.
Das Erntefest soll in der Reichspost stattfinden. Dazu werden eine ½ t Bier und Kaffeemarken im Wert von 50 Pfennig spendiert. Wenn die Einnahmen nicht reichen, soll aus der Kasse zugezahlt werden.
1906 wird ein Erntefest der besonderen Art gefeiert. Musikdirektor Werner spielt für 40 Mark. Dunkler Anzug und Zylinder sind Pflicht. Der Abmarsch zum Festlokal beginnt um
3 Uhr beim Hufenrichter. Der Zug geht durch die kleine Sternstraße (Katrinenstraße), Zimmermannstraße, Berliner- und Dessauer Straße und führt zum Gasthof Winkler im Elbhafen.
Die Kinder fahren in drei Kremsern hinter dem Festzug. Um 7 Uhr holen drei Kremser die übrigen Gäste ab.
Kremser 1 fährt ab Kirchhofstraße 20,
Kremser 2 ab August Wildgrube und
und Kremser 3 ab F. Matthies. Im Kaisergarten (Schreibers Garten) kann zugestiegen werden.
Für Nachzügler stellt Winkler noch zwei Kremser bis 8 Uhr. Einer fährt wieder ab Kirchhofstraße 20 und der zweite von F. Matthies in Friedrichstadt (Zwei Linden) über Elstervorstadt (Wildgrube) zum Elbhafen.
Zur Rückfahrt stehen ständig zwei Kremser bereit. Eine halbe Tonne Bier wird aus der Kasse bezahlt.
Zur Eröffnung des Festes hält der Hufenrichter die Festansprache und alle singen das Lied Nun danket alle Gott.
1907 Wegen schlechter Kassenlage wird die Jagdpacht nicht ausgezahlt, aber zum Erntefest gibt es aus der Kasse eine Tonne Bier.
1908 Sechs Interessenten bieten um die Jagd.
W. Pappert und F. Meister erhalten für 115 Mark den Zuschlag.
Die Jagpacht soll in die Kasse gezahlt werden und mit zur Bezahlung des Feldhüters dienen.
Für das Erntefest soll es wieder 1 t Bier und Kaffeemarken geben.
Auf die Anzugsordnung wird besonderer Wert gelegt, denn im Punkt 6 des Protokolls heißt es:
Dem Herkommen gemäß versammeln sich die Mitglieder um 3 Uhr beim Hufenrichter im dunkeln Anzug und mit Zylinderhut.
Punkt 7 : Wer nicht im vorschriftsmäßigem Anzuge erscheint, zahlt 50 Pfennig Strafe,
Punkt 8, darüber ob der Anzug vorschriftsmäßig ist, oder nicht, entscheidet in streitigen Fällen eine Kommission, bestehend aus, den Herren A. Präger, G. Matthies, G. Müller und A. Hönicke.
Punkt 9, alle Strafgelder fließen in die gemeinsame Kasse.
1909 Im vergangenen Jahre sind die Ackerbürger August Rotte, Gottfried Pietzner, der Fleischermeister Ernst Sauermann und der Gastwirt Friedrich Matthies verstorben.
Zum Erntefest gibt es aus der Kasse wieder eine ¾ t Bier und Kaffeemarken. Meister wird wieder für 6 Jahre zum Hufenrichter gewählt.
1910 Das Erntefest soll in diesem Jahre in der Specke, im Weißen Hirsch gefeiert werden. Das System mit den Kaffeemarken hat großen Beifall gefunden und soll beibehalten werden.
Der Hufenrichter soll tunlichst prüfen ob die Kasse durch die Tonne Freibier nicht zu sehr strapaziert wird.
1911 Der Grenzzug soll wieder am 18. oder am 19.5. stattfinden. Abmarsch um 7 Uhr beim Hufenrichter, Frühstück gibt es in der Reichskrone Labetz und der abendliche Ball findet in der Reichspost statt.
In der Herbstversammlung berichtet Carl Knape von einer Maiblumenexkursion nach Hannover.
1912 Der bisherige Schriftführer, Lehrer Wildgrube, gibt sein Amt wegen Alter und Krankheit ab. Neuer Schriftführer wird Friedrich Müller. Die Lokalfrage zum Erntefest wird durch Abstimmung geregelt.
.. auf den Inhaber des goldenen Hirsch August Specht mit dem berechtigten Wunsch seine Gäste gut bewirthen zu wollen welchiges selbiger annahm und die Bewirthung aus Beste versprach..
Es wurde auch über die Beschaffung von Saatkartoffeln aus entfernteren Gegenden diskutiert.
1913 In der Februarversammlung wird vorgeschlagen, die schlechten Feldwege mit Eisenbahnschotter zu bessern und eine Viehwaage anzuschaffen. Carl Knape wirbt für eine Viehversicherung.
In der Herbstversammlung wird die Viehwaage aus Rentabilitätsgründen abgelehnt. Der Schriftführer Müller legt sein Amt nieder und W. Pappert wird Schriftführer.
Der Hufenrichter will sein Amt niederlegen weil er nicht hören kann, daß er Auszügler genannt wird. Er läßt sich aber überreden. In dieser Versammlung mußten auch Unstimmigkeiten mit dem Feldhüter geklärt werden.
1914 Der I. Weltkrieg bricht aus. Die Erntefeste fallen in den Kriegsjahren aus. Aus den eingesparten Geldern besorgt eine Einkaufskommission warme Unterwäsche für die an der Front stehenden Mitglieder.
1915 Der Feldhüter sammelt für Weihnachtspakete.
In der Lade befinden sich auch Feldpostkarten, mit denen sich die Soldaten für die Pakete bedanken.
1916 erfolgt ein dringender Aufruf zum Räumen der Gräben.
1917 Der Feldhüter bekommt monatlich 10 Mark Zulage plus 3 Mark für Extrabestellwege. Am 30.9. wird beschlossen je Morgen 20 Pfennig Jagdpachteinnahme zu verteilen und für die Anwesenden gibt es Freibier aus der Kasse.
1918 In diesem Jahr sind die Einnahmen auf 887 Mark gestiegen. Der Hufenrichter wird für 1 Jahr wiedergewählt
1919 Hufenrichter Meister ist verstorben, von 5 Kandidaten wird Fritz Neubert mit 7 von 21 Stimmen zum neuen Hufenrichter gewählt. Das Lokal zum Erntefest sollte durch Simmzettel ermittelt werden. Da aber Specht und Winkler gleiche Stimmenanzahl hatten entschied das Los für Herrn Specht. Zur Finanzierung sollte Jedes Mitglied 5 Mark einzahlen. Als Junggesellen wurden Hermann Präger, Friedrich Neubert, Albert Anger, Friedrich Wisch und Richard Höhne bestellt.
Der Feldhüter wird versichert.
Zum Erntefest überführen die 6 Junggesellen die Lade dem Festzuge voran zum neuen Hufenrichter.
.... Hier waren alle Tische mit Speise, Kaffee und Kuchen reichlich besetzt, wo ein jeder seine Pflicht tat. Nach beendigter Mahlzeit bewegte sich der Zug durch Kirchhof-, Schäfer- und Dresdenerstraße zum Goldenen Hirsch.......
Damit endet das Protokollbuch der Kabelhüfnerschaft.
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